Mittwoch, 24. April 2024

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Rostock-Lichtenhagen
Alabali-Radovan: "Ausmaß der Ausschreitungen bis heute erschreckend"

Die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Alabali-Radovan, hat an die rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen vor 30 Jahren erinnert. Im Deutschlandfunk sagte die SPD-Politikerin, das Ausmaß der Angriffe sei bis heute erschreckend.

22.08.2022
    Blick auf einen Plattenbau mit einer Abbildung drei großer Sonnenblumen an einer Gebäudeseite.
    In diesem Jahr jähren sich die Ausschreitungen zum 30. Mal. (imago images / BildFunkMV)
    Die Bundesregierung sei weiterhin in der Pflicht, die Ereignisse und deren Folgen aufzuarbeiten und dafür zu sorgen, dass sich die Strukturen für Asylsuchende verbesserten. Man arbeite derzeit an einer Neuausrichtung der Migrations- und Asylpolitik, die mehr Menschlichkeit und weniger Misstrauen zulasse, sagte sie. (Das vollständige Interview als PDF).
    Kulturstaatsministerin Roth sagte, die Ausschreitungen seien Auslöser einer Kette ausländerfeindlicher Gewaltexzesse in der wiedervereinten Bundesrepublik gewesen. Das Leid der Opfer und ihrer Hinterbliebenen finde bis heute zu wenig Beachtung.

    Aufarbeitung "grandios gescheitert"

    Der damalige Ausländer-Beauftragte von Rostock, Richter, bezeichnete die Aufarbeitung der Geschehnisse im Deutschlandfunk als "grandios gescheitert". Er betonte, es habe keine Übernahme von politischer Verantwortung gegeben, und die juristische Verurteilung sei nur zögerlich erfolgt.
    Flüchtlingsorganisationen forderten die Auflösung von Massenunterkünften für Asylbewerber. Noch immer seien Flüchtlingsunterkünfte Zielscheibe für Gewalt, erklärten Pro Asyl und die Amadeu Antonio Stiftung. Um dem zu begegnen, müssten die Heime aufgelöst und Geflüchtete schnell in Kommunen verteilt werden. Das Beispiel Ukraine zeige, was in der Asylpolitik möglich sei, erklärten beide Organisationen mit Blick auf die oftmals dezentrale Unterbringung der Kriegsflüchtlinge. Problematisch sei aber die Ungleichbehandlung von ukrainischen Geflüchteten und Geflüchteten aus anderen Staaten.
    Vom 22. bis zum 26. August 1992 hatte es im Stadtteil Lichtenhagen rassistische Angriffe auf eine Aufnahmestelle für Asylsuchende und ein Hochhaus mit ehemaligen vietnamesischen DDR-Vertragsarbeitern und ihren Familien gegeben. Tausende Schaulustige applaudierten und behinderten die Arbeit von Feuerwehr und Polizei. Rund 150 Menschen - die meisten von ihnen Vietnamesen - mussten aus dem brennenden Haus fliehen. Mehr als 200 Polizisten wurden verletzt.
    An einer Gedenkveranstaltung am kommenden Donnerstag im Rostocker Rathaus nimmt auch Bundespräsident Steinmeier teil.
    Mehr zu den Anschlägen können Sie in diesem Beitrag aus der Sendung "Hintergrund" hören und lesen.
    Diese Nachricht wurde am 22.08.2022 im Programm Deutschlandfunk gesendet.