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Abstammungsrecht
Gegen die Ungleichbehandlung homosexueller Paare

Wenn lesbische Ehepaare eine Familie gründen, wird die Frau der biologischen Mutter nicht automatisch zur Mutter - sie muss das Kind adoptieren. Der Weg ist äußerst mühsam. Um die Ungleichbehandlung lesbischer Paare zu beenden, will das Bundesjustizministerium das Abstammungsrecht nun ändern.

Von Benjamin Dierks | 21.07.2019
    Zwei Frauen schubsen ihr Kind beim Schaukeln an.
    Wenn lesbische Ehepaare eine Familie gründen, wird die Frau der biologischen Mutter bislang nicht automatisch auch zur Mutter — was mitunter absurde Folgen hat. (picture alliance/KEYSTONE)
    Singen, wickeln, füttern, spielen und baden: Wenn Karola Morietz[*] und ihre Frau sich gemeinsam um ihre beiden Zwillingssöhne kümmern, dann spüren sie, dass sie ihre Eltern sind - Mutter und Mutter. Aber nach deutschem Recht haben die beiden Jungs bisher nur einen Elternteil: Karola Morietz' Frau, die die beiden vor gut sieben Monaten zur Welt gebracht hat.
    "Wir sind seit 2011 ein Paar und seit 2018 verheiratet. Und im Dezember letzten Jahres kamen unsere Zwillingssöhne auf die Welt."
    Um aber das gemeinsame Elternglück auch schwarz auf weiß zu haben, muss das Mannheimer Paar noch eine Hürde überwinden: Wenn lesbische Ehepaare eine Familie gründen, wird die Frau der biologischen Mutter bislang nicht automatisch auch zur Mutter - was mitunter absurde Folgen hat: Obwohl die beiden Frauen bereits verheiratet waren, als ihre Söhne geboren wurden, galt die leibliche Mutter in der Geburtsurkunde als ledig. Karola Morietz muss die beiden Jungen, die in ihre Ehe geboren wurden, erst adoptieren, um ebenfalls alle Rechte und Pflichten als Mutter zu haben.
    "Ja, und jetzt befinden wir uns gerade mitten im Prozess von der Stiefkindadoption. Und den finden wir sehr langwierig und aufwendig und undurchsichtig und in allererster Linie auch demütigend, weil wir uns bewusst für die Familiengründung entschieden haben und das natürlich bei zwei Frauen auch nicht einfach so passiert, sondern mithilfe von einer Samenbank und von einem Kinderwunschzentrum."
    Künstliche Befruchtung nach der ICSI-Methode, Intrazytoplasmatische Spermien Injektion, unter dem Mikroskop, Zentrum für Reproduktionsmedizin, Interdisziplinäres Zentrum für Kinderwunschbehandlung in Düsseldorf.
    Viele lesbische Paare sind auf Samenbanken und Kinderwunschzentren bei der Familienplanung angewiesen. (picture alliance/imageBROKER)
    Notarielle Beglaubigungen für das Kinderwunschzentrum
    Schon damit ihre Frau im Kinderwunschzentrum behandelt werden konnte, musste Morietz als Mit-Mutter notariell beglaubigen lassen, dass sie das Kind oder die Kinder adoptieren werde.
    "Ja, wir hatten großes Glück, also es hat beim ersten Versuch funktioniert und es war auch keine wirkliche medizinische Unterstützung außer der Insemination notwendig und dann war sie direkt schwanger mit den Jungs, mit den Zwillingen."
    Aber acht Wochen nach der Geburt wartete der nächste Verwaltungsakt. Ab dem Zeitpunkt konnte Morietz die Adoption beantragen.
    "Für uns ist es jetzt halt schwierig und auch für mich insbesondere verletzend, dass ich mich da eigentlich jetzt sehr blank machen muss und ich mich fühle, als müsste ich mich darauf bewerben eine gute Mutter zu sein, eine akzeptierte Mutter zu sein und dadurch dann erst zum rechtlichen Elternteil zu werden."
