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Albanien
Der Traum vom Pflegejob in Deutschland

Um dem Pflegenotstand zu begegnen, setzt die Bundesregierung auf Anwerbe-Programme. Und so lernen in Albanien viele Pfleger Deutsch, um sich auf Jobs und ein neues Leben in Deutschland vorzubereiten. Auch viele Ärzte folgen. Der albanische Pflegeverband sieht die Entwicklung mit Sorge.

Von Clemens Verenkotte | 12.07.2018
    Ein leerer Krankenhausflur.
    In Deutschland fehlen Pflegekräfte, deswegen wird aktiv Fachpersonal aus dem Ausland angeworben. (dpa / Wolfram Kastl)
    Deutschunterricht in der Dekra-Akademie in Tirana. Im Klassenzimmer sitzen etwa 15 Pflegerinnen und Pfleger, die sich auf ihren Aufenthalt in Deutschland vorbereiten. Vor drei Jahren schlossen die albanische Regierung und die Bundesregierung ein Abkommen, eine Schule zu gründen, in der Pfleger und Krankenschwestern Deutsch lernen und mit dem medizinischen Vokabular vertraut werden.
    Die Schule, die von dem deutschen Dekra-Unternehmen geleitet wird, bietet ein- bis anderthalbjährige Sprachkurse an. Nach Abschluss der Sprachprüfung können die Teilnehmer einen Arbeitsvertrag in Deutschland abschließen, für zwei Jahre, für einen Grundlohn von 1.500 Euro. Die 45jährige Silvana Belalla, Mutter von zwei Kindern, hat nicht lange überlegt, ob sie die Chance ergreifen sollte:
    "Ich habe sofort das Universitätskrankenhaus Mutter Theresa verlassen, mit dem Ziel, mein Können in Deutschland zu entfalten."
    Deutschkurse für ein besseres Leben fern der Heimat
    Bis jetzt haben 4.500 albanische Pfleger und Krankenschwestern die Deutsch-Sprachkurse absolviert. 2.500 von ihnen haben bereits einen Arbeitsvertrag mit deutschen Klinken abgeschlossen, 2.000 andere warten noch darauf, wie Silvana Belalla:
    "Der minimale Lohn beträgt 38.000 Lek, das sind umgerechnet 300 Euro, und so viel erhalte ich. Davon muss ich zwei Kinder großziehen."
    Deutschlehrer Elton Demollari ist davon überzeugt, dass das Sprachprogramm und die anschließende Entsendung von albanischen Pflegekräften nach Deutschland eine gute Sache sei.
    "Das ist eine gute Arbeitsmöglichkeit für unsere Krankenpfleger und Krankenpflegerinnen, die ein besseres Leben in der Zukunft haben möchten, vielleicht einen neuen Anfang. Und deshalb finde ich es ganz, ganz hervorragend."
    Zurzeit lehren über 1.500 Pflegekräfte an den Dekra-Sprachschulen in ganz Albanien. Die Schulen befinden sich nicht allein in der Hauptstadt, sondern in sechs weiteren Städten des Landes. Die Teilnehmer arbeiten überwiegend in dem Krankenhaus "Mutter Theresa" in Tirana. Dort gibt es auch eine Hochschule für Pfleger und Pflegerinnen. Das Studium dauert drei Jahre.
    Albanien droht, viele gut ausgebildete Fachkräfte zu verlieren
    Sabri Skenderi vom albanischen Pflegeverband ist skeptisch. Er denkt an die Folgen für das albanische Gesundheitswesen: "Im Ausland sucht man Pfleger, die gearbeitet und Erfahrungen haben. Und weil sie diese Krankenschwestern besser bezahlen, ihnen einige Vorteile garantieren, die es hier bei uns nicht gibt, haben wir eine Situation, dass auch gute Pfleger weg gehen. Das ist unsere Sorge, denn wir verlieren Qualität. Was ich sehe, ist die Tatsache, dass viele Pfleger und Krankenschwestern aus verschiedenen Bezirken begonnen haben, Deutsch-Sprachkurse zu besuchen. Sie denken darüber nach, mit dem Abschluss des Sprachkurses und nach einigen beruflichen Ausbildungskursen ihre Zukunft im Ausland aufzubauen."
    Auch Ärzte bemühen sich ins Ausland zu gehen, obgleich sie derzeit nicht Teil des Anwerbe-Programms sind. In den staatlichen Krankenhäusern verdienen sie im Durchschnitt 500 bis 550 Euro im Monat. Die Pflegerin Silvana Belalla setzt große Hoffnungen auf Deutschland:
    "In Deutschland werde ich mein berufliches Potential entfalten und auch meine Kinder werden das tun. Sicherlich werde ich dort auch meine finanzielle Situation verbessern. In Albanien bin ich unten. In Deutschland werde ich wieder hochkommen."