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Abstimmung im Unterhaus
Vorerst kein Termin für Neuwahlen in Großbritannien

Erwartungsgemäß habe der Antrag von Premierminister Johnson auf vorgezogene Neuwahlen keine Zwei-Drittel-Mehrheit bekommen, verkündete Unterhaus-Sprecher John Bercow kurz nach Mitternacht. Vor der Parlamentspause forderten die Abgeordneten Einsicht in regierungsinterne Kommunikation zum No-Deal-Brexit.

Von Imke Köhler | 10.09.2019
Unterhaus-Sprecher John Bercow kündigt seinen Rücktritt an, 10.9.2019
Unterhaus-Sprecher John Bercow kündigt seinen Rücktritt an, 10.9.2019 (dpa / XinHua / Jessica Tayler)
Heute sind die Abgeordneten schon den ersten Tag in der Parlamentspause – jener Pause, die Boris Johnson beantragt hat und die mit einer Dauer von fast fünf Wochen umstritten lang ist. Aber bevor sie gestern Abend begann, haben die Abgeordneten noch einmal stundenlang debattiert.
Und dem Premier noch weitere Niederlagen beigebracht. Erst die Entscheidung, dass die Regierung Dokumente herausgeben soll, die die internen Planungen zum No-Deal-Brexit offenlegen, Stichwort: Operation Yellowhammer. Labour-Chef Jeremy Corbyn:
Abgeordnete fordern Einsicht in interne Regierungsdokumente
"Wenn die Regierung nichts zu verbergen hat, warum verbirgt sie es dann", wollte Corbyn wissen. Die Abgeordneten wollen diese Dokumente einsehen. Einblick wollen sie auch in die regierungsinterne Kommunikation zum Thema Parlamentspause haben. Sollte das Unterhaus durch die lange Schließung vor dem geplanten EU-Austritt handlungsunfähig gemacht werden? Die Abgeordneten wollen wissen, ob es taktische Überlegungen dieser Art gegeben hat. Dann, schon nach Mitternacht, die Abstimmung über vorgezogene Neuwahlen:
John Bercow, der Parlamentspräsident, der demnächst abtreten will, bei der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses. Die Regierung hat mit ihrem Antrag auf Neuwahlen erwartungsgemäß nicht genügend Stimmen zusammenbekommen. Um eine Zwei-Drittel-Mehrheit zu erreichen, hätte sie die Unterstützung der Opposition gebraucht. Die aber will Boris Johnson nicht die Möglichkeit geben, nach Neuwahlen, die er gewinnen könnte, das Gesetz gegen den No-Deal-Brexit wieder aufzuheben. Labour-Chef Jeremy Corbyn:
"Wir wollen Neuwahlen, aber so sehr wir sie wollen: Wir werden nicht riskieren, dass wir uns das Desaster eines No-Deals auferlegen."
Neuwahlen in absehbarer Zeit
Deshalb sollen Wahlen erst dann stattfinden, wenn der Premier ein Abkommen mit der EU erzielt oder aber eine Verschiebung des Brexit-Termins beantragt hat. Boris Johnson, im Kampf mit einem kaputten Mikrofon, fordert Corbyn dagegen heraus:
"Wenn Sie wirklich den Brexit verzögern wollen über den 31. Oktober hinaus, dann stimmen Sie für eine Neuwahl und lassen Sie die Wähler entscheiden, ob die eine Verzögerung wollen oder nicht!"
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Aber der Appell läuft ins Leere. Einen Termin für Neuwahlen gibt es damit vorerst nicht, aber es ist ziemlich wahrscheinlich, dass sie in absehbarer Zeit kommen werden. Und so fängt der Wahlkampf für viele Politiker wohl jetzt schon an. Außerdem finden in den nächsten Wochen die Parteitage statt: An diesem Wochenende sind die Liberaldemokraten dran, dann Labour, danach die Tories. Auch diese Delegiertentreffen dürften ganz im Zeichen des Brexit und der Regierungskrise stehen. Johnsons Beraterstab in 10 Downing Street wird die kommenden Wochen sicherlich auch nutzen, um weiter auszuloten, wie eine Verschiebung des Brexit verhindert werden kann. Am 14. Oktober kommen die Abgeordneten dann wieder zusammen – zweieinhalb Wochen vor dem Tag, der nach dem Willen von Boris Johnson Fakten schaffen soll: dem 31. Oktober.