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Alternative-Rock-Band Get Well Soon
Mit Glockenspiel und Bariton

Vor zehn Jahren hat der Biberacher Songwriter und Sänger Konstantin Gropper das erste Album eingespielt, zum Teil in seinem Schlafzimmer. Inzwischen ist Get Well Soon kein Soloprojekt mehr, sondern eine siebenköpfige Band. Gerade hat sie ihr fünftes Album aufgenommen. Pop und Indie-Rock mit Glockenspiel und Bariton, kurz "The Horror".

Von Kai Löffler | 21.04.2019
    Ein Mann im Anzug steht vor einem großem bunten Haufen Holzfiguren.
    Konstantin Gropper, Kopf von Get Well Soon (Clemens Fantur)
    Musik: "Martyrs"
    Konstantin Gropper: "Ich hab tatsächlich mit Get Well Soon so diesen Luxus mir erlaubt, zu sagen: Die Band geht in total verschiedene Richtungen."
    Sagt Konstantin Gropper, Kopf von Get Well Soon. Vor zehn Jahren hat der heute 35 Jahre alte Soundtüftler sein erstes Album veröffentlicht. Rest Now, Weary Head! You will Get Well Soon war ein überraschender Erfolg und hat Gropper quasi über Nacht zu einem Namen in der Alternative Rock-Szene gemacht.
    "Also wenn wir jetzt das neue Album spielen, dann wird das in Theatern und Konzerthäusern sein, vor bestuhltem Publikum, weil ich finde das Album in dieser Reinform vor stehendem Publikum in nem Rockclub zu spielen, ist auch eine Zumutung, aber andererseits haben wir auch mit anderen Alben schon in allen Rockclubs gespielt, wo es immer sich ein bisschen komisch angefühlt hat, vor Sitzpublikum zu spielen..."
    Eine überzeugende Live-Band
    Egal ob in der Rockkneipe oder in der Philharmonie, Get Well Soon sind eine überzeugende Live-Band. Sehr tight, mit viel Energie und sichtlich viel Spaß. Die Besetzung ist von Anfang an die Selbe. Neben Gitarre, Bass, Schlagzeug und Keys gibt es einen Trompeter, Konstantin Gropper selbst spielt Cello, seine Schwester spielt Geige; die Musiker rotieren außerdem zwischen verschiedenen Percussion-Instrumenten. Die fünf Alben - plus eine Handvoll EPs - klingen an der Oberfläche sehr verschieden, aber ein paar Elemente verbinden sie. Neben den verspielten Arrangements vor allem Groppers sonore Bariton-Stimme, die manchmal an Bowie oder Nick Cave erinnert.
    Musik: "Eulogy"
    Gropper ist bei Get Well Soon der alleinige Songwirter, arrangiert, spielt und produziert. Er ist nicht einfach nur Bandmitglied, er ist der Chef. So, dass die Namen der anderen Musiker nicht einmal auf der Website zu finden sind. Der gebürtige Schwabe stammt aus einem musikalischen Haushalt und obwohl Musik immer eine Hauptrolle in seinem Leben gespielt hat, war eine Zukunft als Rockmusiker nicht sein erklärtes Ziel.
    "Tatsächlich hab ich schon lang überlegt, auch irgendwie klassisch Musik zu studieren, weil das für mich so irgendwie das einzige war was ich dachte, das es gibt, das war zu dem Zeitpunkt, der da auch so, also diese Option zu sagen: Popmusik als Berufswahl war irgendwie überhaupt nicht auf meinem Schirm. Andererseits, um klassisch Musik zu studieren war ich immer viel zu faul. Bei klassischer Musik geht es ja schon ganz viel darum irgendwie über durch Üben zu so einer Perfektion zu gelangen, und das war überhaupt nie mein Ansatz beim Musikmachen, ich hab immer total ungern geübt und bin da bis heute irgendwie faul, ich wollt immer autodidaktisch an die Sache rangehen und eben irgendwie halt kreativ sein."
    Musik: "Roland I Feel You"
    Normalerweise steht das Arrangement eines Songs am Ende eines kreativen Prozesses, der mit einer Melodie, ein paar Akkorden, oder einem Text beginnt - nicht so bei Get Well Soon.