    Zunächst forderte das Familiengericht allerlei Nachweise, darunter ein Gesundheitszeugnis für die gerade geborenen Söhne und für Karola Morietz. Sie sollte darlegen, dass sie psychisch gesund ist und in der Lage, Kinder aufzuziehen. Danach verlangte das Mannheimer Jugendamt weitere Auskünfte bis hin zu einem ausführlichen Lebensbericht beider Frauen vom Kindergartenalter an samt einer Einschätzung, wie kompetent die Partnerin in Erziehungsfragen sei.
    "Man hat permanent das Gefühl, man braucht aufgrund seines Auslebens des Familienwunsches die Legitimation von außen. Und das fühlt sich richtig richtig schlecht an und ungerecht."
    Die Ehe für alle bedeutet nicht auch Kinder für alle
    Es geht in dem Fall von Familie Morietz um mehr als die zusätzliche Bürokratie, mit der lesbische Paare sich herumärgern müssen, wenn sie Kinder bekommen. Hinter der Behandlung von Lesben und Schwulen mit Kinderwunsch steht auch die Frage: Welche Familien sind gewünscht in diesem Land? Welche werden gefördert? Und wer darf den Schutz genießen, der Familien in Deutschland zuteil wird? Heiraten dürfen gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland seit 2017. Aber die Ehe für alle bedeutet nicht auch Kinder für alle. Was erleichtert wurde, ist die Adoption: Gleichgeschlechtliche Paare können seit Einführung der Ehe für alle auch gemeinsam Kinder adoptieren. Viele andere Formen von Regenbogenfamilien stehen bei einem Kinderwunsch aber nicht nur vor biologischen, sondern auch vor rechtlichen Hürden. Für Karola Morietz ist die Ehe für alle damit unvollständig.
    "Unser Gefühl ist ganz klar: Die Ehe für alle, die kam dann sehr spät, 2017, und war überfällig, wurde aber nicht zu Ende gedacht. Der Familienwunsch, Kinderwunsch ist da. Und zu sagen, man geht den Schritt, dass alle Menschen, die sich lieben, heiraten dürfen. Aber dann sind Kinder, die in eine lesbische Ehe geboren werden, dennoch aus unserer Sicht Kinder zweiter Klasse erst mal, Kinder ohne rechtliche Absicherung mit zwei Elternteilen, obwohl sie zwei Elternteile haben."
    Zwei Frauen demonstrieren in Berlin gegen die Stiefkind-Adoption.
    Zwei Frauen demonstrieren in Berlin gegen die Stiefkind-Adoption. (imago images / IPON)
    Vor allem diese Benachteiligung der Kinder kritisieren die Gegner der Stiefkindadoption bei lesbischen Paaren. Ihre Abschaffung sei überfällig, sagt die Hamburger Familienanwältin Gabriela Lünsmann, die im Vorstand des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland, kurz LSVD, sitzt.
    "Weil es überhaupt keinen sachlichen Grund dafür gibt, ein Paar, in deren Ehe oder Lebenspartnerschaft ein Kind geboren wird, durch diesen Prozess zu schicken. Der zieht sich bis zu einem Jahr hin. Der ist unter Beteiligung des Jugendamtes. Da werden privateste Dinge abgefragt, um über eine Stiefkindadoption zu entscheiden, die gar nichts an der Lebenssituation des Kindes ändert. Denn dieses Kind lebt ja von Geburt an in der Familie mit seinen beiden Müttern."
    Änderung des Abstammungsrechts in der Diskussion
    Ein vom Bundesjustizministerium eingesetzter Arbeitskreis hatte bereits vor zwei Jahren empfohlen, das Abstammungsrecht für lesbische Paare zu ändern und die Stiefkindadoption in diesem Fall abzuschaffen. Der Deutsche Juristentag kam zum selben Ergebnis. Und das SPD-geführte Justizministerium hat im März einen Diskussionsentwurf vorgelegt, der vorsieht, dass die Ehefrauen oder eingetragenen Partnerinnen der biologischen Mütter entweder automatisch als so genannte Mit-Mütter gelten oder die Elternschaft ohne Adoption anerkennen können – wie der Ehemann oder Partner bei heterosexuellen Paaren. Die Koalitionspartner von der Union allerdings sind skeptisch. Thorsten Frei, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, lehnt eine Änderung des Abstammungsrechts ab.
