Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Ärztemangel in Rumänien
Mediziner verlassen das Land

Das Gesundheitssystem in Rumänien hat ein Problem. Trotz Lohnerhöhungen und verbesserter Jobsuche läuft dem EU-Land das Fachpersonal weg: Ärzte, Pfleger, Krankenschwestern. Jährlich verlassen Tausende das Land, vor allem in Richtung Frankreich, Deutschland, Irland und Belgien.

Von Clemens Verenkotte | 08.04.2019
Ein Arztkittel und Stethoskop hängt an einer Garderobenständer.
Arztkittel und Stethoskop hängt an einer Garderobenständer. (dpa)
Vlad Voiculescu weiß, warum Rumäniens Gesundheitssystem einfach nicht auf die Beine kommt: Der 36-jährige Oppositionspolitiker war 2016 für ein knappes Jahr Gesundheitsminister, zu einer Zeit, in der eine reine Experten-Regierung in Bukarest im Amt war. Er gilt seitdem als ein beliebter Reform-Minister. Voiculescu kennt die offenkundig paradoxe Situation im rumänischen Gesundheitswesen: Junge Ärztinnen und Ärzte erwerben an den wenigen Universitätsklinken des Landes ihre Facharztausbildung und finden dann anschließend nicht einen geeigneten Job. Das Ergebnis:
"Wir produzieren sehr viele Ärzte, mehr Ärzte pro Kopf der Bevölkerung als die meisten Länder Europas. Und wir exportieren sehr viele Ärzte, viel mehr als jedes andere europäische Land. Aber wir brauchen sehr viele Ärzte. Wir haben ein Defizit von 13.000 Ärzten!"
Seit sieben Jahren belegt Rumänien den vorletzten Platz in der EU was die Anzahl von Ärzten pro Kopf der Bevölkerung angeht: 276 Ärzte auf hunderttausend Einwohner. Jährlich verlassen 3.500 Ärzte das Land, vor allem in Richtung Frankreich, Deutschland, Irland und Belgien. Um den seit Jahren anhaltenden Exodus der Ärzte aufzuhalten, suchte die derzeitige Regierung Zuflucht in deutlichen Lohnerhöhungen für Mediziner in staatlichen Krankenhäusern. Erhöhungen um teilweise 170 Prozent.
Eine Entwicklung, die Dr. Andrei Marin aufhalten wollte. Der frischgebackene Facharzt für plastische Chirurgie gründete – noch als Assistenzarzt - einen Verein von Kolleginnen und Kollegen, um die gesetzlichen Missstände bei der Postenvergabe für junge Ärzte zu bekämpfen. Der Exodus halte weiterhin an, obwohl es Lohnerhöhungen und auch Verbesserung bei den Jobchancen für Assistenzärzte gegeben habe.
Im Ausland wartet die Festanstellung
Jährlich kämen etwa 4.000 Assistenzärzte auf den Stellenmarkt, von denen nur etwa maximal 1.000 eine Anstellung an den begehrten Universitätszentren erhielten. Etwa 3.000 müssten sich eine andere Anstellung suchen. Er selbst habe nach seinem Facharzt-Abschluss keine feste Anstellung erhalten und sei deshalb entschlossen, zu gehen. Am Telefon beschreibt der junge Chirurg seine Lage so:
"Die Option ins Ausland zu gehen, ist fast eine Gewissheit für uns, da weder ich eine feste Anstellung habe - die Stellen für plastische Chirurgen sind extrem rar - noch meine Frau, die ebenfalls Ärztin ist, eine reelle Anstellungschance hat, wenn sie in eineinhalb Jahren ebenfalls Fachärztin sein wird. Folglich ist Auswandern eine sehr wahrscheinlich Option, über die wir entscheiden werden, sobald meine Frau ihren Facharzt gemacht hat."
Die Lohnerhöhungen für Ärzte, mit denen die Regierung den Mediziner-Exodus stoppen wollte, haben tiefe Löcher in die Haushalte der rumänischen Krankenhäuser gerissen: Bis zu 90 Prozent geben staatliche Krankenhäuser für Personalkosten aus – Geld, das für Investitionen, etwa in neues Equipment fehlt.