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Altmaier versichert, "dass die Union geschlossen zu Wolfgang Schäuble steht"

Schäubles Stil gegenüber Mitarbeitern sei von "großem Respekt und Verständnis" geprägt, sagt Peter Altmaier, ehemals dessen Staatssekretär. Auf dem CDU-Parteitag möchte er lieber über andere Themen reden und Geschlossenheit zeigen.

Peter Altmaier im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Martin Zagatta: Wenige Monate vor wichtigen Landtagswahlen kommt die Union nicht aus dem Meinungstief. Da sollte der Parteitag der CDU, der morgen Abend bzw. am Montag Morgen in Karlsruhe beginnt, eine Wende einleiten. Jetzt aber droht das ganze Treffen von dem Eklat um Wolfgang Schäuble überschattet zu werden, von Spekulationen über den Abschied des Finanzministers. Peter Altmaier ist am Telefon, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion. Guten Morgen, Herr Altmaier!

    Peter Altmaier: Guten Morgen, Herr Zagatta!

    Zagatta: Herr Altmaier, auch wenn Sie jetzt Wolfgang Schäuble vehement verteidigen werden, droht der Streit um seine Person Ihnen den Parteitag zu verhageln?

    Altmaier: Nein, das glaube ich nicht. Wir haben uns auf diesen Parteitag lange vorbereitet. Es gab, wie Sie wissen, im ersten Halbjahr des Jahres einige Form- und Anlaufschwierigkeiten der Koalition, aber in den letzten Wochen und Monaten haben wir doch deutlich erkennbar Tritt gefasst, die Umfragen werden besser. Angela Merkel hat gerade bei dem G20-Treffen in Seoul einen großen Erfolg für Europa und auch für Deutschland errungen, und ich glaube, dass sich das auf die Stimmung auf dem Parteitag niederschlagen wird. Es wird ein Parteitag werden, wo der Wille und die Geschlossenheit der Union zur Gestaltung der Politik in Deutschland sehr erkennbar wird.

    Zagatta: Aber wollen Sie uns glauben machen, dass die Art und Weise, wie Wolfgang Schäuble seinen Sprecher abgekanzelt hat, dass das nur politische Gegner und Journalisten vielleicht auch empört, dass man in der Union daran keinen Anstoß nimmt?

    Altmaier: Es wird sicherlich über vieles Debatten geben auf dem Parteitag, und alle, die sich politisch betätigen, wissen, dass sie mit ihrem Handeln auch in der öffentlichen Kritik stehen. Aber Wolfgang Schäuble hat als Finanzminister in den letzten Monaten Epochales geleistet. Wir werden in der nächsten Sitzungswoche einen Haushalt verabschieden, der den Übergang zur Spar- und soliden Finanzpolitik unumkehrbar macht. Es ist ihm gelungen, die Neuverschuldung innerhalb weniger Monate um über ein Drittel zurückzuführen, deshalb werden Sie erleben, dass Wolfgang Schäuble auf diesem Parteitag nicht nur die Unterstützung der Delegierten hat, sondern dass seine Politik dort auch ausdrücklich bestätigt wird.

    Zagatta: Aber diese Politik kommt ja gar nicht so richtig durch, die wird ja im Moment überschattet durch diese Diskussionen um seine Person. Rauswerfen wird ihn die Kanzlerin sicher nicht, kann sie auch gar nicht, aber halten Sie es denn für so abwegig, dass Schäuble in den nächsten Wochen oder Monaten seinen Abschied erklärt?

    Altmaier: Wissen Sie, Herr Zagatta, wir sollten als Politiker, die wir auch eine gewisse Verantwortung haben, uns an derartigen Spekulationen nicht beteiligen, weil ich glaube, dass sich die Menschen und die Bürger eher interessieren für die politisch inhaltlichen Fragen, um die es geht. Das heißt, wie geht es weiter mit der Arbeitslosigkeit, mit dem Wirtschaftswachstum, mit der Lohn- und Gehaltsentwicklung, werden wir genug Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen können – das sind die inhaltlichen Fragen. Und die Erfahrung aus den letzten zehn, 15 Jahren Politik hat gezeigt, dass die Parteien gewählt werden, die sich mit diesen Fragen beschäftigen, und nicht diejenigen, die sich Diskussionen aufdrängen lassen über Fragen, die bei allem Verständnis, dass sie gestellt werden, dennoch nicht zu den Hauptschwerpunkten unserer Politik gehören dürfen.

