Donnerstag, 28. März 2024

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Äußerungen zu Chemnitz
"Maaßen hat die Faktenlage mitgeteilt"

Der CSU-Innenpolitiker Michael Kuffer hält die Äußerungen von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zu einem Video von den Ausschreitungen in Chemnitz für legitim. Maaßen habe lediglich die Fakten mitgeteilt, sagte er im Dlf. Niemand bestreite, dass es in Chemnitz "widerliche rechtsextreme Erscheinungsbilder" gegeben habe.

Michael Kuffer im Gespräch mit Sandra Schulz | 10.09.2018
    Michael Kuffer, CSU
    Michael Kuffer, CSU (ZUMA Wire)
    Maaßen hatte Zweifel über ein Video geäußert, auf dem ein ausländerfeindlicher Übergriff in Chemnitz zu sehen ist. Kuffer sagte dazu, damit sei nicht gemeint gewesen, dass es sich möglicherweise um eine Fälschung handele. Maaßen habe vielmehr darauf hinweisen wollen, dass der Titel des Videos nicht zum Inhalt passe. Das Video zeige keine Hetzjagd, sondern es zeige, wie eine Person über eine kurze Strecke einer anderen Person nachsetze, so der CSU-Politiker.
    Maaßen hatte in einem Interview mit der Bild-Zeitung gesagt, er halte es für vorstellbar, dass es sich bei dem Video um eine "gezielte Falschinformation" handeln könne. Politiker der Opposition fordern deswegen seinen Rücktritt, da er keine Belege für die Aussage angeführt hatte. Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, sagte, Maaßen stelle die Glaubwürdigkeit von Politik, Medien und vielen Augenzeugen in Frage. Sie glaube daher nicht, dass er noch der richtige Mann an dieser Stelle sei.
    Maaßen soll sich heute gegenüber Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) dazu äußern. Seehofer hatte Maaßen gestern sein "vollstes Vertrauen" ausgesprochen.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Mitgehört hat Michael Kuffer, für die CSU Mitglied im Bundestags-Innenausschuss. Schönen guten Morgen!
    Michael Kuffer: Guten Morgen!
    Schulz: Hat Verfassungsschutzpräsident Maaßen da einen guten Beitrag geleistet in letzter Woche zur Diskussion um Chemnitz?
    Kuffer: Ich will vielleicht mal vorweg sagen: Wenn die Dinge so nah beieinander liegen wie in Chemnitz, eine friedliche Demonstration auf der einen Seite, die dann von rechtsextremen Gruppen auf der anderen Seite zum Teil unterwandert wird, wenn es Straftaten gibt, wenn auch Gewalttaten im Raum stehen, Straftaten von Ausländern, Straftaten gegen Ausländer, dann ist man, glaube ich, gut beraten, wenn man die Dinge sauber betrachtet, wenn man sich an die Fakten hält, und genau das erwarte ich vom Verfassungsschutzpräsidenten. Er hat zunächst mal folgendes gemacht: Er hat die Faktenlage mitgeteilt, die dem Verfassungsschutz vorliegt.
    "Maaßen hat die Fakten mitgeteilt"
    Schulz: Hat er denn Fakten mitgeteilt? Oder hat er eher laut Zweifel geäußert?
    Kuffer: Er hat gesagt, welche Erkenntnisse dem Verfassungsschutz vorliegen und welche ihm nicht vorliegen. Das ist im Grunde genau seine Aufgabe. Es würde der Diskussion insgesamt gut tun, wenn man sich noch mal darauf konzentrieren würde, welche Fakten liegen denn auf dem Tisch und wo geht es in Vermutungen über und in Schlussfolgerungen, die durch Fakten nicht gerechtfertigt sind. – Das heißt übrigens, wenn ich das noch sagen darf …
    Schulz: Herr Kuffer! Unserem Interview würde es gut tun, wenn Sie meine Frage beantworten würden. Hat Hans-Georg Maaßen das gut gemacht mit diesem "Bild"-Zeitungsinterview?
    Kuffer: Das steht mir nicht zu, zu sagen, ob er es gut oder schlecht gemacht hat. Ich sage, er hat das gemacht, was ich von einem Verfassungsschutzpräsidenten erwarte. Er hat Fakten mitgeteilt.
