Dienstag, 23. April 2024

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Afrika-Gipfel
"Es braucht mehr Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent"

Um die Armut in Afrika wirklich zu bekämpfen, müsse man viel ökonomischer denken, sagte der Ökonom Robert Kappel im Dlf. Dafür bedürfe es vor allem lokaler Investitionen. Die auf dem Gipfel in Berlin beschlossenen Förderungen seien daher richtig - auch, um deutschen Mittelständlern den Weg nach Afrika ebnen.

Robert Kappel im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 30.10.2018
    Ein Treffen zur Mikrofinanzierung in einem Dorf in der Nähe von Ouahigouya, Burkina Faso.
    Im Hinblick auf Investionen in Afrika sei Deutschland ein Zuspätkommer, sagte der Ökonom Robert Kappel im Dlf (dpa / picture alliance )
    Jessica Sturmberg: Betonung auf Partnerschaft und ein Austausch auf Augenhöhe, was man da bei Bundeskanzlerin Angela Merkel heraushört. Dass Afrika ein wichtiger Kontinent aus diversen Gründen ist, das hat die Regierung im vergangenen Jahr betont. So ist im Zuge des G20-Gipfels auch die Initiative entstanden, die Grundlage und Gedanke hinter dem heutigen Treffen im Bundeskanzleramt ist.
    Darüber spreche ich mit dem Wirtschaftswissenschaftler Prof. Robert Kappel, der sich als früherer Präsident des German Institute of Global and Area Studies, kurz GIGA –Institut in Hamburg, viel damit beschäftigt hat.
    Eine zusätzliche Milliarde Förderung für private Investitionen sind in Afrika nun zugesagt worden im Zuge dieses heutigen Treffens, im Zuge dieses heutigen Afrika-Gipfels.
    Ist das ein sinnvolles Entwicklungshilfe-Paket, wenn man das überhaupt so nennen möchte?
    Robert Kappel: Es handelt sich hier ja nicht um ein Entwicklungshilfe-Paket, sondern um eine neue Form der Kooperation mit dem afrikanischen Kontinent, bei dem es ja darum geht, zwei Dinge hinzubekommen: Einerseits deutsche Investoren nach Afrika zu bringen, denn es gibt nur 800 Unternehmen auf dem Kontinent und Deutschland ist da ein bisschen ein Zuspätkommer, und durch diese Maßnahme sollen Mittelstandsunternehmen nach Afrika kommen.
    Der zweite Punkt, der jetzt auf dem Gipfel sicher nicht so im Mittelpunkt stand, ist die Flucht aus Afrika, Migrationsprobleme, der große Druck der jungen Bevölkerung, die Jobs suchen. 20 Millionen Jobs müssen im Jahr geschaffen werden. Der Gipfel dient ja auch ein bisschen dazu, um die Weichen zu stellen, dass auch der große Druck auf den Arbeitsmarkt ein wenig genommen wird.
    "China will in den nächsten fünf Jahren 60 Milliarden Euro auf dem Kontinent investieren"
    Sturmberg: Ist das, was die Bundesregierung da jetzt anstrebt, auch mit recht viel Geld und Fördermitteln, genau das, was der Kontinent auch braucht?
    Kappel: Der Kontinent braucht verschiedene Dinge. Natürlich braucht es mehr Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent. Nur fünf Prozent der weltweiten Investitionen fließen nach Afrika. Das ist eine sehr geringe Summe, gerade 50 Milliarden Dollar pro Jahr. Das ist sehr, sehr wenig.
    Auf der anderen Seite wächst der afrikanische Kontinent. Die Wachstumsraten sind in manchen Ländern relativ hoch und hier gibt es eine Nachfrage auch nach mehr Investitionen, und darum geht es natürlich bei diesem Gipfel.
    Sturmberg: Sie haben Deutschland als Zuspätkommer bezeichnet. Wenn wir mal auf andere Länder schauen, insbesondere China: Das Land baut inzwischen massiv seine Fördermaßnahmen auf dem Kontinent aus. Wieweit ist das denn für die afrikanischen Länder auch attraktiv?
    Kappel: Das ist sehr attraktiv. Mit China ist ja ein neuer Wettbewerber auf den Kontinent gekommen, der von vielen afrikanischen Ländern willkommen geheißen wurde, denn die Europäer und Amerikaner haben mit ihren Investitionen gezögert. China hat eine große Strategie, die "Belt and Road"-Initiative, und ein FOCAC, das ist das Forum für Kooperation China mit Afrika, und hat dort seit zehn, zwölf Jahren die Weichen gestellt für sehr, sehr hohe Investitionen.
