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Allein unter Männern
Frauenmangel in der IT-Branche

In der deutschen IT-Branche herrscht Frauenmangel. Gerade einmal 20 Prozent der IT-Studierenden sind weiblich. Experten machen hierfür alte Rollenbilder und eine fehlende Frühförderung an Schulen verantwortlich, um Mädchen für die Digitalisierung zu begeistern. Dabei wird das weibliche Potenzial dringend benötigt.

Von Jan Rähm | 19.01.2019
    Kopf einer Frau mit digitalen Daten
    Frauen sind in der IT noch immer in der Minderheit (imago / Nanette Hoogslag)
    Es ist nicht so, als gäbe es in der Geschichte der Computerentwicklung keine weiblichen Vorbilder. Im Gegenteil.
    Da war zum Beispiel die amerikanische Informatikerin Grace Hopper, die nach dem Zweiten Weltkrieg an den ersten Computern tüftelte und später Programmiersprachen entwickelte – im Dienst der US-Marine.
    Auch Ada Lovelace, eine britische Mathematikerin des 19. Jahrhunderts, wird wegen ihrer Arbeit mit Algorithmen immer wieder als frühe Visionärin für die Informatik genannt – auch wenn Historiker sich über ihre tatsächliche Bedeutung uneinig sind.
    Programmieren als typischer Frauenberuf
    In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, also in der Frühzeit der Computerentwicklung, war Programmieren sogar ein typischer Frauenberuf. Vielleicht auch deshalb, weil man das damals für eine leichte Bürotätigkeit hielt.
    Heute sind Frauen in IT-Berufen eine Seltenheit. Im Fach Informatik dominieren an deutschen Universitäten die Männer. Nicht einmal 20 Prozent der Studenten sind Frauen. Dieses Bild zeigt sich auch in anderen Technik-Fächern und –Berufen:
    "Es sind auf alle Fälle noch zu wenige Frauen insbesondere in den Ausbildungsberufen, aber auch im Studium und natürlich auch im Beruf – logisch, das folgt natürlich aufeinander", sagt Ursula Köhler. Sie ist promovierte Informatikerin. In der Gesellschaft für Informatik engagiert sie sich in der Fachgruppe "Frauen und Informatik".

    "Woran das liegt, ist natürlich eine schwierige Frage und hat sicherlich viele Dimensionen."
    Ein Grund, warum sich zu wenige Frauen für Informatik und IT-Berufe entscheiden, dürfte etwas mit Erziehung und Schulbildung zu tun haben.
    Ursula Köhler und auch viele andere Experten kritisieren, dass es noch immer das Vorurteil gebe, Technik sei nichts für Mädchen:
    "In Deutschland ist es sicherlich immer noch so, dass bereits in der Familie Jungs eher bestärkt werden, mit technischem Spielzeug umzugehen und Mädchen weniger", so Köhler. Dieser Effekt verstärke sich weiter. "Dann sind im Kindergarten überwiegend Kindergärtnerinnen, die nicht unbedingt die technische Begabung fördern und in der Schule geht es so weiter."
    Junge Lehrerin mit Schülerin im Mathematik-Unterricht | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
    In den sogenannten MINT-Berufen sind Frauen Mangelware (imageBROKER)
    Schlecht in Mathe: ein Kavaliersdelikt!
    So würden geschlechtstypische Rollenklischees immer weiter zementiert. Diese Beobachtung hat auch die Managerin Simone Menne gemacht, die in den Aufsichtsräten von vier Großunternehmen sitzt und junge Studentinnen als Mentorin betreut:
    "Ich glaube es fängt schon sehr früh an, weil häufig kleine Mädchen schon so sozialisiert werden."
    Man nehme einfach an, dass Mädchen in Sprachen und in Kommunikation besser seien als in IT oder in Mathe.
    "Und das wird dann zur selbst erfüllenden Prophezeiung. Wenn man nämlich Mädchen einredet, sie können kein Mathe oder sie haben kein logisches Verständnis, dann werden sie im Zweifelsfall auch keinen Spaß daran finden."
    Mädchen würden zu wenig für Technik, Informatik und Naturwissenschaften motiviert, findet auch Dorothee Bär. Die CSU-Politikerin ist Staatsministerin im Bundeskanzleramt und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung. "Es fängt schon in der Schule an", sagt Dorothee Bär. "Da ist es auch heutzutage immer noch üblich, Mädchen einzureden, dass Mathe für sie nicht so wichtig ist oder dass man auch damit kokettiert. Es gibt noch Textilunternehmen in Deutschland, die für Mädchen Shirts herstellen: ‚Mathe finde ich doof‘ oder ‚In Mathe bin ich doof‘."
