Jasper Barenberg: Wie viel Spielraum es überhaupt gibt, um kleine und mittlere Einkommen zu entlasten, wie es die Koalition für 2013 verspricht, und um Sozialabgaben zu senken, das alles soll heute nicht entschieden werden, sondern erst im Herbst. Heute will das Kabinett nur beschließen, dass die Entlastungen kommen sollen. Weil die Wirtschaft brummt, scheint das möglich. Aber auch im eigenen politischen Lager sind längst nicht alle überzeugt.
Am Telefon begrüße ich den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag. Einen schönen guten Morgen, Peter Altmaier.
Peter Altmaier: Guten Morgen, Herr Barenberg.
Barenberg: Herr Altmaier, nahezu einhellig werden die angekündigten Entlastungen abgelehnt, ein Geschenk offenbar, das niemand haben will. Haben Sie damit gerechnet?
Altmaier: Ich habe den Eindruck, dass sich die Diskussion bereits zu ändern beginnt, weil immer mehr realisiert wird, dass wir eben nicht einfach eine Steuersenkung machen, sondern dass wir ein durchdachtes Konzept haben, dass wir auf der einen Seite natürlich dem Wunsch des Koalitionspartners entgegenkommen, auch bei Steuern etwas zu korrigieren, auf der anderen Seite aber für ein Konzept sorgen, dass möglichst vielen, vor allen Dingen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, zugutekommt und das vor allen Dingen auch seriös finanziert ist. Das ist ja der Grund, warum wir diese Maßnahmen erst zum 1. Januar 2013 in Kraft setzen und warum wir über Volumen und Einzelheiten erst im Herbst entscheiden, wenn wir neue Zahlen zur Wirtschaftsentwicklung haben, wenn wir die Handlungsspielräume besser überschauen können.
Barenberg: Und das heißt dann, Herr Altmaier, und läuft darauf hinaus, dass Sie auf der einen Seite entlasten, das lässt mehr Geld im Portemonnaie und das nehmen Sie dann auf der anderen Seite wieder hinaus, indem Sie Einsparungen vornehmen oder Leistungen kürzen?
Altmaier: Deutschland befindet sich im Augenblick in einer ausgesprochen robusten Aufschwungphase. Das ist das höchste Wachstum, was es seit vielen, vielen Jahren, vermutlich seit der Wiedervereinigung gegeben hat. Und das bedeutet einerseits, dass nicht nur mehr Geld in die Kassen kommt, es bedeutet aber andererseits auch, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur deshalb höhere Steuern zahlen müssen, weil ihre Einkommen entsprechend der Inflation steigen. Das nennt man kalte Progression, und ich finde, es ist nicht mehr als richtig, wenn man dafür sorgt, dass es hier einen Ausgleich gibt.
Der zweite Punkt ist: Wir haben in Deutschland einen Zuwachs an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, wie es ihn zu Zeiten der rot-grünen Koalition nicht gegeben hat. Es entstehen Hunderttausende von Arbeitsplätzen neu. Und das heißt, dass auch die Sozialkassen in einer besonders erfreulichen Weise ihre Finanzen stabilisiert haben. Deshalb kann man auch darüber reden, wie man dort, wo das Umlageverfahren praktiziert wird, auch in diesem Bereich zu Entlastungen kommen kann. Und das gibt zusammen mit den notwendigen Sparmaßnahmen, die für uns eine ganz besondere Priorität haben, weil wir die Schuldenbremse einhalten wollen, einen Dreiklang aus Haushaltskonsolidierung einerseits, aus steuerlichen Korrekturen andererseits und aus gerechten Veränderungen und Anpassungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen zum Dritten. Das ist etwas ganz anderes als die plakative Forderung nach Steuersenkungen, die von einigen kritisiert wird. Im Übrigen: Die Opposition tut sich schwer mit diesem Angebot, denn Kurt Beck, der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, hat gestern immerhin innerhalb von 60 Minuten zweimal seine Auffassung geändert.
Barenberg: Und am Ende stand der Vorschlag, man könne über eine Entlastung für die unteren Einkommensschichten sprechen, sofern man die Reichen, die Vermögenden stärker besteuert, also den Spitzensteuersatz nach oben schraubt. Können Sie sich damit anfreunden?
Altmaier: Nun, es wäre völlig falsch, jetzt über Details zu reden.
Barenberg: Warum wäre das falsch?
