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Afghanistan
UN hält Beginn des Friedensprozesses für möglich

Sollte ein Treffen der afghanischen Regierung mit den Taliban gelingen, sieht der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan den Beginn eines Friedensprozesses in greifbarer Nähe. Die Verhandlungspositionen der Parteien liegen allerdings noch weit auseinander.

Von Silke Diettrich | 19.12.2018
    Ein Soldat der afghanischen Armee steht vor den Trümern eines britischen Compunds in Kabul, welcher von einem Selbstmordattentäter zerstört wurde.
    Noch Ende November gab es einen Selbstmordanschlag auf eine britische Sicherheitsfirma in Kabul, bei dem zehn Menschen starben. (AFP / Noorullah Shirzada)
    Während Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die deutschen Soldaten in Afghanistan besucht, scheint mehr Bewegung in den Friedensprozess des Landes zu kommen. Der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan sagt, der Friedensprozess "war noch nie so greifbar wie heute".
    Tatsächlich hat es in den letzten Monaten einige Treffen gegeben, vor allem zwischen den Taliban und Vertretern der USA. Zum ersten Mal war nun auch Afghanistans Nachbarland Pakistan bei den Gesprächen dabei.
    Die afghanische Regierung hatte eigentlich auf eine andere Strategie gesetzt - auf den vermeintlich neuen Anti-Terror-Plan von Donald Trump: Wieder mehr ausländische Soldaten, noch mehr Luftangriffe und Einsätze von Sondereinheiten, die die Taliban schwächen sollten, um sie gebeugt an den Verhandlungstisch bomben zu können.
    Diese Strategie ist nicht aufgegangen. Die radikalislamische Miliz gewinnt weiter an Boden, übt blutige Anschläge in den Städten aus, tötet dabei Zivilisten und vor allem afghanische Sicherheitskräfte.
    Statt mit der afghanischen Regierung zu verhandeln, die aus Sicht der Taliban nur Marionetten des Westens sind, sitzen die radikalen Islamisten nun mit den Weltmächten an einem Tisch: Dabei sind Vertreter aus den USA, aus Russland und jetzt beim Treffen in den Vereinigten Emiraten auch Repräsentanten aus Saudi-Arabien und Pakistan.
    "Von der Kriegslogik lösen"
    Der UN-Sonderbeauftragte von den Vereinten Nationen für Afghanistan sagt, der entscheidende Schritt sei nun, ein Treffen der afghanischen Regierung mit den Taliban zu arrangieren. Im Sommer dieses Jahres hatte es ja zum ersten Mal seit vielen Jahren einen dreitätigen Waffenstillstand zwischen den Gegnern gegeben, Kämpfer von beiden Seiten hatten sich Blumen überreicht und umarmt:
    "Wenn wir es schaffen, von den ersten Kontakten auf Gespräche über zu gehen", sagte Yamamoto in New York, "können wir uns mehr von der Kriegslogik lösen und uns mehr darauf konzentrieren, Möglichkeiten für den Frieden aus zu loten. Und könnten den Blick auf ein stabiles Afghanistan lenken mit Wachstumsmöglichkeiten, anstatt weiterhin Bedrohungen zu fürchten, die von einem instabilen Afghanistan ausgehen."
    Gestern soll ein Verhandlungsteam der afghanischen Regierung in die Vereinigten Arabischen Emirate gereist sein, wo es am Tag zuvor Gespräche mit den Taliban und der USA gegeben habe. Das Team solle ein erstes Treffen der beiden Konfliktparteien vorbereiten, hatte der afghanische Regierungssprecher auf Twitter geschrieben.
    Die Taliban aber hatten wie schon zuvor noch einmal bekräftigt, keine direkten Verhandlungen mit der afghanischen Regierung führen zu wollen. Die Verhandlungspositionen der beiden Konfliktparteien liegen weit auseinander.
    Die roten Linien der verfeindeten Parteien
    Während die Taliban vor allem darüber verhandeln wollen, dass die ausländischen Truppen aus Afghanistan abziehen sollen, beharren die demokratischen Vertreter des Landes darauf, dass die internationale Gemeinschaft nicht vor den radikalislamischen Fundamentalisten einknicken dürfe:
    "Änderungen an der derzeitigen Verfassung vorzunehmen, um einen Frieden zu verhandeln, ist eine rote Linie, die wir nicht überschreiten dürfen", sagte Ghizaal Harees in New York vor den Vereinten Nationen. Sie gehört zu einer unabhängigen Kommission, die die afghanische Zivilgesellschaft vertritt. "Jeglicher Kompromiss, der die Rechte und Freiheiten unserer Bürger beschneidet, würde alle Errungenschaften, die in Jahrzehnten hart erkämpft wurden, zunichtemachen."
    Im April sollen in Afghanistan eigentlich Präsidentschaftswahlen stattfinden. So wie es um die Sicherheit von Afghanistan gerade bestellt ist, wären die schwer durchführbar, geschweige denn, repräsentativ, sagen viele Experten. Daher drängen sämtliche Vertreter an den Verhandlungstischen darauf, dass die Taliban und die afghanische Regierung miteinander reden, statt sich zu bekämpfen.