Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

AfD verweigert Journalisten Akkreditierung
"Das ist die 'Trumpisierung' der deutschen Politik"

Der Deutsche Journalisten-Verband kritisiert den Ausschluss von Journalisten von einem Kongress europäischer Rechtspopulisten. Der DJV-Vorsitzende Frank Überall sieht in dem Vorgehen zudem ein Kalkül der AfD. Damit werde sie wieder zum Thema und könne sich in eine Märtyrerrolle begeben, sagte Überall im DLF.

Frank Überall im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 13.01.2017
    Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall.
    Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall. (imago/Stefan Zeitz)
    Überall sagte weiter, mit Blick auf die Bundestagswahl und die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen müsse man damit rechnen, dass sich die AfD öfter so verhalte. Das sei die "Trumpisierung" der deutschen Politik. Er betonte, es sei an den Journalisten, die Emotionen außen vor zu lassen, wenn sie selbst über die AfD berichten würden.
    Der DJV-Vorsitzende sagte weiter, die Veranstalter des Kongresses treten "die Pressefreiheit mit den Füßen". Für Journalisten sei es für die Berichterstattung wichtig, nicht nur von Pressekonferenzen, sondern direkt vom Geschehen zu berichten. Sich Reden anzuhören oder die Stimmung im Saal einzufangen "machen wir nicht zum Spaß, sondern um das ganze Bild zu liefern".
    Le Pen und Wilders zu Treffen erwartet
    Der AfD-Europapolitiker Markus Pretzell hatte zuvor bekannt gegeben, dass neben den öffentlich-rechtlichen Sendern das "Handelsblatt", das Magazin "Compact" sowie einzelne Journalisten des "Spiegel" sowie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" keine Akkreditierung für den Kongress am 21. Januar erhalten sollen. Pretzell begründete das Vorgehen damit, dass die Berichterstattung der Medien journalistischen Grundsätzen nicht genüge.
    Zu dem Treffen der Europaparlaments-Fraktion "Europa der Nationen und Freiheit" wird unter anderem die Präsidentschaftskandidatin der rechtsextremen französischen Partei Front National, Marine Le Pen, erwartet. Auch die AfD-Vorsitzende Frauke Petry sowie der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders haben ihr Kommen in Koblenz angekündigt.

    Das Interview in voller Länge:
    Ann-Kathrin Büüsker: Am 21. Januar treffen sich in Koblenz Rechtspopulisten aus ganz Europa zu einem Kongress. Etwa 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden erwartet. Die deutsche AfD ist dabei, unter anderem mit Frauke Petry. Marine Le Pen vom französischen Front National wird dabei sein, ebenso Geert Wilders aus den Niederlanden. Also lauter Politiker, die auch gerade mitten im Wahlkampf stecken.
    Das Interesse der Presse an diesem Treffen ist groß, aber einige Pressevertreter dürfen nicht kommen. Der AfD-Europaabgeordnete Marcus Pretzell, der erklärte via Twitter, dass alle öffentlich-rechtlichen Medien nicht zu dem Kongress akkreditiert werden, zudem Vertreter des "Compact"-Magazins, des "Handelsblattes" und namentlich genannte Journalisten des "Spiegels" und der "FAZ". Denn diese Medien oder Vertreter hätten mit Blick auf die AfD gegen ihre journalistischen Grundsätze verstoßen. Zu den offiziellen Pressekonferenzen dürfe man aber kommen.
    Das passt ganz gut zu einem Auftritt von Donald Trump, der auf seiner Pressekonferenz diese Woche ja einem Vertreter von "CNN" eine Antwort verweigert hatte, denn "CNN" produziere Fake News, so Trump. Rechtspopulisten, die sich gegen die freie Presse abschotten - darüber möchte ich jetzt mit Frank Überall sprechen. Er ist Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbands und bei mir im Studio. Guten Tag, Herr Überall.
    Frank Überall: Schönen guten Tag, Frau Büüsker.
    Büüsker: Herr Überall, wie gehen wir als Medien mit so etwas um?