Altmaier: Aber dass Herr Beck solche akrobatischen Argumentationsfiguren vollführt, das zeigt ja, dass wir auch die Opposition und die SPD unter Argumentations- und Rechtfertigungsdruck gesetzt haben mit unseren Vorschlägen. Wir haben einen ganz klaren Fahrplan. Wir haben entschieden über das Prinzip, wir haben festgelegt, wann was gemacht wird, und wir werden im Herbst dann über die Einzelheiten entscheiden, und da wäre es jetzt völlig falsch, sich für das eine, oder für das andere festzulegen. Wir sagen nur, es muss eine Gesamtlösung sein, die möglichst vielen Menschen in Deutschland zugutekommt und dabei insbesondere auch den unteren und mittleren Einkommensgruppen.
Barenberg: Sie wollen sich die Details für den Herbst aufsparen. Aber das Prinzip, dass jede Erleichterung auf der anderen Seite gegenfinanziert werden muss durch Kompensation beispielsweise für die Länder, daran wollen Sie heute schon festhalten?
Altmaier: Ich habe gestern schon gesagt, dass wir ein Interesse daran haben, auch das Gespräch mit den Ländern zu suchen zu gegebener Zeit. Es ist ja nicht so, dass es im Bundesrat eine eindeutige Mehrheit für Regierung oder Opposition geben würde, sondern im Bundesrat werden Entscheidungen getroffen von Fall zu Fall, und das ist aus meiner Sicht auch eine gute Voraussetzung dafür, dass wir zu Ergebnissen kommen können. Sie haben gesehen beim Thema Atomausstieg, dass es möglich war, mit allen Bundesländern partei- und länderübergreifend zu einem Konsens zu kommen, und ich bin überzeugt, dass bei so einem wichtigen Thema wie Steuern sparen und Sozialabgaben es ebenfalls möglich sein wird, einen breiten Konsens zu erzielen.
Barenberg: Nun wird ja niemand etwas dagegen haben, die kalte Progression zu bekämpfen - Sie haben das erwähnt -, oder die Sozialabgaben zu senken. Auf der anderen Seite stehen eben die Pflichten und die Risiken, und die sind gewaltig: die Schuldenbremse, Griechenland-Hilfe wird auf den Etat durchschlagen, die Energiewende wird ein teures Projekt, die Bundeswehrreform wird teurer als gedacht. Bleibt es nicht im Grunde dabei, dass es keinen Spielraum gibt für Erleichterungen, Entlastungen in größerem Umfang?
Altmaier: Wir haben ja gesagt, dass wir den Spielraum im Herbst ausloten wollen, und das ist das, was seriös zum jetzigen Zeitpunkt gesagt werden kann. Aber Tatsache ist ja, dass trotz der einen oder anderen Mehrbelastung, die Sie genannt haben, insgesamt sich die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden erfreulich positiv entwickelt haben. Das ist bei konjunkturellen Erholungsphasen immer so. Und das heißt, wir müssen dann entscheiden, wie wir mit diesen Spielräumen umgehen. Wir haben als CDU/CSU eine ganz klare Grundsatzentscheidung schon nach der Bundestagswahl getroffen, und das war, dass wir gesagt haben, die Einhaltung der Schuldenbremse hat Priorität. Wir wollen auf jeden Fall sicherstellen, dass wir im Jahre 2016 die Schuldenbremse einhalten. Wir sind auf einem guten Weg, viel besser, als alle vorausgesagt haben. Und dann sagen wir zweitens: Wenn es möglich ist, unter Einhaltung der Schuldenbremse gleichwohl auch noch den Menschen einen Teil von dem zurückzugeben, was ihnen durch Preissteigerungen und durch Lohnzuwächse genommen worden ist, kalte Progression, dann kann die Politik das nicht nur tun, sondern dann sollte sie es auch tun, damit die Menschen auch den Eindruck haben, dass sie für ihre Arbeit nicht bestraft werden, sondern dass dies anerkannt wird.
Barenberg: Und all diese Vorbehalte, Herr Altmaier, haben am Ende zur Konsequenz, dass möglicherweise alles auch beim Alten bleibt?
Altmaier: Nein, das glaube ich ehrlich gesagt nicht, weil wir im Augenblick sehr robuste Wachstumszahlen haben. Einige Institute prophezeien bereits ein Wachstum von rund vier Prozent, das wäre sensationell. Ich möchte auch nicht so weit gehen, mit Zahlen zu hantieren, aber Tatsache ist: Deutschland ist im Augenblick Wachstumsmotor in der Europäischen Union und weltweit, und dieses Wachstum ist offenbar so robust, dass es auch die nächsten Monate anhält.
