Donnerstag, 28. März 2024

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AfD und Europa
"Meuthen hat seine Machtbasis gestärkt"

Das gute Wahlergebnis für Jörg Meuthen als Kandidat seiner Partei für die Europawahl habe dessen Stellung in der AfD gefestigt, sagte Politologin Sabine Kropp im Dlf. Allerdings drohe durch den Rechtsruck der AfD die Gefahr, Wähler aus den bürgerlichen Kreisen zu verlieren.

Sabine Kropp im Gespräch mit Jaspar Barenberg | 17.11.2018
    Jörg Meuthen, AfD-Parteichef
    Viel Rückenwind aus der eigenen Partei: Jörg Meuthen in Magdeburg (dpa/Michael Kappeler)
    Die AfD wird bei der Europawahl mit einem relativen Erfolg rechnen können, glaubt die Politologin Sabine Kropp. Es sei damit zu rechnen, dass die Partei mit einigen Abgeordneten künftig im Europaparlament vertreten sei. Auf die Frage, ob Spitzenkandidat Jörg Meuthen, seine Machtbasis gestärkt habe, sagte Kropp: "Ich denke ja. Er hat in seiner Rede relativ geschickt unterschiedliche Fundamente der AfD miteinander verbunden."
    Stärker nach rechts gerutscht
    Parteichef Meuthen sei jemand, der auch aufgrund der Schwäche anderer Parteimitglieder - "ich denke da an Alice Weidel" - seine bestehende Stellung gut abpolstern konnte.
    Jörg Meuthen sei es bisher gut gelungen, die verschiedenen Flügel der Partei zu verbinden. "Er hat in der Vergangenheit erkennen lassen, dass er stärker nach rechts gerutscht ist. Das geht einher mit einem generellen Rechtsruck innerhalb der AfD", sagte Sabine Kropp. Man werde abwarten müssen, wie die Partei diesen Rechtsruck politisch abfedern kann, auch vor dem Hintergrund, da sie aufgrund der möglichen Beobachtung durch den Verfassungsschutz bei den bürgerlichen, liberalen Kreisen in Misskredit geraten könne.
    Sabine Kropp sagte, man könne noch nicht wirklich abschätzen, wieviele Wählerstimmen dieser Rechtsruck kosten werde.
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    Das vollständige Interview zum Nachlesen:
    Jasper Barenberg: Bei mir ist Sabine Kropp, sie lehrt Politikwissenschaft an der Freien Universität in Berlin. Schönen guten Tag, Frau Kropp!
    Sabine Kropp: Guten Tag!
    Barenberg: Frau Kropp, ist für Sie der Erfolg bei den Europawahlen im kommenden Jahr für die AfD ausgemachte Sache?
    Kropp: Wenn nicht noch irgendwelche Ereignisse auftreten, die der AfD und bisherigen Siegeszug durch die Parlamente schaden könnten, wird sie einen relativen Erfolg einfahren. Wie hoch der sein wird, weiß man nicht, sie selbst gibt ja 15 bis 20 Prozent an, selbst wenn man weiter nach unten geht, bedeutet das aber, dass sie mit einigen Abgeordneten aller Voraussicht nach auch im Europaparlament landen wird.
    Barenberg: Wir haben es gestern gehört, das Wahlergebnis von 90 Prozent für Spitzenkandidat Jörg Meuthen für die AfD ist ja selbst für diese Partei durchaus bemerkenswert und kommt nicht so oft vor. Hat er damit seine Machtbasis auch mit Blick auf die Parteispitze in Berlin weiter gestärkt?
    Kropp: Ich denke, er hat sie weiter gestärkt, er hat in seiner Rede auf dem Parteitag auch relativ geschickt unterschiedliche Fundamente der AfD miteinander verbunden, das ist zum einen die ursprüngliche EU-Kritik, also Konzentration auf den Binnenmarkt, gleichzeitig die Verbindung mit populistischen Figuren wie die EU als bürokratisches Monster, also hier kommt die bürokratisch ummantelte Elitenkritik wieder zum Tragen. Also, ich denke, er ist im Augenblick, auch angesichts der Schwäche anderer Parteimitglieder, ich denke an Alice Weidel, jemand, der seine bisherige Stellung gut abpolstern konnte.
    Meuthen lacht mit seiner Frau nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses in Magdeburg
    Jörg Meuthen freut sich mit seiner Frau Natalia über das Wahlergebnis (dpa/Michael Kappeler)
    "Die Partei gerät in Gefahr, Wähler und Wählerinnen abzuschrecken"
    Barenberg: Jörg Meuthen ist ja mal als so etwas gestartet wie das liberal-bürgerliche Aushängeschild der AfD. Inzwischen ist es aber auch bei ihm schon üblich, dass er durchaus gelegentlich als rechter Scharfmacher auftritt, wenn er etwa Rechtsaußen Björn Höcke lobt. Er hält für sich immer zugute, dass er in der Lage ist, die Flügel zu integrieren. Wie würden Sie das beschreiben, wie er sich da positioniert, er bekennt sich nicht zu der einen oder anderen Seite, sondern bedient verschiedene Lager, kann er diese verschiedenen Flügel der Partei integrieren.