    "Tatsächlich schreib ich fast immer schon direkt, indem ich produziere. Also wenn ich sage ich hab produzieren angefangen mit elektronischer Musik, was ja so dieses berühmte Schichtverfahren ist, also dieses Layern von verschiedenen Sounds und sowas, dann ist das schon auch die Arbeit, die ich bis heute mache - also das heißt: Das Arrangement ist schon sehr früh Teil des Songs. Es ist selten so, dass ich wirklich mit der Gitarre da sitze und erstmal nen Song hab und dann alles drum herum baue, sondern ich hab schon so einen Fundus an Klängen und schon auch immer das Endergebnis im Sinn, wenn ich den Song schreibe. Ich mach das eigentlich immer eher andersrum. Wenn es dann fertig ist und dieses teilweise auch recht große Arrangement ist, dann probier ich am Schluss aus, ob der Song auch ohne das alles funktioniert. Das find ich ist immer ein ganz wichtiger und guter Test. Und erst dann finde ich, dass es auch ein Song ist."
    Musik: "We Are Free"
    "Tatsächlich leg ich immer relativ wenig Wert auf Live-Umsetzbarkeit, wenn ich Platten mach, das hab ich schon immer komplett getrennt, das liegt vielleicht auch daran, dass ich auf Platte Solo-Künstler bin und live ist es eine Band, weshalb ich da irgendwie gar nicht dran denke."
    So klingen die Songs von Get Well Soon live immer ein bisschen anders als auf Platte; manchmal etwas voller, manchmal reduziert, mal schneller, mal langsamer... Im Studio ist das mal Gitarre und Glockenspiel, mal Elektronik und mal ein kleines Orchester. Auf der Bühne dagegen hat Gropper bisher immer mit derselben achtköpfigen Band gespielt. Das neue Album "The Horror" plant er etwas anders umzusetzen.
    Mit einer Big Band auf die Bühne
    "Das ist ein sehr orchestrales Album, ich hab mir das jetzt aber so überlegt, dass auch bei den ersten zumindest großen Shows, wo sich das irgendwie rechnet, auch eine Big Band auf der Bühne steht, das heißt 14 Leute, und diese Streich- und Bläserarrangements auch gespielt werden - danach wird's aber dann schon auch drum gehen: Wie kriegt man das jetzt übersetzt auf so ein Clubkonzert, und da geht dann wieder eine neue Arbeit los. Find ich aber auch immer einen spannenden Prozess."
    Musik: "Nightmare No 1"
    Die Texte drehen sich um Albträume, mal klaustrophobisch, mal politisch. The Horror klingt orchestraler als seine Vorgänger, mehr nach Filmmusik. Außerdem erinnert es unter anderem an Chansons und an die Musik von Scott Walker - auch wenn Gropper zugibt, dass er dessen Stimme nicht mag. Aus seinen Inspirationsquellen macht er kein Geheimnis.
    Ein Mann sitz in einem Schaukelstuhl. Hinter ihm der Schriftzug Horror aus Ballons.
    Filme sind eine große Inspirationsquelle (ClementsFantur)
    "Das ist offensichtlich referenzielle Musik. (Nicht) Dass es irgendwie jetzt darum geht, dass ich hier Avantgarde mache und nach Klängen forsche, die niemals jemand vorher gehört hat, sondern mein Ansatz irgendwie innovativ zu sein ist genau zu sagen: Ich nehme Material, das es gibt, und kombiniere das vielleicht auf eine Art, die dann vielleicht irgendwie was Neues wird. Und das spielt natürlich auch sehr stark mit Assoziationen. Also das ist mir auch nur recht, wenn Leute denken: Ach, das klingt jetzt danach oder das erinnert mich irgendwie an das, ohne dass sie jetzt sofort sagen: Ah, das ist irgendwie geklaut oder so, sondern das soll halt eher Bilder auslösen, ich glaub so ein akustischer Deja-Vu-Moment ist das, was ich damit meine, was da bei mir zumindest auch immer ganz funktioniert."
