Freitag, 29. März 2024

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Aktfotografie in "The Opéra"
Nähe ohne Berührung

200 Seiten Nacktheit - zum achten Mal erscheint ein Band der Reihe "The Opéra", die jedes Jahr einen Überblick über den Stand der Aktfotografie gibt: "Viele verschiedene Blickwinkel, viele verschiedene Körper", erklärte Herausgeber Matthias Straub im Dlf, "dick, dünn, versehrt oder unversehrt."

Matthias Straub im Corsogespräch mit Bernd Lechler | 29.11.2019
Schon das Titelbild - eine sehr beleibte nackte Frau, die wie entrückt auf einem Hocker sitzt, ein paar Rosen an die Brüste gedrückt - verweist darauf, dass ein Schwerpunkt diesmal bei Diversität und Body Positivity liegt, also einem selbstbewussten Verhältnis zum eigenen Körper, auch wenn er nicht nach Standardkriterien "perfekt" ist. "Wir haben festgestellt, dass insbesondere weibliche Fotografinnen seit einigen Jahren ganz anders mit dem Thema Körper umgehen, sehr viel selbstbewusster", erklärt Matthias Straub. "So dass auch dieses gewohnte Bild von Schönheit auch ein bisschen hinterfragt wird."
Das gewohnte Schönheitsbild hinterfragen
Dass auf dem Cover trotzdem wie gewohnt ein weiblicher Akt zu sehen ist - im Heft gibt es auch männliche -, das habe, sagt Straub offen, zum einen mit dem Geschmack der Macher zu tun, sei aber auch den Mechanismen des Marktes geschuldet: "Wir sind davon ausgegangen, dass wir im Zeitschriftenverlag beziehungsweise im Kunstbuchhandel mit den weiblichen Motiven mehr Leute ansprechen als mit einem Mann."
Trotzdem sei bei The Opéra die Vielfalt wichtig, deretwegen Straub die Reihe letztlich ins Leben gerufen hat: Beim Stöbern in Pariser Kunstbuchhandlungen habe er immer nur Monografien von Aktfotografen gefunden, aber keine Kompendien, die einen Überblick liefern.
Wir haben noch länger mit Matthias Straub gesprochen – hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
Am extremsten sind diesmal wohl die Schwarz-Weiß-Bilder der englischen Künstlerin Manon Ouiset, die Menschen mit teils großflächigen Brandnarben oder auch amputierten Gliedmaßen fotografiert. "Ich bin überzeugt, dass es Schönheit in jedem Leben zu finden gibt. Man sieht in den Bildern auch nicht in erster Linie die Versehrtheit, sondern nimmt den Menschen wahr."
Aktfotografie als Begegnung
Matthias Straub sieht in der Aktfotografie nicht zuletzt eine Begegnung - zwischen Fotograf, Modell und Betrachter. "In vielen dieser Porträts spürt man noch die Spannung, die da ist, und natürlich schwingt auch immer eine gewisse Erotik mit." Die stehe aber nicht im Mittelpunkt. "Letztendlich", sagt der Herausgeber, "ist da auch der Reiz, einem Menschen nahe zu kommen, ohne ihn berühren zu müssen, aber trotzdem zu verstehen, was er in dem Moment vielleicht gefühlt hat."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.