    Überall: Na ja, wir müssen trotzdem berichten, und das ist natürlich eine schwierige Situation, wenn man die Situation vor Ort nicht in Augenschein nehmen kann. Pressekonferenzen, das ist destilliert das Interesse des Veranstalters, der erzählen möchte, was er gerne an Botschaft übermitteln möchte, aber man muss auch ein bisschen die Stimmung im Saal aufnehmen, man muss sich die Reden anschauen. Das machen wir alles nicht zum Spaß, sondern um das ganze Bild zu liefern, um zu beschreiben, um zu berichten, was tatsächlich passiert ist.
    Das wird natürlich sehr schwierig, wenn man nicht dabei sein darf. Ich habe gehört, die Deutsche Presse-Agentur ist akkreditiert, wird wohl auch berichten. Das finde ich genau den richtigen Weg. Aber es ist natürlich ein Treten der Pressefreiheit mit den Füßen, einzelne Kolleginnen und Kollegen, einzelne Medien komplett auszuschließen und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk komplett auszuschließen.
    "Wir müssen die Emotionen außen vor lassen"
    Büüsker: Und wir haben ja auch noch ein Problem. Die Partei, die stellt sich hin und sagt, ihr berichtet falsch. Nun haben wir jetzt die Chefredakteure der ARD, die sagen, nein, so könnt ihr aber nicht agieren, ihr könnt uns nicht komplett ausschließen. Und im Prinzip bestätigen sie damit ja auch wieder die AfD in ihrem Handeln und in ihren Beteuerungen, ungerecht behandelt zu werden. Und indem wir jetzt darüber sprechen, verschaffen wir der AfD auch eine gewisse Presse für ihr Anliegen. Das ist ja so ein Teufelskreis. Wie gehen wir damit um?
    Überall: Ja, das ist genau das Problem. Diese Veranstaltung hätte möglicherweise nur an diesem Tag stattgefunden und wäre dann auch nur so wahrgenommen worden. Jetzt reden wir mehrere Tage davor und wahrscheinlich auch die nächsten Tage noch immer und immer wieder darüber. Die AfD hat es ja häufig auch so gemacht, dass sie dann wieder eingeknickt ist, aber damit wird sie natürlich zum Thema. Damit kann sie sich dann auch in ihre Märtyrer-Rolle wieder begeben: Wir werden ja von den Medien falsch behandelt. Sie haben dieses Thema damit gesetzt und das ist genau das Interesse, was auch dahinter steckt.
    Das müssen wir uns immer wieder bewusst machen. Das ist quasi die Trumpisierung der deutschen Politik und im Hinblick auf die Bundestagswahl, auch auf die wichtige Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen werden wir da sicherlich noch mehr dieser Art erwarten müssen. Es ist sehr, sehr schwierig, damit umzugehen, denn wir müssen das gesamte Bild liefern und da, wo wir selbst zum Player werden, müssen wir die Emotionen außen vor lassen und diejenigen, die über dieses Treffen berichten dürfen, müssen das auch weiterhin ohne Schaum vorm Mund tun. Sie dürfen das dann anschließend gerne kommentieren, aber sie müssen tatsächlich berichten, was ist, und das tun die Kolleginnen und Kollegen ja auch.
    Büüsker: Aber müssen wir uns trotzdem auch vielleicht die Frage stellen, ob wir hier und da die AfD dennoch falsch behandelt haben, ungerecht behandelt haben?
    Überall: Diese Fragen muss man sich immer und bei jeder Partei und bei jeder Organisation stellen. Natürlich! Eine gewisse Fehlerkultur gehört dazu. Man muss dann auch mal zurückrudern. Auf der anderen Seite hat die AfD speziell ja auch immer wieder massiv provoziert, hat dann auch Aussagen getätigt, einzelne Funktionärinnen und Funktionäre haben Aussagen getätigt, wo sie sich später dann wieder von distanziert haben, wo sie dargestellt haben, dass sie angeblich falsch zitiert oder falsch verstanden worden sind.
    Das ist ein Spielchen, das ich beobachte, das wir als Deutscher Journalistenverband beobachten, das ganz bewusst darauf ausgelegt ist, dass das dann zum Gesprächsthema wird und diese Märtyrer-Rolle wieder als Alternative für Deutschland betont wird. Das ist ein ganz klares Kalkül aus meiner Sicht und da müssen wir uns an der einen oder anderen Stelle auch fragen, ob wir auf dieses Kalkül dann immer eingehen. Das darf aber nicht so weit gehen, dass wir dann Fehler nicht auch einräumen.
