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ALFA
"Nicht so originell, was die Allianz anbietet"

Der Ex-Chef der AfD Bernd Lucke hat eine neue Partei gegründet: die Allianz für Fortschritt und Aufbruch (ALFA). Lucke habe zwar seine Bekanntheit als Kapital für die neue Partei, sagte der Politologe Gero Neugebauer im DLF. Doch könne er zu Themen wie Europaskeptizismus oder Einwanderung keine originellen Beiträge mehr leisten.

Gero Neugebauer im Gespräch mit Martin Zagatta | 20.07.2015
    Politologe Gero Neugebauer
    Politologe Gero Neugebauer (picture alliance / dpa / Freie Universität Berlin)
    Martin Zagatta: ALFA - das ist die Abkürzung für Allianz für Fortschritt und Aufbruch, und so heißt die neue Partei, die der frühere Vorsitzende der AfD, die Bernd Lucke gestern gegründet hat und mit der er sich ausdrücklich von der AfD absetzen will, aus der er ja ausgetreten ist, nachdem er im Führungsstreit unterlegen ist, so jedenfalls hat er uns das alles heute Morgen im Deutschlandfunk erläutert.
    Bernd Lucke: Die AfD ist ja entgleist in Essen, auf dem Bundesparteitag vor 14 Tagen ist sie zur Pegida-Partei ausgerufen worden. Es haben dort sehr stark antiwestliche, prorussische Kräfte das Sagen übernommen. Da wurde alles bejubelt, was sich irgendwie gegen die EU gerichtet hat oder gegen den Islam. Und das ist einfach nicht mehr unsere Partei, solches Gedankengut hat in ALFA keinen Platz. Es geht mir auch nicht darum, Konservatives zurückzudrängen, sondern es geht mir darum, Fremdenfeindlichem und Islamfeindlichem keinen Platz einzuräumen in unserer Partei. Es geht mir darum, dass wir eine klare Verankerung im westlichen Bündnis haben mit der Mitgliedschaft in der EU und in der NATO.
    Martin Zagatta: Also eine Art Anti-Pegida-Partei soll die neue ALFA-Gruppierung werden, vor allem euroskeptisch soll sich die Partei geben und nicht mehr rechtslastig. Ob Bernd Lucke damit Erfolg haben kann, die Frage gebe ich gleich weiter an den Berliner Politikwissenschaftler Gero Neugebauer. Guten Tag, Herr Neugebauer!
    Gero Neugebauer: Guten Tag, Herr Zagatta!
    Zagatta: Herr Neugebauer, wie sehen Sie das, welche Aussichten haben aus Ihrer Sicht Bernd Lucke und ALFA?
    Neugebauer: Tja, wenn man bedenkt, dass ALFA ja eine Parteigründung ist nach einem klassischen Muster: Vertreter der reinen Lehre, können sich in der Mutterpartei nicht mehr durchsetzen, spalten sich ab und können aber dabei vielleicht ein paar Anhänger und ein paar Mandate mitnehmen, weder Organisationsstrukturen noch Geld, da sieht es erst mal nicht so gut aus. Das Zweite ist die Frage der Themen: Wenn sie weiter eine europaskeptische Partei sein will, da hat sie nun innerhalb der Union genügend Konkurrenz, da muss man sehen, wie die sich wandelt. Aber ansonsten mit den Themen -die sind, wie man im Rheinland sagt, auch nicht gerade der Bringer, und insofern wird vielleicht die FDP nicht so eine Angst haben vor den ALFA-Leuten, die AfD ohnehin nicht, die CDU/CSU kaum, und die SPD, glaube ich, gar nicht mehr und die Linke auch nicht. Die Grünen erst recht nicht.
    "Die FDP muss sich um die AfD keine Sorgen mehr machen"
    Zagatta: Kann sich die FDP denn - Sie deuten das ja so an -, kann die sich freuen oder muss die sich jetzt Sorgen machen, weil dann gibt es ja zum Einen die AfD jetzt, diese neue ALFA, also die Konkurrenz wird ja nicht kleiner.
    Neugebauer: Die FDP muss sich um die AfD, glaube ich, keine Sorgen mehr machen, weil die Nationalkonservativen in der FDP seit Jahrzehnten keine Rolle mehr spielen. Das, was da übrig geblieben ist, so zum Beispiel die Frage Option für mehr Kooperation mit Russland oder diese nationalkonservative Orientierung, ... wir kümmern uns erst um die Freiheit der Nation, bevor wir auf die Freiheit des Individuums eingehen -, das hat mit dem, was die FDP unter Westerwelle und in seiner Nachfolge Lindner repräsentiert eigentlich nichts mehr zu tun. Eher hat sie da ein Problem mit dem, was sozusagen alle die Fragen angeht, Freihandelsabkommen, TTIP, Marktorientierung der Politik, Rückzug des Staates aus ökonomischen Dirigismus und wie es ähnlich gesagt wird, da ist eher eine Frage, die für die FDP ... Und da tauchen eher Fragen auf, die von der FDP beantwortet werden können, aber das ist nicht so originell, was da die Allianz anbietet. Und Westbindung - oh Gott, wer hinterfragt denn noch bei uns die Westbindung?