    Diese Botschaft sei fatal, sagt Dorothee Bär:
    "Oft wird einem suggeriert, man könne es nicht, weil man meint, man müsse es nicht. Ganz ehrlich, es wird sich niemand damit brüsten, schlecht in Deutsch zu sein. Das wäre peinlich. Man sagt nie: ‚Ich bin schlecht in Deutsch‘ oder ‚Ich war schon in der Schule schlecht in Deutsch‘. Niemand sagt das. Bei Mathe ist es so ein Kavaliersdelikt und bei allen anderen naturwissenschaftlichen Fächern auch."
    Die Folge: Nur wenige Abiturientinnen entscheiden sich für ein Informatik-Studium. Laut einer Studie des Centrums für Hochschulentwicklung, kurz CHE, lag der Frauenanteil 2017 über alle Studiengänge der Informatik hinweg im europäischen Durchschnitt bei rund 18 Prozent. Spitzenreiter ist Irland mit 40 Prozent Studentinnen im Fach Informatik. Deutschland liegt mit knapp 17 Prozent unter dem Durchschnitt.
    Derei junge Inderinnen in Kalkutta schauen auf ihre Smartphones
    In Entwicklungs- und Schwellenländern ist das Interesse von Frauen an digitalen Themen weitaus höher als in Industriestaaten (dpa / EPA / Piyal Adhikary)
    Wenige Informatikerinnen in Industrieländern
    Der Frauenmangel in der Informatik – und auch in den anderen sogenannten MINT-Fächern wie Mathematik und Naturwissenschaften – ist ein weltweites Phänomen, wenn auch unterschiedlich stark ausgeprägt.
    "Es ist sehr interessant, dass es in anderen Ländern viel mehr Frauen in solchen Berufen gibt", sagt die Informatikerin Ursula Köhler. "Die Türkei ist so ein typisches Beispiel, wo es sehr viele Ingenieurinnen gibt. Warum ist das so? Ich meine, das sind teilweise traditionelle Gesellschaften, wo die Rolle der Frau im Vergleich zu uns wesentlich unfreier ist."
    Eine Beobachtung, die auch die Wissenschaft stützt. So beschäftigten sich die Psychologen Gijsbert Stoet von der britischen Leeds Beckett Universität und David C. Geary von der Universität Missouri in den USA mit dem sogenannten "Gender-Equality Paradox", dem Paradox der Gleichstellung der Geschlechter.
    Sie konnten zeigen, dass ausgerechnet in den Ländern, in denen die Gleichstellung von Mann und Frau weit fortgeschritten ist, sich relativ wenige Frauen für MINT-Berufe entscheiden, während es in Entwicklungs- und Schwellenländern oft genau umgekehrt ist.
    Besonders ausgeprägt ist dieses Paradox in den skandinavischen Ländern Finnland, Norwegen und Schweden. Das Gegenteil lässt sich etwa in der Türkei beobachten: Hier sind rund ein Drittel der Informatikabsolventen Frauen. Für Malaysia und den Oman liegen Zahlen für Ingenieure vor: 50 beziehungsweise sogar 53 Prozent davon sind Frauen.
    Eine Erklärung für diese Zahlen hat Digitalstaatsministerin Dorothee Bär. Eine MINT-Ausbildung sei eben verbunden mit einem Aufstiegsversprechen:
    "In Indien, im Iran oder im Irak, das sind Länder, wo Frauen tatsächlich merken, dass ihnen ein technisches Studium oder ein Studium der Informatik hilft, sich gesellschaftlich weiterzuentwickeln und im Leben voranzukommen. Das ist natürlich bei uns nicht so gegeben, weil wir da oft schon zu satt sind. Man muss nicht, um rauszukommen, unbedingt Informatik studieren."
    Schmuck, Blumen, Mode
    Auch die Forscher Stoet und Geary erklären das Gender-Equality-Paradox mit den Lebensbedingungen und den Aufstiegschancen der Frauen. Sie stellen die Hypothese auf, dass Frauen in Ländern mit schwach ausgeprägtem oder fehlendem Sozialsystem eher in gut bezahlte Jobs in IT und Forschung drängen, während Frauen in Ländern mit sozialer Absicherung eher individuellen beruflichen Interessen nachgehen – auch wenn diese weder Karriere noch hohes Einkommen versprächen.

