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Abgasskandal
Zweifel an Unabhängigkeit des Untersuchungsberichts

Bei der Aufarbeitung des Abgasskandals bei Dieselfahrzeugen gab es offenbar enge Kontakte zwischen Bundesverkehrsministerium und Kraftfahrtbundesamt sowie den Autoherstellern. Kritiker bezweifeln deshalb, dass der Abschlussbericht wirklich unabhängig war. Das Ministerium verteidigt sein Vorgehen.

Von Alexander Budde | 11.11.2016
    Ein KFZ-Servicetechniker hält am 08.10.2015 die Abdeckung vor einem vom Abgas-Skandal betroffenen 2.0l TDI Dieselmotor vom Typ EA189 in einem VW Touran in einer Autowerkstatt in Hannover (Niedersachsen).
    Ein vom Abgas-Skandal betroffener 2.0l TDI Dieselmotor vom Typ EA189 in einem VW Touran (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Dass die meisten Dieselfahrzeuge unter realen Fahrbedingungen weit mehr Schadstoffe ausstoßen als bei den offiziellen Prüfverfahren von TÜV, DEKRA und Co. ist seit Jahren bekannt. Sachverständige und Umweltschützer fordern vor allem präzisere Regeln für Abschalteinrichtungen der Abgasreinigung. Doch erst seit Bekanntwerden des VW-Abgasskandals hat Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) viele Automodelle überprüfen lassen. Unabhängig, wie das zuständige Kraftfahrtbundesamt (KBA) stets betonte. Der interne Schriftverkehr zwischen Beamten des KBA, des Verkehrsministeriums sowie den Vertretern der Autokonzerne zeichnet ein anderes Bild. Offenbar formulierten die Autobauer beim Untersuchungsbericht zum Dieselskandal munter mit.
    Ein Rechercheverbund von SPIEGEL ONLINE, des Bayerischen Rundfunks und der Deutschen Presseagentur konnte Unterlagen auswerten, die das Verkehrsministerium dem sogenannten Untersuchungsausschuss Volkswagen im Bundestag zur Verfügung stellen musste. Der Ausschuss soll klären, ob die Behörden bei der Kontrolle der Abgaswerte von Dieselautos versagt haben.
    Ministerium: Gespräche mit den Herstellern sind üblich und notwendig
    E-Mails zwischen der Aufsichtsbehörde KBA und den Autoherstellern legen nun nahe, dass sich beide Seiten über Inhalte des Berichtes enger abgestimmt haben als bislang belegt. Demnach bestanden bei 22 von 53 getesteten Dieselmodellen Zweifel, ob das Herunterregeln der Abgasreinigung bei niedrigeren Temperaturen wirklich mit dem Schutz von Motorbauteilen zu tun hat. Beispiel Opel: Den Prüfern des KBA waren bei Messungen des Stickoxidausstoßes beim Opel Zafira weit überhöhte Werte aufgefallen. Daraufhin schrieb ein Vertreter von Opel an die Behörde zurück, der Autohersteller könne Formulierungen in einem Entwurf des Berichts nicht zustimmen. Es könne daher nicht von "Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit" gesprochen werden. Dies impliziere einen Gesetzesverstoß, der aber nicht angemessen sei. An anderer Stelle schreibt ein KBA-Vertreter an einen Mitarbeiter des Bundesverkehrsministeriums, in der Rohfassung des Berichts sei ein "Porsche-Text" mit dem Hersteller abgestimmt.
    In einer gemeinsamen Stellungnahme zu den Recherchen, bestätigten Bundesverkehrsministerium und KBA dass mit den Herstellern im Rahmen der Untersuchungen Gespräche geführt und technische Fragen erörtert worden sein. Ein solches Prozedere sei aber international üblich und notwendig.
    Die Grünen sehen sich in ihrem Vorwurf bestätigt, Verkehrsminister Dobrindt und das KBA handelten nicht unabhängig. "Offenbar hat die Industrie dem KBA die Feder geführt", sagte Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck. Schon allein der Anschein einer "Kultur der Kumpanei" sei fatal. Die logische Konsequenz könne nur sein, dass eine unabhängige Kommission die Prüfungen noch einmal aufrolle.