    Musik: "The Horror"
    "Das heißt also, wenn ich ein Album anfange, dann steht bei mir die Frage: Was ist das Thema des Albums und was ist die musikalische Richtung ganz am Anfang, und dann recherchier ich mir da so einen Fundus auch musikalisch zusammen und... um mir das eben genau abzustecken, weil mir das auch wichtig ist, dass jedes Album so seinen eigenen Sound hat."
    Musik: "The Horror"
    Der Stil von Get Well Soon hat sich oft gewandelt, von traditionellerem Alternative zu Elektronik, zu melancholischen Orchesterklängen. Einer der größten Einflüsse des neuen Albums ist die Musik von Alfred Hitchcocks Filmen, vor allem die, die Bernard Herrmann geschrieben hat. Stellenweise klingt the Horror außerdem nach Filmmusik von Ennio Morricone und Henry Mancini.
    Film als Inspirationsquelle
    "Naja, Filme für mein Leben spielen schon ne große Rolle, würd ich sagen, also das ist sicher eine meiner größten Inspirationsquellen, und das ist auch so das Medium, mit dem ich neben der Musik eben am meisten anfangen kann, und auch Filmmusik ist offensichtlich ein großer Einfluss, mal abgesehen davon, dass es auch mein Nebenberuf ist, Filmmusik zu machen und das auch schon immer mein Traumberuf war. Meine Musik wird ja auch gerne als filmisch bezeichnet, das nehm ich dann auch gern als Kompliment, weil das soll so sein. Es soll eine bildhafte Musik sein."
    Musik: "Marienbad"
    Auch schon das letzte Album "Love" war durch ein Konzept verbunden. Wie der Titel ahnen lässt, die Liebe. Für Gropper ist ein Album mehr als einfach eine Klammer, Trägermedium für zehn Songs. Immer wieder heißt es, dass es in unserer Zeit nur noch um den Song geht, dass das Album ein überholtes Konzept ist. Alles nur heiße Luft, findet Konstantin Gropper.
    "Tatsächlich diese Frage, ob das jetzt ein anachronistisches Konzept ist, zu sagen man macht ein Album mit Thema und Konzept, also ein Album-Album, die hör ich öfter, mittlerweile seh ich das vielleicht sogar schon als Kampfansage. Andererseits ist es auch ein bisschen überbewertet, weil doch das Album immer noch das Format ist, über das gesprochen wird, oder? Künstler bringen Alben raus, da bin ich ja jetzt weiß Gott nicht der Einzige - kann schon sein, dass Künstler vielleicht mehr Wert drauf legen, dass da, ich sag mal, vielleicht so auskoppelbare Songs drauf sind."
    Musik: "Marienbad"
    "Also im Moment dieses Playlisten-Ding halt ich auch vielleicht für ne vorübergehende Phase. Ich will jetzt auch nicht so altklug klingen, aber ich mach das jetzt seit zehn Jahren, und jedes Mal, bei jedem Album ist was anderes, ne andere Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Jetzt im Moment sinds halt Playlisten, da muss man vielleicht auch mal ein bisschen die Beine still halten."
    Ein musikalischer Zick-Zack-Kurs
    Der Sound von Get Well Soon hat sich in fünf Alben radikal verändert. Es ist schwer von einer Evolution zu sprechen, weil die Entwickling nicht linear ist - eher ein musikalischer Zickzack-Kurs. Mal rockiger, mal akustischer, mal elektronischer und, auf dem aktuellen Album, mit viel Streich- und Blasinstrumenten. Das klingt im Studio - anders als auf der Bühne - nicht immer aus einem Guss, und auch Gropper hat zu den frühen Aufnahmen seines Projekts ein gebrochenes Verhältnis.
    "Tatsächlich hör ich natürlich auch selten meine Musik - manchmal muss ich das zwangsläufig machen. Also ich kann da schon noch was damit anfangen. Natürlich ist es einfach so, man würde es heute, also ich würde es anders machen, so ich denke zum Beispiel dann ständig: Das erste Album ist insgesamt einfach viel zu langsam, wenn ich auch überlege, dass wir lange noch Songs davon gespielt haben, und wenn ich das Album jetzt anhöre, das klingt, als wenn die Platte zu langsam läuft für mich."