    Schulz: Die Vorfälle liegen jetzt ja zwei Wochen zurück. Zu den Kundgebungen am Montagabend, da sind bekannte Rechtsextreme aus anderen Bundesländern angereist. Der Hitler-Gruß wurde vielfach gezeigt, vielfache Angriffe auf Menschen sind zur Anzeige gebracht worden. Wieso hat der Verfassungsschutz da nicht eigentlich ein klares und wirklich faktenbasiertes vollständiges Bild von der Lage, dass jetzt auch eingefordert wird, auch von der CDU und von Innenpolitikern dort?
    Kuffer: Aber dass es dort widerlichste rechtsextreme Erscheinungsbilder gegeben hat, dass dort auch Straftaten begangen worden sind, auch Gewalttaten begangen worden sind, das hat doch niemand bestritten. Das hat aus meiner Erinnerung weder Hans-Georg Maaßen bestritten, auch Michael Kretschmer nicht, sondern es ging um die Frage, gab es hier eine Hetzjagd - in dem Sinne, dass Menschen, so wie es der Begriff Hetzjagd beschreibt, dass jemand solange gejagt wird, bis er in die Enge getrieben wird oder sich durch Flucht nicht mehr entziehen kann, weil er nicht mehr kann, das heißt über einen langen Zeitraum getrieben, gejagt wird. Das zeigt das Video nicht. Das Video zeigt, dass eine Person einer anderen nachsetzt, über eine kurze Strecke, eine kurze Sequenz, und das ist unabhängig von allen anderen Straftaten, die dort ganz ohne Zweifel begangen worden sind. Aber es ist zunächst mal im Sinne einer Frage der Hetzjagd nicht ergiebig, und nichts anderes hat Hans-Georg Maaßen gesagt.
    Nicht ratsam, "sich auf Spekulationen zurückzuberufen"
    Schulz: Sagen Sie, ist es wirklich der Punkt von Hans-Georg Maaßen, dass es ihm "nur" um sprachliche Präzision geht? Das ist ja sicherlich ein hohes Gut und da sind wir bestimmt alle gut beraten, um sprachliche Präzision zu ringen. Aber wenn der Präsident des Verfassungsschutzes im selben Interview in einem Fall, in dem wegen Todschlags ermittelt wird, von Mord spricht, wie glaubhaft ist da dieses Ringen oder dieser angebliche Kampf für Präzision in der Sprache?
    Kuffer: Ich glaube, dass die Präzision an der Stelle schon wichtig ist. Ich habe es ja eingangs gesagt. Wenn die Stimmung so aufgeladen ist und die Dinge so nah beieinander liegen, dann ist es zumindest für eine Regierung - und Regierungshandeln vorzubereiten, die Regierung zu beraten, ist genau die Aufgabe des Verfassungsschutzes – nicht möglich und auch nicht ratsam, sich auf Spekulationen zurückzuberufen.
    Schulz: Warum hat er das dann nicht gemacht? Warum sprach denn die Kanzlerin von Hetzjagd? Warum hat Herr Maaßen denn die Kanzlerin nicht beraten?
    Kuffer: Das müssen Sie die Bundeskanzlerin fragen.
    Schulz: Ich frage jetzt im Moment Sie, weil Sie in derselben Partei sind wie der Chef von Herrn Maaßen. Innenminister Seehofer, der wusste ja auch Bescheid. Wie kommt es zu diesem Erkenntnisdelta bei der Kanzlerin?
    Kuffer: Noch mal: Da kann ich Ihnen nichts Intelligentes sagen. Da müssen Sie die Bundeskanzlerin fragen. Der Bundesinnenminister hat gesagt, was er von Hans-Georg Maaßen erfahren hat, auch, dass er an dieser Stelle so was auch nicht unterdrücken will und kann, und dass die Veröffentlichung als solche auch mit dem Bundesinnenministerium vorher abgestimmt war. Über den Informationsaustausch zwischen der Bundeskanzlerin und dem Verfassungsschutz ist mir nichts bekannt.
    "Jetzt wissen wir, was der Verfassungsschutz weiß und was er nicht weiß"
    Schulz: Haben Sie es denn verstanden, warum Horst Seehofer diese brisante Informationen dann nicht an die Kanzlerin weitergegeben hat, oder diese sensible Information, sagen wir?
    Kuffer: Wissen Sie, dass er die Information nicht an die Kanzlerin weitergegeben hat?
    Schulz: Die Kanzlerin hat von Hetzjagd gesprochen.
    Kuffer: Ja, ja! Aber hat sie auch davon gesprochen, dass sie der Bundesinnenminister nicht informiert hat? – Ich weiß das nicht!