    Digitalstaatsministerin Dorothee Bär von der CSU stimmt dieser These zu:
    Der Mousezeiger eines Computers zeigt  auf einer Seite des Internet-Handels von Amazon auf die Funktion Einkaufswagen
    Wenn Frauen Online-Start-ups gründeten, dann vor allem im sozialen und Dienstleistungsbereich, weniger im harten Hightech-Bereich (dpa / Carsten Rehder)
    "Selbst bei den Frauen, die jetzt in Start-ups tätig sind, die Start ups gründen, da stelle ich das auch ganz stark fest. Wie viele Frauen gehen denn so in DeepTech rein? Wie viele Frauen sind im FinTech Bereich? Wenn Frauen Start-ups machen, dann hat es oft so eine soziale Komponente oder eine Dienstleistungskomponente. Dann wird Schmuck verschickt, werden Blumen verschickt, geht es um Mode. Da geht es ganz selten um ganz harte Themen."
    Zu wenige Frauen studieren also Fächer der Informationstechnologie oder arbeiten in entsprechenden Berufen. Und: Es werden immer weniger. Untersuchungen zeigen etwa, dass zwischen 2000 und 2012 in Australien, Neuseeland, Südkorea und in den USA immer weniger Frauen einen Hochschulabschluss in Informatik erworben haben.
    Warum Frauen der Informatik den Rücken kehren
    Die Berlinerin Constanze Kurz hat Informatik studiert und in dem Fach auch promoviert:
    "Das war ein bisschen Zufall, ich habe erst Volkswirtschaftslehre studiert. Und da gab es mehrere interessante Computerkurse, dann habe ich gewechselt."

    Constanze Kurz gehört zu den bekanntesten Informatikerinnen in Deutschland. Sie ist Sprecherin des Chaos Computer Clubs, war Sachverständige am Bundesverfassungsgericht und in der Enquête-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Deutschen Bundestags.
    Als Informatik-Studentin war Constanze Kurz gerade zu Beginn ihres Studiums eine ziemliche Ausnahme. Oft war sie in den Vorlesungen mit nur zwei oder drei anderen Frauen allein unter Männern:
    Ein Portrait der Autorin Constanze Kurz
    Die Berlinerin Constanze Kurz gehört zu den bekanntesten Informatikerinnen Deutschalds (imago stock&people)
    "Es gab einzelne Kurse, wo wir auch mal mehr waren. Also ich war sogar mal in einer kleinen Arbeitsgruppe, wo wir zwei Frauen waren. Ich hatte aber später als Dozentin auch Seminare, wo keine einzige Studentin dabei war."
    Nach ihrer Zeit als Hochschul-Dozentin hat Constanze Kurz der Lehre vor einigen Jahren den Rücken gekehrt. Heute arbeitet sie vor allem als Redakteurin und Buchautorin.
    Dass Frauen nach dem Informatik-Studium ein Arbeitsfeld suchen, das nicht direkt mit Informatik zu tun hat, scheint nicht untypisch zu sein. Das beobachtet auch Frauensprecherin Ursula Köhler von der Gesellschaft für Informatik. Sie beschreibt das Beispiel einer Frau, die eine gute Position in einer großen Firma im IT-Sektor hatte. Diese habe
    "Immer wieder Aufgaben bekommen, für die sie eigentlich zu hoch qualifiziert gewesen sei: "Sie fühlte sich in dieser ganzen Welt nicht anerkannt mit ihrer fachlichen Kompetenz. Und dann hat sie irgendwann gesagt, ‚es reicht mir‘, und sie ist in einen Bereich gegangen, wo sie mehr journalistisch gearbeitet hat. Das ist ein relativ häufiger Weg, dass Frauen eher in die weicheren Aspekte gehen des Fachs."
    Grit Kohlmann will das nicht. Im Gegenteil. Die Berlinerin ist bereits Ingenieurin für Druck- und Medientechnik. Und sie wollte sich mit Unterstützung ihres Arbeitgebers in Richtung Informatik weiterqualifizieren. Doch manche Kollegen und auch Vorgesetzte runzelten die Stirn und fragten:
    "Was willst du mit Programmierung? Was willst du mit Java anfangen? Was willst du damit? Das brauchst du hier nicht. Und so werden dann viele Sachen abgebügelt. Es wird halt oft belächelt. Nicht ernst genommen. Und ich glaube, insgeheim haben viele auch ein bisschen Angst, dass Frauen da einfach cleverer mit umgehen und vielleicht auch weitsichtiger sind."
    Quote und Qualifikation
    Allein ist Grit Kohlmann mit dieser Einschätzung nicht. So belegt eine jüngst veröffentlichte Untersuchung der AllBright Stiftung unter anderem: Männer bevorzugen und fördern eher Männer. Die Stiftung engagiert sich für mehr Frauen und Diversität in den Führungspositionen der Wirtschaft.
