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Afrikanische Schweinepest
Hoffnungsvolle Signale aus dem Baltikum

Die Afrikanische Schweinepest breitet sich weiter in Europa aus. Dass die zumeist tödliche Viruserkrankung, an der Wildschweine und Hausschweine erkranken könne, auch nach Deutschland überspringt, wird immer wahrscheinlicher. Hoffnung macht jedoch eine Beobachtung auf dem Baltikum.

Von Sophia Wagner | 16.06.2020
Wildschweine im Wald
Noch gibt es keine dokumentierten Fälle von Afrikanischer Schweinepest in Deutschland (imago/Martin Wagner)
Dr. Helfried Körber ist der Amtstierarzt im Landkreis Spree-Neiße, der am südlichen Ende Brandenburgs, direkt an der polnischen Grenze liegt: "Zehn Kilometer östlich der Neiße, auf polnischem Gebiet, ist der nächste Fund gewesen, der von polnischer Seite gemeldet wurde." Seit die Afrikanische Schweinepest, kurz ASP, im November 2019 zum ersten Mal im äußeren Westen Polens bei einem Wildschwein diagnostiziert wurde, ist die Angst hier im Landkreis groß, dass das Virus eingeschleppt werden könnte.
"Wir haben alle die Hoffnung, dass die Schweinepest in Polen bleibt. Aber wenn man das realistisch sieht, beziehungsweise pessimistisch, sagen wir es mal so, muss man leider damit rechnen, dass es früher oder später doch in der einen oder anderen Weise Deutschland betreffen wird", sagt Körber. Trotz dieser realistisch-pessimistischen Sichtweise ist er sicher, dass Deutschland momentan noch ASP frei ist. Um die 300 Wildschweine wurden in seinem Landkreis bereits getestet, seit die Afrikanische Schweinepest dicht an die deutsche Grenze kam. Alle negativ.
Wildschutzzäune an den Grenzen
Eine weitere Vorsichtsmaßnahme, die im Landkreis Spree-Neiße, aber auch entlang der sächsisch-polnischen Grenze getroffen wurde, sind Wildschutzzäune. Sie wurden als Barriere für wandernde Wildschweine installiert. Eine sinnvolle Maßnahme, meint Dr. Sandra Blome. Sie leitet das Nationale Referenzlabor für die Afrikanische Schweinepest am Friedrich-Loeffler-Institut auf der Ostsee-Insel Riems: "Man muss dazusagen: Zäune sind keine Heilmittel oder eine Wunderwaffe. Aber es hat sich eigentlich erwiesen, auch in Belgien und anderen betroffenen Ländern, dass sie ein wichtiges Werkzeug der Bekämpfung sein können. Und ehrlich gesagt, auch eins der wenigen, die wir haben."
Denn obwohl es mit der Impfstoff-Forschung vorangeht, wird es noch ein paar Jahre dauern, bis man ein in der EU einsatzfähiges Präparat haben wird. Das meint auch Dr. Linda Dixon, die am Pirbright Institut in Großbritannien an verschiedenen Impfstoffen gegen die afrikanische Schweinepest forscht: "In China könnte es schneller gehen. Dort wird sehr viel Geld in die Impfstoffforschung investiert. Und dort ist man auch gewillt, Impfstoffe zu akzeptieren, die nicht den europäischen Standards entsprechen."
Impfstoff aus China in Europa nicht zulassungsfähig
Das liegt auch an der ernsten Lage im Land. Seit die Krankheit im Spätsommer 2018 erstmals in China auftrat, ist die dortige Schweineproduktion um 40 Prozent zurückgegangen. Im März dieses Jahres berichteten chinesische Forscher dann, einen sicheren Lebendimpfstoff entwickelt zu haben, der Schweine erfolgreich vor ASP schützt. "Im Prinzip haben sie auf der Forschung anderer Gruppen aufgebaut, die verschiedene Gene identifiziert haben, die für die Infektiösität des Virus verantwortlich sind. Und die haben sie dann teilweise neu kombiniert und aus dem Virus gelöscht", berichtet Dixon.
Bei Lebendimpfstoffen wird der für die Tiere tödliche Erreger abgeschwächt, indem spezifische Virus-Gene entfernt werden. Ziel ist es, eine Virus-Version herzustellen, die nicht mehr ernsthaft krank macht, den Körper aber trotzdem zu einer Immunantwort anregt. Das ist den chinesischen Wissenschaftlern in ersten Tests anscheinend gelungen. Auch erste Feldversuch mit 3000 Tieren, die seit April in drei verschiedenen Schweinefarmen durchgeführt wurden, sind laut der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua erfolgreich verlaufen. "Sie stellen das abgeschwächte Virus in Knochenmarkszellen von Schweinen her, und laut der Publikation vom März sollen so nun größere Mengen Impfstoff produziert werden", so Dixon.
In Europa wäre solch ein Impfstoff nicht zulassungsfähig, hier müssen Impfstoffe in zertifizierten Zelllinien aus dem Labor produziert werden. Und noch ein Problem kommt dazu: Der chinesische Impfstoff ist auf den Einsatz bei Hausschweinen ausgerichtet. Und Dr. Sandra Blome vom Friedrich-Löffler-Institut glaubt, dass man wegen der strengen Bio-Sicherheitsvorschriften für Schweineställe in Europa, gar keine Impfung für Hausschweine braucht: "Ich hätte gerne einen Impfstoff für Wildschweine. Aber gerade so einen gentechnischen Organismus in der freien Wildbahn auszusetzen, das ist nochmal was anderes, als wenn Sie das in den Schweinestall bringen."
Infektionsfälle im Baltikum gehen zurück
Selbst wenn ein sicherer Hausschwein-Impfstoff auf den Markt käme, müsste seine Anwendung bei Wildschweinen, möglichst als Schluckimpfung, viele Testphasen und Entwicklungen erneut durchlaufen. Momentan bleiben deshalb nur Zäune und intensives Monitoring der Wildschweinpopulationen, um den Vormarsch der Afrikanischen Schweinepest zu stoppen. Doch es gibt einen Lichtstreifen am Horizont. Denn im Baltikum, wo das Virus seit 2014 zu finden ist, scheint sich die Lage zu bessern. Statt aktiver Infektionen werden von dort hauptsächlich positive Antikörpertests gemeldet.
"Wenn man sich Estland und auch zum Teil Lettland anguckt, gehen die Fälle runter. Wir haben nur noch sero-positive Fälle und wenn es keinen neuen Eintrag aus Russland oder Weißrussland gibt, sind diese Länder vielleicht in einem Jahr frei", hofft Blome. Nach sechs Jahren scheint sich die Seuche im Baltikum nun also doch tot zu laufen. Und auch aus Belgien, von der anderen Seite Deutschlands, gibt es gut Nachrichten. Mit engmaschigen Kontrollen und der Einzäunung des betroffenen Gebietes, wurde dort verhindert, dass sich die 2018 eingeschleppte Seuche ausbreitet. In diesem Jahr wurden erst drei positive Funde gemeldet. Der letzte Anfang März.