    Schulz: Horst Seehofer hat gesagt, er habe dieselben Informationen wie Hans-Georg Maaßen. Hans-Georg Maaßen sagt, er habe keine Hinweise auf eine Hetzjagd. Und die Kanzlerin spricht von einer Hetzjagd. Wenn wir nicht unterstellen, dass die Kanzlerin nun ihrerseits Informationen bewusst unterdrückt, dann muss ja wohl diese Information irgendwo auf der Strecke geblieben sein.
    Kuffer: Die Äußerung der Kanzlerin lag nach meiner Erinnerung zwei Tage vor dem, was Hans-Georg Maaßen gesagt hat. Der Bundesinnenminister ist der zuständige Fachminister. Die Diskussion hat sich in der Zeit auch weiterentwickelt und dann ist es auch richtig, dass man den Dingen noch mal genauer auf den Grund geht. Ich glaube jetzt auch nicht, dass man deswegen schon wieder die nächste Auseinandersetzung zwischen der Bundeskanzlerin und dem Bundesinnenminister herbeireden muss. Die Bundeskanzlerin hat sich dazu geäußert, die Dinge haben sich weiterentwickelt, die Diskussion hat sich weiterentwickelt und Hans-Georg Maaßen hat sich irgendwann dazu gemeldet, und jetzt wissen wir, was der Verfassungsschutz weiß und was er nicht weiß, und es ist richtig, dass er uns darüber informiert.
    Keine Zweifel an der Echtheit des Videos
    Schulz: Dann verstehe ich Sie richtig? Anders als der Innenminister, der ja sagt, das muss uns Hans-Georg Maaßen jetzt schon alles noch erklären, ist für Sie, den Innenpolitiker Kuffer, jetzt schon alles in Butter?
    Kuffer: Ich weiß nicht, warum Sie mir dauernd solche Worte in den Mund legen. Das habe ich nicht gesagt. Ich habe Ihnen nur gesagt, es geht um Information. Das ist richtig. Und dass uns jetzt der Verfassungsschutzpräsident über die Details seiner Erkenntnisse informiert, ist auch absolut selbstverständlich, gut und richtig. Das wird er tun. Das wird er gegenüber dem Innenausschuss tun. Und das ist abermals seine Aufgabe. Seine Aufgabe ist, uns zu informieren. Das hat er gemacht und das wird er tun.
    Schulz: Wenn er jetzt aber nicht für Aufklärung sorgt – ich frage ja nur, um es richtig zu verstehen -, dann finden Sie auch, dass er gehen muss? Wenn Sie sagen, es ist seine Pflicht, dann ist die Frage, ob der Umkehrschluss dann gilt.
    Kuffer: Die Frage ist doch völlig theoretisch! Er hat uns doch informiert über seine Erkenntnisse und es gibt überhaupt keinen Anhaltspunkt, dass er sich am Mittwoch in den Innenausschuss setzen wird und schweigen wird. Selbstverständlich wird er uns seine Erkenntnisse mitteilen.
    Schulz: Aber wenn das alles so auf der Hand liegt, welche Gründe hat Hans-Georg Maaßen denn, an der Echtheit des Videos zu zweifeln? Das ist ja nun wirklich der Punkt, über den die Republik jetzt rätselt seit dem Wochenende.
    Kuffer: Herr Maaßen hat gesagt, es gibt Zweifel, ob das Video authentisch ist. Und er hat das so gemeint, dass das Video im Sinne des Titels authentisch ist. Das heißt, dass das, was der Titel, der vorangestellt worden ist, Menschenjagd oder Hetzjagd in Chemnitz – nageln Sie mich da jetzt bitte nicht genau fest -, nachher auch im Video gezeigt wird. Er hat nach meiner Erinnerung mit keinem Wort an der Echtheit in dem Sinne, dass es eine Fälschung oder eine technische Manipulation ist, gezweifelt, sondern er hat die Frage gestellt, ob das, was dort gezeigt wird, aussagekräftig, authentisch im Sinne des Titels ist. Und diese Frage ist gerechtfertigt, weil die Sequenz, die man danach sieht, nicht den Titel, der vorangestellt wird, belegt.
    Schulz: Der CSU-Innenpolitiker Michael Kuffer heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Ganz herzlichen Dank für Ihre Einschätzungen und einen schönen Tag.
    Kuffer: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.