    "Es ist dem Grunde nach eben so, dass wir im Bereich des Abstammungsrechtes von einer genetisch-biologischen Abstammung ausgehen und im Bereich der Adoption eben von rechtlichen Zuordnungen von Kindern, zu denen es keine genetische Verbindung gibt. Und wenn ich mir das anschaue, dann glaube ich, findet man im Adoptionsrecht einen besseren Anknüpfungspunkt für eine Neuregelung als im Abstammungsrecht."

    Die Befürworter der Gesetzesänderung führen hingegen an, dass auch der Ehemann automatisch als Vater gilt, unabhängig davon, ob er es biologisch ist, weil dies impliziert wird. Der LSVD begrüßt den Schritt des Bundesjustizministeriums. Der Entwurf gehe allerdings nicht weit genug, kritisiert Familenrechtlerin Lünsmann.
    "Das Gesetz sieht eben vor, dass nur dann, wenn es um ärztlich assistierte Reproduktionen handelt, eine Rechtssicherheit für die Beteiligten da ist und zwar für beide Seiten, eine Rechtssicherheit für die beiden Mütter, dass das Kind sozusagen ihnen rechtlich zugeordnet ist, und umgekehrt, dass der Samenspender sozusagen auf der sicheren Seite ist."
    Thorsten Frei, CDU-Bundestagsabgeordneter
    Thorsten Frei, CDU-Bundestagsabgeordneter (dpa / Marijan Murat)
    Forderung nach vorgeburtlicher Vereinbarung über Elternschaft
    Karola Morietz hätte also rechtliche Sicherheit gehabt, dass die Kinder ihr zugesprochen werden, weil sie und ihre Frau die Dienste eines Kinderwunschzentrums in Anspruch genommen haben. Viele lesbische Frauen griffen aber auf eine private Samenspende zurück, um ein Kind zu bekommen, ohne die teure Hilfe eines Arztes, sagt Lünsmann. Und bei ihnen sei die Rechtslage dem Entwurf zufolge weitaus unsicherer.
    "Auch in dem Fall ist es möglich, dass die Frau, die mit der leiblichen Mutter verheiratet ist, oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, von Geburt an rechtlicher Elternteil des Kindes wird, und Sie kann auch die Mutterschaft anerkennen, aber es bestehen umfangreiche Anfechtungsrechte für alle Beteiligten."
    Dem Entwurf zufolge soll ein privater Samenspender - auch entgegen einer vorher getroffenen Absprache - innerhalb der ersten sechs Lebensmonate des Kindes die Vaterschaft feststellen lassen können. Wenn ein Umgang zwischen dem biologischen Vater und dem Kind besteht, bleibt für die Anfechtung sogar ein Jahr Zeit.
    "Der Umkehrschluss daraus ist: Wenn ich die Anfechtungsrechte sozusagen begrenzt halten möchte, unterbinde ich den Kontakt im ersten Lebensjahr, und das kann meines Erachtens nicht Ziel eines solchen Gesetzes sein."
    Dass eine Zeugung im Kinderwunschzentrum rechtlich anders behandelt wird, hat unter anderem mit dem Spenderregistergesetz zu tun. Das gibt Kindern das Recht zu erfahren, von wem sie abstammen. Bei ärztlich assistierter Reproduktion ist der Samenspender auf jeden Fall dokumentiert. Der LSVD kritisiert aber, dass jene sozial benachteiligt werden, die sich die geschätzt mindestens 10.000 Euro für eine Behandlung im Kinderwunschzentrum nicht leisten können oder wollen. Der Verband schlägt eine Kostenbeteiligung für die Behandlung im Kinderwunschzentrum vor. Dann könnten auch Frauen mit einem privaten Samenspender sich dort behandeln und ihn dokumentieren lassen. Und der Verband fordert, dass eine verbindliche Vereinbarung über die Elternschaft vor der Geburt ermöglicht wird.
    "Es geht hier nicht darum, die Mütter vor den Vätern zu schützen, sondern darum, dass es absolut sinnvoll und zum Wohl des Kindes ist, wenn man sich vor der Gründung der Familie über die Rahmenbedingungen verständigt und diese auch bindend vereinbaren kann."