    Wenn Sie vorhin von einer Milliarde zusätzlicher Investitionen deutscher Seite auf dem Kontinent sprechen, dann müssen wir das ein bisschen in Relation zu dem setzen, was China macht. Die wollen in den nächsten fünf Jahren 60 Milliarden Euro auf dem Kontinent investieren, um die Infrastruktur voranzubringen. Hier ist ein Wettbewerber da, der eigentlich ziemlich viel abgeräumt hat in den letzten Jahren, und die Europäer sind ein bisschen ins Hintertreffen geraten, und vielleicht ist auch das ein bisschen der Hintergrund, weshalb Deutschland jetzt deutlicher Flagge zeigt, und Wirtschaftskooperation ist sicherlich einer der wichtigsten Punkte.
    Aber bei diesem Gipfel wurde ja ein Stichwort vergessen, nämlich dass auch Teile Afrikas sehr arm sind, dass mindestens 20 afrikanische Länder Niedrigeinkommensländer sind, wo die Armut sehr, sehr groß ist und wo kaum ausländische Investitionen hinfließen. Aber letztendlich müssen die afrikanischen Länder in die Pötte kommen, denn die Jobs können nicht durch ausländische Investoren geschaffen werden.
    "Wir müssen auf zwei Beinen stehen in unserer Kooperation"
    Sturmberg: Ist denn die chinesische Afrika-Politik klüger als die europäische?
    Kappel: Die Europäer haben ja eine ganz lange postkoloniale Kooperation mit dem Kontinent. Mit allen Ländern war ja Europa immer der wichtigste Handelspartner. Die meisten Investitionen kamen aus Europa. China hat die gewisse Ermüdung, die von europäischer Seite in der Kooperation mit Afrika aufgetreten ist, ausgenutzt.
    Das betrifft das Nichtlösen der Handelsbeziehungen -, und insofern unser Weckruf, den wir jetzt bekommen haben durch die Flucht und Migration aus Afrika nach Europa, ist zwar spät gekommen, aber er ist gekommen und jetzt kann es zu neuen Formen der Kooperation kommen.
    Sturmberg: Wir sprechen von Afrika ja sehr häufig als Einheit, was ja fälschlich ist. Afrika ist ja sehr divers. Und Sie haben es schon gesagt: Da wird sich auch sehr auf wenige Länder konzentriert. Sie sprachen von den 20 afrikanischen Ländern, die besonders schlecht dastehen. Wie sollte denn die deutsche Entwicklungspolitik vorgehen, sich auf diese 20 Länder konzentrieren, oder was ist da der richtige Weg?
    Kappel: Na ja, Sie haben genau die beiden Pole benannt. Es gibt natürlich noch weitere Diversifizierungen, aber die Pole sind benannt. Es gibt einen großen Teil von Ländern, die wirklich arm sind, wo Hunger weit verbreitet ist, wo 70 Prozent der Menschen in extremer Armut leben. Viele Sahel-Länder gehören dazu. Hier müssen wir eine ganz andere Politik betreiben, eine Entwicklungskooperation, die auf Armutsbekämpfung geht, in Kooperation mit den afrikanischen Staaten, die auch viel mehr für die Armutsbekämpfung tun müssen.
    Auf der anderen Seite haben wir die Länder, die hohe Wachstumsraten haben, die aufsteigen, wie Ruanda, Äthiopien, Kenia, Senegal, Ghana. Hier gibt es vielfältige neue Möglichkeiten auch der Kooperation. Insofern müssen wir auf zwei Beinen stehen in unserer Kooperation, wo die neuen Fragen der Zukunft eine Rolle spielen. Auch Klimawandel muss in den Mittelpunkt gestellt werden.
    "Die traditionelle Entwicklungshilfe hat sich überlebt"
    Ich glaube, die traditionelle Entwicklungshilfe hat falsche Anreize gegeben. Das führt dazu, dass afrikanische Länder sich darauf verlassen, dass Entwicklungshilfe fließt und dass man dann Gelder im Staatshaushalt einsparen kann und anders verwenden kann, weil das Geld ja aus dem Ausland fließt. Ich denke, die traditionelle Entwicklungshilfe hat sich überlebt. Es ist zu viel Korruption im Spiel, Fehlallokation der Ressourcen vielfach mit herbeigeführt worden. Es war ein schönes Geschenk an die afrikanischen Staaten, aber es hat nicht den Beitrag geliefert, um die Armutsprobleme, die ja immer im Mittelpunkt der traditionellen Entwicklungshilfe stehen, wirklich zu beseitigen. Ich glaube, man muss viel ökonomischer denken, um die Armut wirklich beseitigen zu können. Da bedarf es vor allem lokaler Investitionen. Lokales Unternehmertum muss durch die Regierungen selbst gestärkt werden. Afrika hat so verschiedene Geschwindigkeiten; man kann Ghana nicht mit Senegal vergleichen, man kann Eritrea auch nicht mit Guinea-Bissau vergleichen.
    Jedes Land hat seine eigene Geschichte, seine eigene Kultur und seine eigenen Reformstrategien, und die Länder, die enger mit uns kooperieren wollen, werden weitere Reformschritte gehen müssen, damit sie auch noch weiter nach vorne kommen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.