Barenberg: Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag im Gespräch im Deutschlandfunk. Vielen Dank, Peter Altmaier.
Altmaier: Ich danke Ihnen.
Am Telefon begrüße ich den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag. Einen schönen guten Morgen, Peter Altmaier.
Peter Altmaier: Guten Morgen, Herr Barenberg.
Barenberg: Herr Altmaier, nahezu einhellig werden die angekündigten Entlastungen abgelehnt, ein Geschenk offenbar, das niemand haben will. Haben Sie damit gerechnet?
Altmaier: Ich habe den Eindruck, dass sich die Diskussion bereits zu ändern beginnt, weil immer mehr realisiert wird, dass wir eben nicht einfach eine Steuersenkung machen, sondern dass wir ein durchdachtes Konzept haben, dass wir auf der einen Seite natürlich dem Wunsch des Koalitionspartners entgegenkommen, auch bei Steuern etwas zu korrigieren, auf der anderen Seite aber für ein Konzept sorgen, dass möglichst vielen, vor allen Dingen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, zugutekommt und das vor allen Dingen auch seriös finanziert ist. Das ist ja der Grund, warum wir diese Maßnahmen erst zum 1. Januar 2013 in Kraft setzen und warum wir über Volumen und Einzelheiten erst im Herbst entscheiden, wenn wir neue Zahlen zur Wirtschaftsentwicklung haben, wenn wir die Handlungsspielräume besser überschauen können.
Barenberg: Und das heißt dann, Herr Altmaier, und läuft darauf hinaus, dass Sie auf der einen Seite entlasten, das lässt mehr Geld im Portemonnaie und das nehmen Sie dann auf der anderen Seite wieder hinaus, indem Sie Einsparungen vornehmen oder Leistungen kürzen?
Altmaier: Deutschland befindet sich im Augenblick in einer ausgesprochen robusten Aufschwungphase. Das ist das höchste Wachstum, was es seit vielen, vielen Jahren, vermutlich seit der Wiedervereinigung gegeben hat. Und das bedeutet einerseits, dass nicht nur mehr Geld in die Kassen kommt, es bedeutet aber andererseits auch, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nur deshalb höhere Steuern zahlen müssen, weil ihre Einkommen entsprechend der Inflation steigen. Das nennt man kalte Progression, und ich finde, es ist nicht mehr als richtig, wenn man dafür sorgt, dass es hier einen Ausgleich gibt.
Der zweite Punkt ist: Wir haben in Deutschland einen Zuwachs an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, wie es ihn zu Zeiten der rot-grünen Koalition nicht gegeben hat. Es entstehen Hunderttausende von Arbeitsplätzen neu. Und das heißt, dass auch die Sozialkassen in einer besonders erfreulichen Weise ihre Finanzen stabilisiert haben. Deshalb kann man auch darüber reden, wie man dort, wo das Umlageverfahren praktiziert wird, auch in diesem Bereich zu Entlastungen kommen kann. Und das gibt zusammen mit den notwendigen Sparmaßnahmen, die für uns eine ganz besondere Priorität haben, weil wir die Schuldenbremse einhalten wollen, einen Dreiklang aus Haushaltskonsolidierung einerseits, aus steuerlichen Korrekturen andererseits und aus gerechten Veränderungen und Anpassungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen zum Dritten. Das ist etwas ganz anderes als die plakative Forderung nach Steuersenkungen, die von einigen kritisiert wird. Im Übrigen: Die Opposition tut sich schwer mit diesem Angebot, denn Kurt Beck, der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, hat gestern immerhin innerhalb von 60 Minuten zweimal seine Auffassung geändert.
Barenberg: Und am Ende stand der Vorschlag, man könne über eine Entlastung für die unteren Einkommensschichten sprechen, sofern man die Reichen, die Vermögenden stärker besteuert, also den Spitzensteuersatz nach oben schraubt. Können Sie sich damit anfreunden?
Altmaier: Nun, es wäre völlig falsch, jetzt über Details zu reden.
Barenberg: Warum wäre das falsch?