    Zwei Mamas und zwei Papas
    Hier allerdings wird es noch komplizierter. Denn unter den Rahmenbedingungen für eine Familiengründung stellen sich viele Betroffene etwas anderes vor als eine Beschränkung auf zwei Elternteile. Es gibt auch lesbische und schwule Paare, die sich zusammentun, um gemeinsam ein Kind zu bekommen, das sie dann womöglich mit je zwei Müttern und Vätern oder einer anderen Elternkonstellation erziehen wollen. Oft ist der biologische Vater nämlich nicht nur reiner Samenspender, sondern möchte das Kind mit großziehen. So ist es bei Sarah Kinzebach, die ebenfalls in Mannheim lebt. Sie hat ihren Sohn mit einem schwulen Jugendfreund bekommen.
    "Unsere Familiensituation gestaltet sich so, dass wir vier Eltern sind, also zwei Mamas und zwei Papas. Wir haben einen Sohn, der ist sechs Jahre alt und dieser lebt bei uns, bei den Mamas, und ist jedes zweite Wochenende bei den Papas und die Hälfte der Ferien."
    Die gemeinsame Erziehung mit zwei Müttern und Vätern laufe weitgehend harmonisch, berichtet Kinzebach, auch wenn bei vier Elternteilen viel abgesprochen werden müsse. Nur rechtlich ist eine Familie, wie die von Sarah Kinzebach, nicht vorgesehen. Deshalb mussten die Eltern sich arrangieren. Zunächst teilten sich Kinzebach und der biologische Vater die Elternschaft. Bald habe sich aber herausgestellt, dass die Regelung im Alltag nicht funktionierte. Die vier entschieden, dass die beiden Mütter das Sorgerecht haben sollten. Der leibliche Vater gab das Kind deshalb zur Adoption frei, damit Kinzebachs Frau rechtliche Mutter werden konnte.
    "Das war eine absolut schlimme und schwierige Entscheidung. Es fiel ihm sehr schwer, uns auch. Wir sind dann zu dritt, mussten dann zum Notar gehen und das dann erklären."
    Sarah Kinzebachs Wunsch wäre, dass sowohl die Mütter als auch die Väter in ihrer Familie rechtlich Eltern sein können.
    "Wenn es ums Kindeswohl geht, und darum geht es mir, dann ist es halt so. Es ist komplizierter, aber es ist die Lebenswirklichkeit, die da abgebildet wird. Und die Papas sind Bezugspersonen im Alltag von unserem Sohn."
    Lebensrealität bei mehr als zwei Eltern "kompliziert"
    Weiße Figuren von einem Vater mit Kind und einer Familie mit Kindern kleben auf einer Glasscheibe. 
    Weiße Figuren von einem Vater mit Kind und einer Familie mit Kindern (pa/dpa/Jens Kalaene)
    Eine solche Regelung könne nicht nur Regenbogenfamilien mit mehr als zwei Elternteilen helfen, sondern auch Stief- und Patchworkfamilien, wenn nach einer Trennung von Mutter und Vater etwa neue Partner die Kinder miterziehen. Die FDP fordert, auch die Mehrelternschaft festzuschreiben.
    "Es gibt immer mehr Familien, wo eben nicht nur ein oder zwei Elternteile für die Erziehung zuständig sind, sondern beispielsweise in Regenbogenfamilien, wo sich ein schwules Paar mit einem lesbischen Paar zusammentut und gemeinsam Kinder erziehen wollen. Da gibt es faktisch mehrere Eltern und das ist rechtlich bisher überhaupt nicht anerkannt."
    Sagt Jens Brandenburg, LSBTI-politischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. LSBTI steht für lesbisch, schwul, bi- trans- und intersexuell. Auch die Grünen und Linken-Politiker sprechen sich für die rechtliche Anerkennung der Mehrelternfamilie aus. In der Großen Koalition findet die Forderung bisher jedoch keine Mehrheit. Eine Verteilung des Sorgerechts auf mehr als zwei Elternteile berge auch mehr Konflikte, sagt Unions-Vizefraktionschef Thorsten Frei.