    Musik: "We Are Safe Inside"
    "Das ist so ein Beispiel, wo ich denk so das hat irgendwie so einen ganz komischen... das ist fremd geworden auf eine Art. Aber wer weiß, vielleicht ist das ja auch der Reiz gewesen, damals. Man muss glaub ich da mit etwas Abstand und Selbstironie rangehen und sagen: So ja, aber hey, so war das halt damals."
    Tatsächlich bleibt das Debütalbum von Get Well Soon in Konzerten meistens außen vor. Manchmal spielen sie es einen Song, meistens aber gar keinen. Dafür ist der Sänger nicht alleine verantwortlich; er hat zwar im Studio die kreativen Fäden in der Hand, was dann aber auf der Bühne gespielt wird, will er nicht im Alleingang entscheiden.
    Mit Streichern und Glockenspiel
    "Die Set-Listen werden immer ausdiskutiert, die mach nicht ich, weil ich damit auch irgendwie so meine Probleme habe... und es gibt dann so Songs, wo die anderen dann immer sagen: Ey, nee, den haben wir jetzt wirklich immer gespielt, wo ich mir denke: So echt, wirklich - den haben wir immer gespielt? Aber ich glaub das ist ganz normal, bei fünf Alben und so und so vielen EPs und sowas, dass sich dann halt so'n paar rausstellen, die man dann halt immer wieder spielt... was dann gar nicht so unbedingt immer die Favoriten von mir oder der Band sind, sondern das ergibt sich einfach, dass die dann live funktionieren, aber es gibt auch so ein paar, auf die keiner in der Band mehr Bock hat, die zu spielen. Also was sozusagen unser erster kleiner Hit war, If This Hat is Missing I've Gone Hunting, das ist so ein Song, den glaub ich schon die Leute immer wieder hören wollen, gerade auf Festivals müssen wir den noch spielen, denkst Du so: Nee. Also irgendwie... nee. Aber vielleicht spielen wir ihn auch wieder. Also ich find den jetzt auch nicht scheiße, aber den haben wir einfach auch zu Tode gehört."
    Musik: "If this Hat is Missing"
    Die Texte von Get Well Soon sind in der Regel Diskurse über Philosophie, Politik, Literatur und Kino, immer mit einem Schuss Poesie. Groppers größte Angst ist, kreativ auf der Stelle zu treten, sich zu wiederholen. Und tatsächlich schafft er es seit zehn Jahren, sein Projekt immer wieder neu zu erfinden und damit relevant zu bleiben, ohne sich zu sehr dem Zeitgeschmack anzubiedern. The Horror ist ihr bisher überzeugendstes und in sich stimmigstes Album. Der Sound der Band fluktuiert zwischen Lambchop und Radiohead, oft mit Streichern und Glockenspiel; so haben sich Get Well Soon eine komfortable Nische geschaffen - und eine Fangemeinde, die verlässlich zu ihren Konzerten erscheint. Sicher auch, weil es ihnen gelingt, auf der Bühne gleichzeitig verspielt und leidenschaftlich aufzutreten. Ernst, und trotzdem nicht ohne Selbstironie. Wie lange das noch funktionieren kann? Darauf hat Konstantin Gropper keine Antwort.
    "Oje. Also ich bin grundsätzlich jemand, der so ein bisschen diese Frage verdrängt. Wo seh ich mich in der weiteren Zukunft. Muss ich sagen. Grundsätzlich wär ich natürlich froh und dankbar, wenn ich noch ne Weile das so weitermachen kann wie bisher, weil ich glaub ich da für mich so n sehr gutes Level gefunden habe an Bekanntheitsgrad aber trotzdem irgendwie künstlerischer Freiheit... also ich weiß es nicht, wie lange man das machen kann, auf der Bühne stehen. Ich hab schon tolle Konzerte von alten Musikern gesehen und ich hab schon furchtbare Oldie-Shows gesehen, also da muss man schon aufpassen. Aber ich hoffe, ich habe dann später irgendwie Leute, die mir sagen: Ey, lass es lieber."
    Musik: "It's A Catalogue"