Altmaier: Aber dass Herr Beck solche akrobatischen Argumentationsfiguren vollführt, das zeigt ja, dass wir auch die Opposition und die SPD unter Argumentations- und Rechtfertigungsdruck gesetzt haben mit unseren Vorschlägen. Wir haben einen ganz klaren Fahrplan. Wir haben entschieden über das Prinzip, wir haben festgelegt, wann was gemacht wird, und wir werden im Herbst dann über die Einzelheiten entscheiden, und da wäre es jetzt völlig falsch, sich für das eine, oder für das andere festzulegen. Wir sagen nur, es muss eine Gesamtlösung sein, die möglichst vielen Menschen in Deutschland zugutekommt und dabei insbesondere auch den unteren und mittleren Einkommensgruppen.
Barenberg: Sie wollen sich die Details für den Herbst aufsparen. Aber das Prinzip, dass jede Erleichterung auf der anderen Seite gegenfinanziert werden muss durch Kompensation beispielsweise für die Länder, daran wollen Sie heute schon festhalten?
Altmaier: Ich habe gestern schon gesagt, dass wir ein Interesse daran haben, auch das Gespräch mit den Ländern zu suchen zu gegebener Zeit. Es ist ja nicht so, dass es im Bundesrat eine eindeutige Mehrheit für Regierung oder Opposition geben würde, sondern im Bundesrat werden Entscheidungen getroffen von Fall zu Fall, und das ist aus meiner Sicht auch eine gute Voraussetzung dafür, dass wir zu Ergebnissen kommen können. Sie haben gesehen beim Thema Atomausstieg, dass es möglich war, mit allen Bundesländern partei- und länderübergreifend zu einem Konsens zu kommen, und ich bin überzeugt, dass bei so einem wichtigen Thema wie Steuern sparen und Sozialabgaben es ebenfalls möglich sein wird, einen breiten Konsens zu erzielen.
Barenberg: Nun wird ja niemand etwas dagegen haben, die kalte Progression zu bekämpfen - Sie haben das erwähnt -, oder die Sozialabgaben zu senken. Auf der anderen Seite stehen eben die Pflichten und die Risiken, und die sind gewaltig: die Schuldenbremse, Griechenland-Hilfe wird auf den Etat durchschlagen, die Energiewende wird ein teures Projekt, die Bundeswehrreform wird teurer als gedacht. Bleibt es nicht im Grunde dabei, dass es keinen Spielraum gibt für Erleichterungen, Entlastungen in größerem Umfang?
Altmaier: Wir haben ja gesagt, dass wir den Spielraum im Herbst ausloten wollen, und das ist das, was seriös zum jetzigen Zeitpunkt gesagt werden kann. Aber Tatsache ist ja, dass trotz der einen oder anderen Mehrbelastung, die Sie genannt haben, insgesamt sich die Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden erfreulich positiv entwickelt haben. Das ist bei konjunkturellen Erholungsphasen immer so. Und das heißt, wir müssen dann entscheiden, wie wir mit diesen Spielräumen umgehen. Wir haben als CDU/CSU eine ganz klare Grundsatzentscheidung schon nach der Bundestagswahl getroffen, und das war, dass wir gesagt haben, die Einhaltung der Schuldenbremse hat Priorität. Wir wollen auf jeden Fall sicherstellen, dass wir im Jahre 2016 die Schuldenbremse einhalten. Wir sind auf einem guten Weg, viel besser, als alle vorausgesagt haben. Und dann sagen wir zweitens: Wenn es möglich ist, unter Einhaltung der Schuldenbremse gleichwohl auch noch den Menschen einen Teil von dem zurückzugeben, was ihnen durch Preissteigerungen und durch Lohnzuwächse genommen worden ist, kalte Progression, dann kann die Politik das nicht nur tun, sondern dann sollte sie es auch tun, damit die Menschen auch den Eindruck haben, dass sie für ihre Arbeit nicht bestraft werden, sondern dass dies anerkannt wird.
Barenberg: Und all diese Vorbehalte, Herr Altmaier, haben am Ende zur Konsequenz, dass möglicherweise alles auch beim Alten bleibt?
Altmaier: Nein, das glaube ich ehrlich gesagt nicht, weil wir im Augenblick sehr robuste Wachstumszahlen haben. Einige Institute prophezeien bereits ein Wachstum von rund vier Prozent, das wäre sensationell. Ich möchte auch nicht so weit gehen, mit Zahlen zu hantieren, aber Tatsache ist: Deutschland ist im Augenblick Wachstumsmotor in der Europäischen Union und weltweit, und dieses Wachstum ist offenbar so robust, dass es auch die nächsten Monate anhält.
Barenberg: Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag im Gespräch im Deutschlandfunk. Vielen Dank, Peter Altmaier.
Altmaier: Ich danke Ihnen.