    Zagatta: Aber wenn Sie heute in die Zeitungen schauen, dann stellt sich das ja schon anders dar. Finden Sie es denn in Ordnung – und das wird doch der eine oder andere in Ihrer Partei sich auch fragen –, finden Sie es in Ordnung, dass sich Wolfgang Schäuble bis heute weigert, sich zu entschuldigen? Ein ausgekochter Politprofi wie er weiß doch, wie so etwas wirkt.

    Altmaier: Nun, er hat ja bereits vor acht Tagen zu diesem Ereignis in einer großen Sonntagszeitung Stellung genommen, er hat das gestern bei Ihnen im Deutschlandfunk noch einmal bekräftigt …

    Zagatta: Aber er hat sich ausdrücklich nicht entschuldigt.

    Altmaier: Ja, ich finde, dass man Politiker, führende Politiker zumal, auch im Hinblick auf ihr Verhalten insgesamt beurteilen muss. Und ich war vier Jahre der Staatssekretär von Wolfgang Schäuble im Bundesinnenministerium, und ich kann Ihnen sagen, sein Umgang mit Mitarbeitern, soweit ich es beobachten kann, war ein sehr beispielhafter, der von großem Respekt und Verständnis geprägt war. Und deshalb kann ich Ihnen sagen, weil wir Wolfgang Schäuble in vielen unterschiedlichen Führungsfunktionen erlebt haben, dass die Union geschlossen zu Wolfgang Schäuble steht, auch weil wir glauben, dass er ein ganz exzellenter Finanzminister ist.

    Zagatta: Und wenn Sie so einen guten Draht zu ihm haben, können Sie ihm dann auch nicht raten, sich da zu entschuldigen?

    Altmaier: Wir sollten erstens Ratschläge nicht öffentlich austauschen. Zweitens hat Wolfgang Schäuble aufgrund seiner Erfahrung in den letzten Jahren immer wieder bewiesen, dass er zum gegebenen Zeitpunkt richtig handelt, und deshalb verbietet es sich auch, dass ein parlamentarischer Geschäftsführer oder wer auch immer in der Union ihm öffentliche Ratschläge erteilt. Ich bin fest davon überzeugt, dass Wolfgang Schäuble die richtigen Entscheidungen trifft, und ich bin vor allen Dingen davon überzeugt, dass er unser Land voranbringt.

    Zagatta: Aber daran gibt es ja in der Öffentlichkeit auch große Zweifel. Laut ZDF-Politbarometer von gestern Abend halten 56 Prozent der Deutschen den Vorwurf für richtig, die Bundesrepublik betreibe eine unsoziale Sparpolitik. Das muss Ihnen doch auch zu denken geben.

    Altmaier: Natürlich wäre es uns lieber, wenn die Zahlen umgekehrt wären, andererseits ist es so, dass wir tatsächlich Sparpolitik betreiben, und das findet in vielen Bereichen statt. Wir können den Bereich der Sozialpolitik davon nicht ausnehmen. Wir haben aber einen sehr ausgeglichenen Sparhaushalt vorgelegt, das wird anerkannt, mit Belastungen auch für Besserverdienende, mit Belastungen auch für Unternehmen. Und deshalb sage ich, eine Partei, die regiert, die das Land führt, muss auch den Mut haben, durch ein Tal geringerer Popularität zu gehen, wenn sie von der Richtigkeit ihrer Politik überzeugt ist. Und gerade in den letzten Wochen – schauen Sie, gestern Politbarometer Deutschlandtrend an – sind die Umfragewerte für die Union langsam wieder besser geworden, Angela Merkel hat hervorragende Umfragewerte nach wie vor.