    "Wenn es eben unterschiedliche Interessen und Positionen gibt, sich die Beteiligten also nicht einig sind, dann ist das Kind mit Ansprüchen eines Dritt- oder Viertelelternteils konfrontiert. Wenn man also das Kindeswohl in den Mittelpunkt rückt, dann, glaube ich, ist die Mehrelternschaft sehr, sehr kritisch zu beurteilen."
    Weiterer Vorbehalt von Kritikerseite: Später müsse ein Kind womöglich auch für alle Eltern Unterhalt zahlen, sollten diese im Alter ins Pflegeheim kommen. Der FDP-Abgeordnete Jens Brandenburg glaubt hingegen, dass eher die bisherige Regelung Konflikte schaffe.
    "Wir sehen ja in der Praxis, dass es gerade dadurch kompliziert wird, dass die Lebensrealität also in manchen Familien, eben mehr als zwei Elternteile, nicht anerkannt werden. Dass das der komplizierte Faktor ist, also dass das häufig ein Auslöser ist für Streitigkeiten, auch für Unsicherheiten für das Kind: Wer hat jetzt das Sorgerecht? Wie sieht es aus mit der finanziellen Absicherung für das Kind? Da schafft eigentlich die aktuelle Rechtslage mehr Probleme als dass sie Probleme löst."
    Jens Brandenburg ist LSBTI-politischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.
    „Es gibt immer mehr Familien, wo eben nicht nur ein oder zwei Elternteile für die Erziehung zuständig sind, sondern beispielsweise in Regenbogenfamilien, wo sich ein schwules Paar mit einem lesbischen Paar zusammentut und gemeinsam Kinder erziehen wollen. (picture alliance/Christoph Soeder/dpa)
    Diskriminierung und Druck von außen als Belastung fürs Kind
    Was in allen Fällen deutlich wird: Wie Familien entstehen und wie sie leben, ändert sich. Und in vielen Fällen geben die Politik und die Rechtslage in Deutschland darauf noch keine Antworten. Die Soziologin Andrea Buschner hat beobachtet, dass das gesellschaftliche Bild von Familie sich wandelt.
    "Während früher mit Familie eindeutig Ehe verbunden war, also man sagte, Familie ist da, wo Ehe auch geschlossen wird, ist es heute eher so, dass man sagt, Familie ist dort, wo Kinder leben. Und da ist es weniger wichtig, ob die Paare verheiratet sind oder ob verschiedengeschlechtliche Partner sind oder nicht."
    Die Familienleitstudie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) zeigt, dass das Familienbild einer Mehrheit der Deutschen neben Nichtverheirateten mit Kindern auch gleichgeschlechtliche Partner mit Kindern einbezieht. Buschner hat jahrelang im Auftrag des Bundesjustizministeriums erforscht, wie die Lebenssituation von Kindern mit gleichgeschlechtlichen Eltern ist und hat herausgefunden, dass es im Fall von Konflikten nicht die Familienkonstellationen sind, die die Kinder belasten, sondern Diskriminierung und Druck von außen.
    "Indem sozusagen diskriminiert wird und sagt: ihr seid eigentlich keine richtige Familie wie andere auch, und auch die Gesetzgebung und auch die Regierung ja lange Zeit Bauchschmerzen hatten, die Gleichstellung voranzutreiben. Mit diesem Verhalten stützt man natürlich die allgemeine Meinung, dass mit diesen Familien vielleicht irgendwas nicht stimmen könnte. Und solche Diskriminierungserfahrungen, solches sich ständig erklären zu müssen, sich ständig rechtfertigen müssen, sich ständig unter Beobachtung fühlen, ob man auch wirklich alles richtig macht, dass ist das, was eigentlich das Problem dahinter ist, und nicht, dass die immer mit zwei Männern oder zwei Frauen aufwachsen."
    Zwei Väter mit ihrem Baby.
