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Abschied vom Ausbau der Elbe

Für die einen ist die Elbe ein Fluss mit viel Natur, für die anderen eine Wasserstraße. Über den Ausbau der Elbe zur ganzjährig schiffbaren Wasserstraße wird seit Langem gestritten, doch jetzt scheinen wirtschaftliche Argumente den Ausschlag zu geben - für den Umweltschutz.

Von Christoph Richter | 06.09.2013
    Es klingt nach einer kleinen Sensation. Das Bundesverkehrsministerium verabschiedet sich von der ganzjährig befahrbaren Elbe. So ist es in einem kürzlich erstellten Eckwertepapier zu lesen. Der Grund: Es sei einfach zu wenig Wasser in der Elbe, die geforderte Mindestfahrrinne von 1, 60 Meter schlicht illusorisch, sagt Reinhard Klingen, der Leiter der Abteilung Wasserstraßen und Schifffahrt beim Bundesverkehrsministerium. Stattdessen sind aktuell nur 1,20 bis 1,30 Meter 100-prozentig zu gewährleisten. Zu wenig für eine sichere Lastschifffahrt, ergänzt Klingen. Eine durchgängige Befahrbarkeit wäre nur durch den Bau von Staustufen möglich, das sei politisch aber derzeit nicht durchsetzbar, so Klingen weiter:

    "Man kann vorhandenes Wasser durch Regulierung sicherlich stabil halten, aber fehlendes Wasser herbeizubauen, fehlt mir jedenfalls die Fantasie, wie man das wirtschaftlich darstellen könnte."

    Laut Angaben des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung war die Elbe 2003 an 197 Tagen nicht zu befahren, im vergangenen Jahr wurde an 140 Tagen die angepeilte Fahrrinnentiefe von 1,60 Metern verfehlt. In Zukunft würden sich die Niedrigwasserperioden noch häufen.

    Damit steckt das Bundesverkehrsministerium in der Zwickmühle. Einerseits berufen sich die Hafen- und Binnenschifffahrtsverbände sowie die Landesregierungen von Hamburg und Sachsen-Anhalt auf die 1992 gegebene Zusage des Bundes, dass die Elbe ganzjährig, also an mindestens 345 Tage zu befahren sei. Andererseits: Es fehlt einfach - manchmal Monate lang - das Wasser. Reinhard Klingen:

    "Ein frei fließender Fluss, und die Elbe ist bis zur Staustufe Geesthacht, ein frei fließender Fluss, da können sie niemals garantieren, 365 Tage gleiche Fahrwasser beziehungsweise Fahrrinnenverhältnisse. Das geht gar nicht."

    Klare Aussagen, die man so noch nie vom Bundesverkehrsministerium gehört habe, sagt Umweltaktivist Ernst Paul Dörfler. Und lächelt. Er ist der Elbe-Experte des BUND, des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland. Das Umdenken sei nur logisch, sagt er. Kosten und Nutzen stünden in einem krassen Missverhältnis. 40 Millionen Euro koste der jährliche Unterhalt der Elbe, wogegen nur rund eine Million Tonnen Güter transportiert würden. Ökonomischer Unsinn, dem man jetzt ein Riegel vorschiebe, so Dörfler weiter. Und ergänzt, dass man beim Bundesverkehrsministerium mal gar mit einer Elbfracht von jährlich 12 Millionen Tonnen gerechnet hätte:

    "Die Bundesregierung spricht gar von einem Paradigmenwechsel an der Elbe. Wir müssen jetzt zusammenkommen und schauen, was ist möglich. Bis jetzt wurden ja nach unserer Auffassung Illusionen verfolgt. Nämlich die Illusion, die Elbe zu einer ganzjährig befahrbaren Wasserstraße zu machen. Wer die Elbe kennt, weiß, das geht nicht. Die Elbe hat mal einen Meter, mal sieben Meter, und da kann sich die Schifffahrt nicht drauf verlassen."

    Umweltaktivist Ernst Paul Dörfler träumt nun von der Loire in Mitteldeutschland. Einem naturbelassenen Wildfluss, der sich durchs Land schlängelt, mäandert, in dessen Mitte wieder Inseln entstehen, indem Sandbänke zu Brutplätzen seltener Vogelarten werden. Frank Scheurell, verkehrspolitischer Sprecher der CDU in Sachsen-Anhalt verdreht bei solchen Visionen die Augen. Er würde am Liebsten heute noch mit dem Elbe-Ausbau beginnen:

    "Also für uns ist das so nicht hinzunehmen und auch nicht nachzuvollziehen. Also ich bin seit 1962 ein Anwohner der Elbe. Und in meinen Kinder- und Jugendtagen habe ich ein Vielfaches von Verkehr auf der Elbe erlebt. Und es ist möglich. Und die Verkehre sind ja da. Schauen sie auf die Autobahn, schauen sie auf die Schiene."

    Anders als der sachsen-anhaltische CDU-Verkehrsminister Thomas Webel, der es lieber vermeidet, sich zu diesem Thema zu äußern, spricht Parteikollege Frank Scheurell Klartext. Und betont, dass Sachsen-Anhalt noch mehr mit Hamburg kooperieren müsse. Verkehrspolitiker Scheurell spricht von einer Interessensgemeinschaft:

    "Wir stehen da gemeinsam für die weitere Schifffahrtsnutzung der Elbe. Als Bundeswasserstraße."

    Bis Ende des Jahres will das Bundesverkehrsministerium alle Fakten zusammentragen, dann will man zu einer neuen Runde einladen, um sich über die endgültige Zukunft der Elbe zu verständigen. Letztlich wird es am Geld hängen, ob in den nächsten Dekaden noch Lastkähne über die Elbe schippern. Es stehen Zahlen im Raum von etwa 100 Millionen Euro, die der Ausbau kosten würde. Doch das Güteraufkommen hat sich auf der Elbe nach Angaben des Bundeswasserstraßenamtes in den letzten 14 Jahren halbiert. Deshalb - darüber sind sich unter der Hand fast alle Beteiligten einig - wird man sich wohl verabschieden müssen, von der Elbe als ganzjährig befahrbaren Fluss.


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