    Büüsker: Als Medien nicht mehr über jedes Stöckchen springen, was die AfD einem hinhält?
    Überall: Genau! Dieses Zitat habe ich auch schon öfter gebracht, das schöne Bild mit dem Stöckchen. Natürlich. Es werden ganz bewusst, Stichwort Schießbefehl und Ähnliches, Dinge in die Welt gesetzt, wo man dann später wieder zurückrudert, aber wo man natürlich bestimmte Kreise der Bevölkerung mit erreicht, und diese Nachrichten, diese Botschaften würden sonst nicht eine so große Verbreitung finden. Das ist auch das Unaufrichtige an der Politik der AfD, dass man dann immer wieder die Stöckchen hinhält und wir hin und wieder auch trotzdem noch drüberspringen.
    "Wir sind plötzlich in einer Situation, wo wir unseren Beruf erklären müssen"
    Büüsker: Wenn wir noch mal auf die Fehlerkultur schauen. Es gab ein Beispiel der "Tagesschau" im Fall des Vergewaltigungsmordes in Freiburg, wo die "Tagesschau" erläutert hat, warum sie über die Nationalität des mutmaßlichen Täters zunächst nicht berichtet hat. Und dieser, ich nenne es mal, Werkstattbericht der "Tagesschau" hat dann erst dafür gesorgt, dass alle darauf geguckt haben und gesagt haben, die "Tagesschau" hat hier einen Fehler gemacht, guckt mal, die haben ja wieder falsch berichtet. Wie schaffen wir als Medien auch eine Fehlerkultur, die uns dann nicht direkt wieder vorgeworfen wird?
    Überall: Wir sind in einer ganz neuen Situation, auch durch die sozialen Netzwerke, die sich eher als digital verlängerter Stammtisch gerieren, die mit Emotionen wild um sich werfen. Wir sind plötzlich in einer Situation, wo wir unseren Beruf erklären müssen. Das mussten wir nie. In den vergangenen Jahrzehnten war das einfach völlig klar: ist quasi die vierte Gewalt im Staat. Jetzt müssen wir plötzlich erklären, was spielen wir für eine Rolle in der Gesellschaft und welches Handwerk liegt dem auch zugrunde.
    Deswegen finde ich es gut, was Kai Gniffke da gemacht hat, dass er wirklich erklärt hat. Natürlich ruft man damit immer die Kritiker auf den Plan, die immer lauter sind als diejenigen, die sich das Ganze nur beobachtend anschauen und zustimmen. Trotzdem: Diesen Weg dürfen wir nicht verlassen. Wir werden auch weiterhin erklären müssen, was wir tun, denn sonst ist die Akzeptanz für Journalismus in dieser Gesellschaft bedroht und das darf nicht passieren.
    "Die Pressefreiheit wird mit Füßen getreten"
    Büüsker: Wenn wir noch mal auf das Treffen in Koblenz schauen am 21. Januar. Einige Pressevertreter dürfen jetzt nicht kommen, sind nicht akkreditiert. Man könnte jetzt auch sagen, gut, dann gehen die anderen auch nicht hin, dann berichtet niemand darüber. Wie stehen Sie dazu?
    Überall: Ich hielte das für falsch. Ich halte es für richtig, genau dieses journalistische Handwerk anzuwenden, auch wenn es nur wenige sind, zum Beispiel die Deutsche Presse-Agentur, die berichten dürfen. Das sollten sie dann auch tun. Wir brauchen Journalismus und wenn es dann nur einzelne, wenn es nur wenige sind, immerhin: es sind Journalisten da. Dass wir die Bandbreite nicht haben, dass wir die Vielfalt der Berichterstattung aus verschiedenen Blickwinkeln nicht haben, das bedauere ich sehr.
    Noch mal: Das ist eine Gefahr für die Pressefreiheit. Die wird mit Füßen getreten hier von der AfD, speziell von Herrn Pretzell. Auf der anderen Seite: Dass überhaupt welche zugelassen werden, ist schon mal sinnvoll und die Kolleginnen und Kollegen sollten da einfach auch gut ihre Arbeit machen. Das sind sie ihrem Publikum schuldig.
    Büüsker: Sagt Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes. Dankeschön.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.