    Und das belegt, dass die Menschen sehen, es geht voran, es werden Entscheidungen getroffen. Wir werden nächste Woche den Haushalt verabschieden, wir haben das Sparpaket bereits verabschiedet, wir beschäftigen uns mit der Reform von Hartz IV, wir haben ein zukunftsweisendes Energiepaket verabschiedet, wir werden die Bundeswehr neu gestalten – das heißt, es wird auf allen Ebenen sichtbar, dass die Arbeit dieser Regierung Gestalt annimmt und das Land nach vorne bringt. Und deshalb vertraue ich darauf, dass zum Ende des Jahres die Umfragewerte wieder besser werden.

    Zagatta: Müssten Sie auch, denn die Umfragen, auf die Sie sich beziehen, die stagnieren ja, also 33 Prozent beim ZDF, 31 bei der ARD, das heißt, Sie verharren bei 32 Prozent. Wie erklären Sie sich denn, dass die CDU so abgestürzt ist?

    Altmaier: Nun, wir haben bei allen Regierungen, die ihre Arbeit aufnehmen, den Effekt, dass es zunächst einmal Enttäuschungen gibt, dass es nicht schneller geht und dass nicht sofort alle Probleme gelöst sind. Da muss man auch Nerven haben, das muss man aushalten können. Für uns ist doch entscheidend, dass selbst in einem Augenblick, wo viele sagen, die Umfragewerte der Union könnten eigentlich besser sein, noch besser sein, der Abstand zur SPD immer noch beachtlich ist und in den letzten Wochen wieder größer geworden ist.

    Zagatta: Aber die Regierung hat keine Mehrheit mehr.

    Altmaier: Das ist richtig. Aber die Mehrheit, das war auch schon bei Gerhard Schröder so, muss man haben, wenn Wahlen stattfinden, das ist entscheidend. Wir dürfen nicht den Fehler machen, jeden Tag nach Umfragen zu schielen. Und wenn Sie sehen, dass die Sozialdemokraten trotz aller Fehler und Probleme der Koalition im ersten Halbjahr immer noch bei Werten um 25 Prozent herumdümpeln, dann muss man feststellen, so schlecht sind die Zahlen der CDU nicht, und sie sind dabei, sich zu verbessern. Wir haben im Übrigen bei den Politikern, die die Union nach außen repräsentieren, wirklich gute Noten für Ursula von der Leyen, für Angela Merkel, für Karl-Theodor zu Guttenberg, das zeigt im Übrigen, dass die Menschen in unsere Führungspersönlichkeiten mit das größte Vertrauen haben.

    Zagatta: In die Führungspersönlichkeiten, aber nicht so recht in die Politik. Bei wem müssen Sie denn jetzt – auch mit Blick auf Ihren Parteitag, bei einer Ausrichtung –, bei wem müssen Sie denn Vertrauen zurückgewinnen? Es heißt ja, Ihr konservativer Flügel wird schwächer. Ist das ein Thema?

    Altmaier: Es ist ein Thema, dass wir unsere programmatischen Grundlagen insgesamt stärken wollen, und deshalb wird dieser Parteitag erstens ein Signal der Geschlossenheit aussenden müssen, er wird zweitens – und das halte ich für ganz wichtig – auch ein Signal der Seriosität aussenden. Das heißt, die Ernsthaftigkeit, mit der wir uns mit programmatischen Fragen beschäftigen, die wird sehr genau nach außen verfolgt werden. Ein Thema ist das Thema der sogenannten Präimplantationsdiagnostik, da geht es um grundlegende Fragen von Leben und Lebensschutz. Und die Öffentlichkeit, ganz egal, wie der Standpunkt im Einzelnen ist, wird sehr genau verfolgen, mit welcher Ernsthaftigkeit wir uns diesem Thema widmen.

    Es gibt darüber hinaus eine Debatte über das Thema Wehrpflicht, Aussetzung der Wehrpflicht, Restrukturierung der Bundeswehr – auch das ein Thema, das sehr viele Menschen interessiert. Ich denke, wir müssen den Mut haben, wegzukommen von kurzfristigen Debatten über vorgebliche Skandale oder Probleme und hin zu den grundlegenden Debatten, die die Politik in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bestimmen. Dann werden die Menschen uns auch mehrheitlich wieder ihr Vertrauen schenken.