    Einige schwule Männer nehmen Hilfe von Leihmüttern an, um Kinder zu bekommen. Das Verfahren ist in Deutschland verboten. (imago images / Science Photo Library)
    Durch Fakten die beteiligten Behörden in Übung gebracht
    Wie wichtig Akzeptanz und rechtliche Sicherheit bei der Geburt von Kindern sind, hat auch der vierfache Familienvater Axel Haase aus Neuss erfahren. Er und sein Mann haben ihre Kinder mit Hilfe von Leihmüttern in Indien und in den USA zur Welt gebracht – ein Verfahren, dass in Deutschland verboten ist. Es ist schon mehrfach vorgekommen, dass deutsche Gerichte eine solche Elternschaft nicht anerkannt haben, weil in Deutschland der lateinische Rechtsgrundsatz gilt: Mater semper certa est – die Mutter ist immer gewiss. Demnach ist die Frau Mutter, die ein Kind austrägt und zur Welt bringt, unabhängig von der genetischen Verbindung. Nur wenn ein ausländisches Gericht die Elternschaft bestätigt hat, wird sie auch in Deutschland anerkannt. Axel Haase:
    "Die Geburt eines Kindes ist sowieso so überwältigend für eine Familie, da geht einem so viel durch den Kopf, da hat man Ängste, ob alles gut geht, ob das Kind gesund ist. Und das letzte, was man an der Stelle braucht, ist eine rechtliche Unsicherheit, ob man denn hinterher überhaupt als Vater oder als Mutter anerkannt wird."
    Haase weiß, wovon er spricht. Er hat selbst größte Unsicherheit aushalten müssen. Seine erste Tochter kam in Indien zur Welt. Anderthalb Jahre musste er anschließend dort ausharren, bis die Behörden den Fall zu seinen Gunsten entschieden hatten. Weitere Jahre vergingen, bis auch sein Mann in Deutschland – damals noch über eine Stiefkindadoption – als Vater anerkannt war. Haase hat aber auch erlebt, wie dieser Verwaltungsakt über die Jahre immer schneller und einfacher wurde – einfach dadurch, dass er und sein Mann Fakten geschaffen haben und die beteiligten Behörden in Übung kamen.
    "Die einzelnen Beamten in den verschiedenen Ämtern kennen uns auch persönlich. Da liegen Akten, und als wir dann beim dritten Mal angekommen sind und gesagt haben, wir bekommen übrigens noch ein Kind, ging das relativ reibungslos und wir waren so schnell, dass wir sogar vorgeburtlich schon die Anerkennung des ausländischen Familiengerichtsurteils hier in Deutschland durchhatten. Zum Zeitpunkt der Geburt konnten wir also dann uns im Kreißsaal und in unserem Leben rein darauf konzentrieren, was jetzt gerade ansteht, nämlich die Geburt eines Kindes."
    Wunsch nach gesellschaftlichem Konsens
    Die FDP fordert, eine nicht-kommerzielle Leihmutterschaft und Eizellspenden auch in Deutschland zu erlauben, damit Menschen nicht ins Ausland gehen, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen. Aber damit steht die Partei noch weitgehend allein. Für den Vater und Hausmann Axel Haase ist es verständlich, dass solche Veränderungen dauern.
    "Grundsätzlich und prinzipiell bin ich mir schon darüber bewusst, dass das, was wir getan haben, auch menschheitsgeschichtlich brandaktuell, ganz neu, und auch gesellschaftlich, ich will nicht sagen eine Zumutung ist, aber wir sind halt Frontrunner, was auch Zeit braucht. Wir brauchen dringender als ein kurzfristiges Gesetz auch einen gesellschaftlichen Konsens, und diesen gesellschaftlichen Konsens herbeizuführen, bedarf Zeit, so ärgerlich das für jemanden wie uns in der konkreten Notlage ist, sehe ich doch die Notwendigkeit dafür."
    Selbst die Union räumt ein, dass man dem Dilemma nicht ewig wird ausweichen können, dass Partner mit Kinderwunsch gedrängt werden, Hilfe im Ausland und wider deutsche Gesetze zu suchen. Menschen, die Kinder bekommen wollen, tun das auch, auf dem einen oder anderen Weg. Noch hinkt das Recht dieser Realität hinterher.

    [*] Anmerkung der Redaktion: Der Name wurde zum Schutz der Privatsphäre geändert.