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Aleppo unter Beschuss
Rückkehr zum offenen Konflikt

Der syrische Machthaber Baschar al-Assad hat Aleppo unter Beschuss genommen, es sind laut UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon die schlimmsten Angriffe seit dem Beginn des Bürgerkriegs. Heute kommt der UNO-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, doch die Zielsetzungen der beteiligten Länder gehen weit auseinander.

    Ein Mann trägt sein Kind in Aleppo am Samstag, 24.09.2016, aus den Trümmern eines zerstörten Gebäudes.
    Ein Mann mit seinem Kind in Aleppo am Samstag, 24.09.2016 (AFP / Ameer Alahlbi)
    Das Gremium soll noch am Sonntag in New York zu Beratungen über die Luftangriffe zusammenkommen. Nach Informationen der UNO hatten Großbritannien, die USA und Frankreich das Treffen in der Nacht beantragt. Danach werden die 15 Mitglieder am Sonntag um 17 Uhr MESZ über die Lage in der syrischen Stadt beraten. Dort sollen zwei Millionen Menschen von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten sein.
    "Bomben, die Bunker sprengen können"
    UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon
    UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon (dpa(picture alliance/Andy Rain / Pool)
    UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte sich zuvor "erschüttert über die verheerende militärische Eskalation" in Aleppo geäußert. Nach Worten seines Sprechers Stephane Dujarric sagte Ban am Samstag in New York, er sei alarmiert über Berichte von Luftangriffen mit Brandbomben und anderen Bomben, die selbst Bunker sprengen könnten. Aleppo sei der "anhaltendsten und schwersten Bombardierung" seit Beginn der Syrienkrise 2011 ausgesetzt.
    Nach dem Abbruch der Waffenruhe in der vergangenen Woche hatte Damaskus Angriffe auf die von Rebellen kontrollierten Teile der Stadt verschärft. US-Außenminister John Kerry hatte sich am Samstag in Boston mit vier europäischen Außenministern ausgesprochen. Er verlangte von Syrien ein sofortiges Ende der Luftangriffe. "Was in Aleppo passiert, ist inakzeptabel. Das sprengt alle Dimensionen", sagte Kerry. Zugleich rief er Russland auf, seinen Einfluss auf Syriens Machthaber Baschar al-Assad geltend zu machen.
    Weiter große Differenzen zwischen USA und Russland
    Doch die Vorgehensweise ist vor allem zwischen Russland und den USA umstritten, ein Treffen der sogenannten Syrien-Unterstützergruppe war am Freitag ergebnislos zu Ende gegangen, die von Russland und den USA initiierte Waffenruhe hatte nicht einmal eine Woche lang gehalten.
    Für große Differenzen sorgten zuletzt zwei Luftangriffe in Syrien. Ein nach US-Angaben versehentlicher Luftangriff der Anti-IS-Koalition auf einen syrischen Militärstützpunkt führte zu Dutzenden Toten und viel Kritik an den USA. Für einen tödlichen Luftangriff auf einen UNO-Hilfskonvoi in der Provinz Aleppo, machten die USA wiederum öffentlich Russland verantwortlich, was Moskau zurückwies. Russland ist neben dem Iran eine Schutzmacht Assads.
    UNO-Vermittler: "Schlimmste humanitäre Tragödie"
    Staffan de Mistura, UNO-Sondergesandter für Syrien
    Staffan de Mistura, UNO-Sondergesandter für Syrien (dpa / picture-alliance / Martial Trezzini)
    Die schweren Bombardements bedeuten nach den Worten von UNO-Syrienvermittler Staffan de Mistura "eine Rückkehr zum offenen Konflikt". Aus seiner Sicht sei es die schlimmste humanitäre Tragödie seit dem Zweiten Weltkrieg, sagte de Mistura dem arabischen Sender Al-Dschasira. "Ich bin nun 46 Jahre bei der UNO, 19 Kriege inklusive Afghanistan und den Balkan, was kompliziert genug war. Ich habe niemals so viele Parteien mit so vielen unterschiedlichen Zielen gesehen wie in diesem Konflikt", sagte de Mistura.
    "Was als friedlicher Aufstand begann und sich dann zu einer gewaltsamen Unterdrückung wendete und danach zu einer Militarisierung sowohl des Aufstandes als auch der Unterdrückung, wurde ein regionaler Stellvertreterkrieg und danach ein konkurrierender internationaler Einsatz. Das ist das größte Problem in diesem Konflikt", sagte er.
    Grausame Zustände in Aleppo
    Syriens Machthaber Baschar al-Assad hatte vor Wiederaufnahme der Luftangriffe auf Aleppo am Donnerstag eine Bodenoffensive angekündigt, um die Stadt vollständig zurückzuerobern. Im Umland Aleppos rückten Regimetruppen nach Gefechten gegen die Aufständischen vor. Die angekündigte Militäroperation begann damit aber offensichtlich noch nicht. In Aleppo sind seit Ende der Waffenruhe mehr als 180 Menschen getötet worden. Unter den Opfern seien auch mindestens 26 Kinder, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. Unabhängig überprüfbar sind solche Angaben nicht.
    Ein Mann steht in Trümmern in Aleppo.
    Ein Mann steht in Trümmern in Aleppo. (afp/Al-Masri)
    Die wenigen noch arbeitsfähigen Krankenhäuser Aleppos seien mit den vielen Verwundeten überfordert, berichten die Weißhelme. Es fehle an medizinischer Ausrüstung und Personal. Seit Juli konnten keine Arzneien in den belagerten Ostteil gebracht werden. Am Samstag erschütterten massive Luftangriffe der syrischen Armee und ihrer Verbündeten den dritten Tag in Folge den von Rebellen gehaltenen Ostteil der Stadt. Dort harren noch mehr als 250.000 Menschen unter widrigsten Umständen aus. In der gesamten Stadt gibt es laut Unicef nach dem Angriff auf ein Pumpwerk und der Abschaltung einer weiteren Einrichtung kein fließendes Wasser.
    In der zentralsyrischen Homs erreichte unterdessen ein Hilfskonvoi mit 36 Lastwagen den Bezirk Al-Waer. Nach einem Abkommen zwischen Regierung und Rebellen hatten Hunderte Aufständische das belagerte Al-Waer Anfang der Woche verlassen. Die Lieferung, an der auch die Vereinten Nationen beteiligt waren, enthielt dem Internationalen Roten Kreuz zufolge Nahrung, Medizin und Wasser für 75.000 Menschen.
    (nch/tzi)