    Grit Kohlmann hat ihren Arbeitgeber inzwischen verlassen und studiert heute im Onlinestudiengang Medieninformatik - kurz OSMI - an der Technischen Hochschule Brandenburg, die Teil des Verbunds Virtuelle Fachhochschule ist:
    "Ich bin dann auf den OSMI-Studiengang gekommen, weil er mir einfach die Flexibilität ermöglicht, die ich mit Präsenz-Studiengängen nicht hätte."
    Flexibilität und die Möglichkeit zur Selbstorganisation sind für Grit Kohlmann wichtig; sie hat zwei schulpflichtige Kinder. Auch andere Frauen finden diesen Aspekt offenbar attraktiv: Im Vergleich zu anderen Hochschulen ist die Frauenquote in den Informatik-Studiengängen des virtuellen Fachhochschulverbunds jedenfalls höher - teilweise um mehr als zehn Prozent.
    Beruf und Familie unter einen Hut bringen – das ist für viele Frauen wichtig. Fehlende Kinderbetreuung und unflexible Arbeitszeiten dürften deshalb wichtige Faktoren sein, warum die Zahl der Frauen in der IT-Branche so niedrig ist.
    Aufsichtsrätin Simone Menne:
    "Wenn Sie tatsächlich in Deutschland größeren Druck haben als Frau, sich um Familie zu kümmern, dann ist natürlich ein Homeoffice ein probates Mittel. Wohingegen es in Spanien, in Schweden, ganz normal ist, dass alle Frauen arbeiten und sie Kinderbetreuung haben, dass es kein Problem ist, wenn sie den Tag nicht da sind und erst abends dann tatsächlich sich um ihr Kind kümmern."
    Vorbilder für junge Frauen
    Simone Menne appelliert an die Politik: Alles, was Frauen von anspruchsvollen Jobs fernhält, müsse angegangen werden. Ein Dorn im Auge sind ihr unter anderem das Ehegattensplitting und auch die Mütterrente. Außerdem ruft sie Frauen dazu auf, sich zusammenzuschließen:
    "Bei Frauen wirkt es gut, wenn sie zum einen Rollenmodelle haben und zum anderen auch andere Frauen, mit denen sie sich darüber austauschen können", so Menne. "Aus meiner Sicht müssen wir auch da die Chancen schaffen. Da gibt es inzwischen viel mehr als in der Vergangenheit, dass Frauen, die sich dafür interessieren, eine Plattform haben, sich mit anderen Frauen darüber auszutauschen."
    Und es braucht Vorbilder, an denen sich Mädchen und junge Frauen orientieren können. Eine solche junge Frau – ganz an der Spitze und ein Vorbild – ist Fränzi Kühne. Sie erkannte 2008 die Zeichen der Zeit, brach ihr Jurastudium ab und gründete die Digitalagentur "Torben, Lucie und die gelbe Gefahr", kurz TLGG, die unter anderem Unternehmen in Sachen Digitalisierung berät.
    Mit nur 34 Jahren wurde Fränzi Kühne Aufsichtsrätin des Telekommunikationsunternehmens Freenet. Eine Zeit lang war sie Deutschlands jüngste Aufsichtsrätin.
    "Im Aufsichtsrat der Freenet zu sein, habe ich unter anderem deswegen angenommen, um Vorbild zu sein für junge Frauen", sagt Kühne. "Ich will Frauen zeigen, man muss nicht erst 50 werden, um in Spitzenpositionen zu kommen. Man muss nicht Business-Kostümchen tragen. Und deswegen mache ich das. Das ist ein Hauptgrund auf jeden Fall."
    Fränzi Kühne, Dorothee Bär, Ursula Köhler, Constanze Kurz, Simone Menne: Sie alle wollen junge Frauen ermuntern und motivieren, sich für eine Karriere in Wirtschaft, Informatik und Forschung zu entscheiden. Im Zweifel könnten auch Frauenquoten helfen:
    "Ich war immer gegen eine Frauenquote", sagt Fränzi Kühne. "Weil sich das so unnatürlich anfühlt und mir wird auch ganz oft gesagt, du bist als Quotenfrau in dieses Amt gekommen. Und das ist aber totaler Quatsch, weil die Freenet sich dazu entschieden hat. Klar müssen sie die Quote erfüllen, aber sie haben mich da rein geholt, weil sie Digitalisierungskompetenz haben wollen und jemanden, der sich damit auskennt. Und das ist der Hauptgrund und nicht, weil es die Frauenquote gibt."