    Zagatta: Aber Bernd Lucke hat ja schon einmal gezeigt, dass er da aus dem Stand quasi so eine Partei aufbauen konnte mit der AfD, er hat die entsprechenden Mittel aufgetrieben, er ist jetzt auch schon relativ bekannt, wenn auch umstritten, aber doch relativ bekannt in Deutschland - wie groß schätzen Sie seine Zugkraft denn ein?
    Neugebauer: Er hat natürlich ein Kapital, das ist seine Bekanntheit, und er hat auch besondere Rahmenbedingungen gehabt, als er die AfD gegründet hat, aber die fehlen jetzt. Insbesondere die Frage Europaskeptizismus, Fragen von Einwanderung und so, das sind Themen, die inzwischen von anderen Parteien aufgenommen werden, da kann er keine originellen Beiträge mehr leisten. Dann hat er auch gezeigt, dass ihm - er nennt das selbst, ihm fehlt da sozusagen der Teamgeist oder die Fähigkeit, im Team mitzuarbeiten -, dass er eigentlich nicht das Charisma hat und die Souveränität, um eine Partei so zu führen, wie er sie gerne führen möchte, nämlich von oben herab und mit einem Anspruch, der auf ihn zugeschnitten ist.
    Gut, in der neuen Führung tauchen keine Leute auf wie in der alten, die ihm das streitig machen würden, das würde ich schon bezweifeln, also von daher gibt es mehr Solidarität mit ihm. Und möglicherweise erinnert sich die Allianz auch daran, dass Parteien mit zerstrittenen Führungen bei den Wählern keinen Kredit kriegen, weil man die halt für handlungsunfähig hält, aber das muss man abwarten - nur abwarten wo? Das einzige Betätigungsfeld für Lucke ist das Europaparlament. Die paar Mandate in Landtagen, die er hier in Deutschland hat, reichen nicht aus, um die Partei bekannt zu machen. Die Frage ist, wie er sich in Hinsicht auf die Landtagswahlen 2016 - Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und auch Berlin - verhalten wird, aber wichtig wird für ihn sein, er muss überleben bis zur Bundestagswahl 2017 und hoffen, dass er dann vielleicht sogar eine Option als Koalitionskandidat kriegen könnte.
    "Erinnert hat mich das an die SED"
    Zagatta: Überleben will diese neue Partei jetzt, indem sie sich ganz besonders bemüht, unliebsame Mitglieder fernzuhalten, weil man da eben in der alten AfD so schlechte Erfahrungen gemacht hat, also man will sich nicht von Rechtsextremen kapern lassen, ist das so einfach?
    Neugebauer: Erinnert hat mich das an die SED, die Sozialistische Einheitspartei, die auch so etwas hatte wie einen Kandidaten, ja, da muss jemand auch noch zwei Bürgen mitbringen. Die tauchen im Statut der Allianz allerdings nun nicht auf. Ja Gott, sie müssen eine Kartei haben mit allen Leuten, die unliebsam aufgefallen sind. Sie können natürlich fragen, bist du Mitglied einer anderen Partei gewesen und wenn ja, welcher, und dann können sie da nicht, da nicht, da nicht, aber sie müssten einen wesentlichen Teil der Organisationsarbeit aufwenden für die Frage, oder besser gesagt, um rauszukriegen, wer denn nun eigentlich wo und zwar auch mit welchen Aktivitäten vorher Mitglied gewesen ist.
    Zagatta: Geht das mit dem deutschen Parteiengesetz auch so einfach? Diese ALFA ist ja dann auch auf Parteienfinanzierung angewiesen, also die Möglichkeit, öffentliche Gelder zu bekommen. Ist das alles so einfach?
    Neugebauer: Das ist kein Problem. Das Problem taucht eher mit Datenschutz auf - wie kann man jemanden verpflichten, Auskunft zu geben über Dinge, die eigentlich nicht auskunftspflichtig sind, und wenn die Allianz eigene Meldestellen einrichten will, um das mal so grob zu formulieren, dann kann sie erhebliche Probleme kriegen. Aber das Parteiengesetz verlangt ja nur, dass sie ein Statut hat, dass sie ein Programm vorlegt, dass sie eine Organisation hat, die auf Dauer ausgerichtet ist, also Landesverbände mit einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern erwartet werden, und das in einer demokratisch, oder dass innerparteilich demokratische Verhältnisse herrschen, die Art und Weise. Wer da drin auftaucht, das nicht, aber es muss ein Schiedsgericht da sein und dann kann dieses Schiedsgericht anfangen, solche Sachen zu behandeln, und dann dürfen sie eine ganze Menge vielleicht zu tun kriegen, schon ein Problem entstehen. Nur so, wie die Allianz sich gegenwärtig als Abgrenzung zur AfD repräsentiert, vermute ich, dass sie für rechtspopulistische bis rechtsextremistische Parteigänger nicht interessant ist.
    Zagatta: Der Politikwissenschaftler und Parteienforscher Gero Neugebauer war das aus Berlin. Herr Neugebauer, vielen Dank für die Einschätzung!
    Neugebauer: Gern geschehen, Herr Zagatta!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.