    Kropp: Bisher ist ihm das vergleichsweise gut gelungen, er hat in der Vergangenheit doch auch erkennen lassen, dass er stärker nach rechts gerückt ist, das geht einher mit einem generellen Rechtsruck in der AfD, in der gesamten Partei. Ich denke, er wird abwarten und man wird auch abwarten müssen, inwieweit die AfD diesen Rechtsruck auch politisch insofern abfedern kann, da im Augenblick durch die mögliche Beobachtung von Teilen der Partei durch den Verfassungsschutz die Partei doch auch bei den eher bürgerlichen Kreisen oder liberaleren Kreisen in Misskredit geraten kann.
    Barenberg: Steckt da eine Gefahr auch mit Blick auf die Wähler, die Wählerschaft der AfD, in diesem Problem, dass man noch gar nicht so recht ausmachen kann im Moment, wie weit die AfD nach rechts rutscht oder bereit ist, sich nach rechts zu öffnen?
    Kropp: Ja, das ist in der Tat eine Entwicklung, die man noch nicht hundertprozentig abschätzen kann, also auf der einen Seite sehen wir halt den Rechtsruck in den Reden in den Landesparlamenten, aber auch in der Rhetorik der AfD, das hat sich in den vergangenen Monaten und in den vergangenen ein bis zwei Jahren mit dem Beginn der Flüchtlingsfrage doch deutlich verschärft. Gleichzeitig gerät die Partei damit ja in Gefahr, also zum Beispiel durch eine mögliche Beobachtung durch den Verfassungsschutz, Wähler und Wählerinnen abzuschrecken, die eher dem bürgerlichen Lager angehören.
    Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass ja die Informationsblasen, in denen sich viele der Wähler und der Anhänger der AfD, dazu führen, dass keine differenzierte Information mehr zu diesen Personen durchdringt und alles abgelehnt wird, was den eigenen Überzeugungen widerspricht. Also beide Entwicklungen zusammen kann man im Augenblick schwer abschätzen.
    Viktor Orban (l.) und Matteo Salvini
    Viktor Orban (l.) und Matteo Salvini: Bald Verbündete Meuthens? (AP)
    "Ich denke, er wird versuchen, die rechtspopulistischen Kräfte zu bündeln"
    Barenberg: Wenn ich das noch mal mit aufnehmen darf, wenn Sie von Infoblasen reden, in denen sich die Anhänger und Wähler der AfD ja gelegentlich bewegen, dann haben wir bei der Bewerbungsrede für die Europawahl von Jörg Meuthen gehört eine weitere Kampfansage an das, was er das links-grün-versiffte oder -verseuchte 68er-Deutschland nennt. Ist das eine erfolgsversprechende Parole, weil es eben sozusagen in dieser Infoblase ganz gut ankommt?
    Kropp: Ja, das ist es. Also, man schließt damit die eigenen Reihen und markiert die Grenzen zwischen innen und außen, also zwischen der AfD und der Außenwelt, doch sehr deutlich, und versucht damit, die eigenen Anhänger an die Partei weiterhin zu binden. Was zum Erfolg führt teilweise und eben auch den Effekt hat, dass die Anhängerinnen und Anhänger eben für eine kritische Betrachtung des eigenen Zustands der Partei nicht mehr unbedingt erreichbar sind.
    Barenberg: Werfen wir einen spekulativen Blick voraus. Wenn wir mal unterstellen, dass die AfD ganz gut abschneiden wird bei den Europawahlen und dann mit einigen Abgeordneten im EU-Parlament vertreten sein wird. Also wenn Jörg Meuthen jetzt das große Bündnis mit den Rechtspopulisten in Österreich, in Italien oder in Ungarn ankündigt. Was müssen wir, was können wir von der AfD im Europaparlament dann erwarten?
    Kropp: Ich denke, er wird das versuchen, und man wird versuchen, die rechtspopulistischen Kräfte zu bündeln. Wie erfolgreich das ist, das steht allerdings noch in den Sternen, denn man stelle sich vor, dass zum Beispiel Salvini zusammen mit der AfD versucht, auf einen Nenner zu kommen in der Europapolitik. Es sind ja auch die nationalen Interessen, um die es der AfD ja insbesondere geht, also das sogenannte Europa der Vaterländer und der jeweiligen souveränen Nationalstaaten voranzutreiben. Ein Konfliktpunkt, denn zum Beispiel das Haushaltsgebaren und eventuell einen Rettungsschirm für Italien aufspannen zu müssen mit deutschen Geldern, ich frage mich, wie die AfD das der eigenen Wählerschaft erklären will.
    Barenberg: Also dann würde sozusagen dieser Gedankengang ziehen, dass es unter Nationalisten nur schwierig Bündnisse geben kann, zum Beispiel im Europaparlament.
    Kropp: Ja, das dürfte eine große Schwierigkeit darstellen, die jeweiligen Fraktionen, die bisher verstreut sind, zusammenzuführen in einer gemeinsamen Fraktion der rechten Parteien, und gleichzeitig eben nationale Interessen dort wirksam zu vertreten.
    Barenberg: Hier live im Deutschlandfunk, Sabine Kropp, die Politikwissenschaftlerin von der Freien Universität Berlin. Danke für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.