    Die gibt es in Deutschland seit 2016 – zumindest für Aufsichtsräte. Bei Neubesetzungen müssen Unternehmen ab einer bestimmten Größe eine Frauenquote von 30 Prozent erreichen. Finden sich keine passenden Kandidatinnen, bleiben die Posten unbesetzt.
    Für die Quote hat auch Dorothee Bär gekämpft. Allerdings wäre es ihr lieber, wenn dieser Zwang überflüssig wäre:
    "Es ist nicht schön, aber es ist notwendig und solange es keine Selbstverständlichkeit ist und wir aber über die Hälfte der Bevölkerung stellen, aber nicht überall mit am Tisch sitzen können, solange brauchen wir das Ganze, weil mit Freiwilligkeit funktioniert gar nix."
    Quoten können helfen, den Frauenanteil zu erhöhen. Wenn sich allerdings von Anfang an zu wenige Frauen für eine technische Ausbildung oder ein Informatik-Studium entscheiden, bleibt die Auswahl der möglichen Kandidatinnen klein. Es muss sich also schon vorher etwas ändern.
    Schülerinnen und ihre Lehrerin beugen sich über ein Tablet
    Experten fordern, schon in der Grundschule Mädchen für IT-Themen zu begeistern (imago / Westend61)
    Eltern und Lehrer in der Pflicht
    Simone Menne appelliert an die Politik:
    "Wir müssen das Renten-Modell ändern, sodass jede Frau selber für ihre Rente arbeiten muss. Dann arbeitet sie auch und hat nicht, in Anführungsstrichen, den Druck im Zweifelsfall sich entscheiden zu müssen zwischen Familie und Beruf."
    Die CSU-Politikerin Dorothee Bär will vor allem in der Schulbildung ansetzen – hier liege der Schlüssel, um mehr Frauen in Informatik und IT zu bringen:
    "Wenn wir in den Grundschulen nicht damit beginnen, dann wird das Ganze nicht funktionieren, weil man nämlich die Mädchen auch noch abholt, wo sie ein ganz großes Interesse daran haben. Wenn man erst mit 13, 14 anfängt – da ist Digitalisierung der neueste Instagram-Filter. Aber da geht es dann nicht mehr um technisches Verständnis."
    Die Informatikerin Ursula Köhler sieht Politiker, Lehrer, Erzieher, aber auch Eltern in der Pflicht. Mädchen müssten ermuntert werden, ihr Potenzial für die MINT-Fächer auszuschöpfen – und das nicht nur in Kindergarten, Schule und zu Beginn des Studiums:
    "Man kann immer wieder nur die eigenen Stereotype und Vorurteile hinterfragen. Für mich fängt es wirklich in der Familie an, dass beide Geschlechter ihre Rollen überdenken und ihr Rollenverhalten ändern."
    Frauen für die Informatik begeistern: Das ist auch eine Strategie in Zeiten des Fachkräftemangels. Doch geht es auch um die weibliche Perspektive in Zukunftsbranchen wie etwa der Entwicklung künstlicher Intelligenz, kurz: KI.
    Weibliche und männliche Perspektiven
    Den Anteil an Frauen im Bereich KI hat das Weltwirtschaftsforum untersucht. Das Ergebnis: Nur 22 Prozent der KI-Fachleute weltweit sind Frauen. In Deutschland sind es sogar nur 16 Prozent - und das, obwohl Deutschland laut der Untersuchung das Land mit der insgesamt dritthöchsten Zahl an KI-Forschern und KI-Entwicklern ist.
    Der Mangel an weiblicher Perspektive in der Entwicklung künstlicher Intelligenz und anderer hochinnovativer Technologien könne dazu führen, dass Ungleichheiten und Diskriminierung sich in den Algorithmen verfestigten, schreiben die Autoren der Studie des Weltwirtschaftsforums. So würden unter anderem vor allem männliche Perspektiven in Programme Einzug finden.
    Die Autoren der Studie schreiben, es müsse sichergestellt werden,
    "dass neue KI-Systeme den Bedürfnissen der Gesellschaft im Allgemeinen dienen. Es ist von entscheidender Bedeutung, diese Tendenzen in dieser frühen Phase der professionellen Entwicklung für innovative Sektoren umzukehren und sicherzustellen, dass die Künstliche Intelligenz ein Bereich ist, der von Natur aus integrativ ist."
    Von Natur aus integrativ: Das klingt nach einem großen Ziel für die IT-Branche. Langfristig dürfte es aber wohl kaum möglich sein, auf die Arbeitskraft und Kreativität von Frauen in der Informatik zu verzichten.