    Zagatta: Aber dennoch beobachtet die Öffentlichkeit ja sehr genau, was sich da bei der Union tut. Und wenn jetzt der frühere Ministerpräsident Koch nicht nur zu einer Baufirma wechselt, die Millionenaufträge von seiner Regierung damals erhalten hat, jetzt kommt noch hinzu, dass der Mann, der heftig in der Kritik gestanden hat wegen der schwarzen Kassen der hessischen CDU, auch noch Aufsichtsratsvorsitzender einer Bank wird, die da mit beteiligt war, deren Vorgängerin zumindest an diesen Vorgängen, finden Sie das in Ordnung?

    Altmaier: Ich finde es jedenfalls in Ordnung, dass Roland Koch Monate, bevor er gewechselt ist, sein Amt niedergelegt hat, erster Punkt, er hat es auch öffentlich angekündigt. Und zweitens finde ich es heuchlerisch, wenn diejenigen, die ihm in den vergangenen Jahren vorgeworfen haben, er würde an seinem Amt und seinem Sessel kleben, sich nun darüber beklagen, dass Roland Koch offenbar so hoch eingeschätzt wird, dass er attraktive Angebote aus der Wirtschaft bekommen hat.

    Ich bin überzeugt, er wird sehr genau unterscheiden zwischen den Rollen als ehemaliger Ministerpräsident und der neuen Rolle in der Wirtschaft. Und gerade dadurch, dass er es öffentlich angekündigt hat, gibt es ja auch die Möglichkeit einer öffentlichen Kontrolle. Das heißt, es wird so sein, dass genau beobachtet werden wird von den Medien, von Ihnen, dass es keine Interessenkonflikte gibt. Und ich bin überzeugt, dass Roland Koch auch in der neuen Funktion für unser Land eine wichtige Funktion erfüllen kann.

    Zagatta: Und so etwas schadet nicht der Glaubwürdigkeit der CDU?

    Altmaier: Diesen Eindruck habe ich bislang nicht. Sie wissen, dass Roland Koch öfter die Diskussion polarisiert hat, ich war auch nicht immer mit ihm in allen Punkten einer Meinung – zuletzt bei der Frage, ob man auch in der Bildungspolitik sparen muss und sparen soll, wo wir von Bundesebene gesagt haben, die Bildung unserer Kinder darf nicht der Sparpolitik zum Opfer fallen. Aber ich finde, die Art und Weise, wie er seinen Übergang gestaltet hat, hebt sich beispielsweise sehr positiv ab von der Art und Weise, wie Gerhard Schröder wenige Monate nach seinem Ausscheiden als Bundeskanzler sich von einer ausländischen Großfirma hat unter Vertrag nehmen lassen.

    Zagatta: Na ja, jetzt ist das eine ausländische Bank, da gibt es ja schon Parallelen.

    Altmaier: Ich finde das … Ja, aber ich finde, dass diejenigen, die damals bei Gerhard Schröder der Auffassung waren, das ist alles ganz normal, nun kein Recht haben, Krokodilstränen zu vergießen, wenn Roland Koch nach vorheriger Ankündigung, nach einer angemessenen Wartezeit sagt, ich möchte die letzten zehn, 15 Jahre meines aktiven Berufslebens noch einmal etwas ganz Neues machen.

    Zagatta: Aber diejenigen, die das bei Gerhard Schröder damals auch nicht normal fanden, die können jetzt auch schon Zweifel haben?

    Altmaier: Ja, die öffentliche Diskussion ist immer erlaubt, und am Ende entscheidet im Übrigen auch der Wähler über die Stichhaltigkeit von Argumenten.

    Zagatta: Gut, bei Herrn Koch zwar nicht mehr, aber danke schön für das Gespräch. Das war Peter Altmaier, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion. Herr Altmaier, ganz herzlichen Dank!

    Altmaier: Ich danke Ihnen und ein schönes Wochenende!