Klein: Die Argumente mögen überzeugend sein; in der Demokratie entscheidet nun mal die Mehrheit. Ein Satz, eine Erkenntnis, die es in sich hat. Ob sie immer ein Trost ist für jene, die eine Minderheitenposition vertreten, das sei dahingestellt. In der SPD vertritt Franz Müntefering jedenfalls eine solche, zumindest bei der Frage, ob das Arbeitslosengeld I länger als bisher gezahlt werden soll und an der sich längst die Debatte um die Agenda 2010 insgesamt angeschlossen hat. Wenn schon der Kanzler, der sie einführte, sich halb davon distanziert, wie gerade gehört, stehen dann diejenigen, die sie verteidigen wollen, nicht auf völlig verlorenem Posten? Beck und Müntefering haben gestern jedenfalls erkennen lassen, dass sie weiterhin verschiedener Meinung sind.
Am Telefon begrüße ich Klaas Hübner, SPD-Bundestagsabgeordneter, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Sprecher des Seeheimer Kreises in der SPD. Ich grüße Sie Herr Hübner!
Hübner: Hallo Frau Klein!
Klein: Sind Sie zufrieden mit dem, was beim Gespräch Beck/Müntefering gestern herausgekommen ist?
Hübner: Nein. Wirklich zufrieden kann man nicht sein. Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass die beiden sich auf eine gemeinsame Position einigen. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass wir hier zwei Positionen haben, die offensichtlich nicht zusammenkommen können: auf der einen Seite Kurt Beck, der den Wunsch der Menschen aufgreift, die ja in der Arbeitslosenversicherung selber organisiert sind, dass sie ihre Lebensleistung besser anerkannt haben wollen durch eine entsprechend längere Bezugsdauer, wenn sie älter sind, auf der anderen Seite Franz Müntefering, der dieses überbleibende Geld oder überschießende Geld lieber investieren würde in mehr Qualifikation. Ich persönlich neige eher der Argumentation von Franz Müntefering zu, wie ohnehin glaube ich ein recht großer Teil in der Partei. Wir haben hier keine wirkliche Isolierung der einen oder anderen Position, sondern ich glaube hier stehen sich zwei Kräfte gegenüber, die zwar nicht ganz gleich sind - ich glaube Kurt Beck wird die Mehrheit haben -, aber hinter Franz Müntefering steht auch eine starke Minderheit.
Klein: Sie sagen gleichzeitig, eine große Mehrheit sei für Müntefering, aber dann doch die etwas größere hinter Beck, so dass der sicher sein kann, er bringt seinen Vorschlag beim Parteitag durch. Oder wie verstehe ich Sie?
Hübner: Ich gehe fest davon aus, dass der Parteivorstand den Vorschlag von Kurt Beck billigen wird, der Parteitag auch. Innerhalb der Bundestagsfraktion hat Franz Müntefering in der letzten Sitzung eine große Unterstützung erfahren. Es ist nicht viel anders als es bei der Union seinerzeit auch war. Dort hat Jürgen Rüttgers gegen den erklärten Willen der dortigen Parteiführung ja einen ähnlichen Beschluss durchgesetzt, und zwar mit rund 60 zu 40. Da war bei denen danach auch keiner isoliert. Man sieht also: diese Frage scheint insgesamt durch alle politischen Spektren hindurch dieses Land zu bewegen und dort scheinen die Kräfte nicht vollkommen auseinander zu sein.
Klein: Herr Hübner, jetzt reden wir aber gerade über die SPD. Wenn Sie sagen, Sie neigen eher Münteferings Meinung zu, müssten dann nicht Sie und alle die, die diese Position teilen, sich eigentlich gewünscht haben, dass Beck bei dem Gespräch gestern überzeugt hätte?
Hübner: Selbstverständlich! Das sage ich ja. Ich hätte mir gewünscht, dass man eine Verzahnung findet zwischen der längeren Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I mit einer verpflichtenden Qualifikation. Auf der anderen Seite habe ich durchaus Respekt davor, wenn Kurt Beck das aufnimmt, was die Versicherten wollen, die ihre Versicherung ja selbst bezahlen, nämlich dass ihre Lebensleistung durch eine unabhängige längere Bezugsdauer von ALG I, wenn sie älter geworden sind, honoriert wird. Ich halte das nicht für den optimalen Weg. Deswegen ist es richtig, dass der Parteivorstand oder der Parteitag, also die entsprechenden Gremien, nicht einfach eine Entscheidung fällen, damit die Partei sich neu ausrichten kann. Bis dahin war es richtig, die Positionen zu vertreten, die wir unterschiedlicherweise haben. Ich denke aber am Montag wird Kurt Beck seine Mehrheit bekommen.
Klein: Wenn man einen Standpunkt hat - und davon gehen wir ja bei Politikern aus -, dann möchte man doch eigentlich auch die anderen davon überzeugen. Oder sagen Sie gut, Mehrheit ist Mehrheit und wir haben halt eine Minderheitenposition, lassen wir es dabei?
Hübner: Es ist uns ja offensichtlich nicht gelungen, hier die anderen zu überzeugen. Das muss man zur Kenntnis nehmen.
Klein: Was denken Sie weshalb nicht?
Hübner: Ich glaube, dass das Gefühl der Menschen, die in die Arbeitslosenversicherung einbezahlen, dass sie ihre Lebensleistung gewürdigt haben wollen, momentan eine stärkere Ausprägung hat als die rationale Herangehensweise zu überlegen, wie können wir durch Qualifikation noch mal Dynamik dort reinbekommen. Das ist glaube ich momentan eine Mehrheitsmeinung in der Gesellschaft und es ist uns in der Kürze der Zeit nicht gelungen, dafür zu werben, hier einen anderen Weg zu gehen. Ich halte es übrigens auch für keinen grundsätzlichen Dissens. An diesem halben Jahr mehr oder weniger gibt es keine Grundsatzdebatte an der Agenda 2010. Das ist eine wichtige Sachfrage, in der ich mir eine andere Lösung gewünscht hätte, aber es ist keine Grundsatzfrage für die SPD.
Klein: Na ja, ob es keine Grundsatzfrage ist, daran muss man wirklich zweifeln, spätestens nachdem der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, der die Agenda 2010 eingeführt hat, auch gegen Schmerzen in der eigenen Partei, vielleicht ebenso in der Gesellschaft, gestern sagte, das sind nicht die Zehn Gebote. dass sie das nicht sind, das ist ja klar. Nur verstehen kann man das ja wohl schon doch auch als eine gewisse Distanzierung von dem Projekt, was er einstmals selbst durchgesetzt hat.
Hübner: Nein, das habe ich so nicht verstanden, sondern die Agenda 2010 war immer ein mittelfristiges Ziel, darauf ausgerichtet, bis zum Jahre 2010 Deutschland in Europa zum wettbewerbsfähigsten Land zu machen. Wir müssen jetzt auch beim Parteitag darüber hinausschauen. Unser Spektrum reicht viel weiter. Natürlich müssen wir die Instrumente, die wir ergreifen, um dieses Ziel dauerhaft zu bewahren, auch immer anpassen an die aktuellen Zeiten. Nichts anderes meint Gerhard Schröder. Der Weg der Agenda 2010, die Umkehr, mehr zu fordern und weniger zu fördern, die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe, war richtig und unabdingbar, hat unsere sozialen Sicherungssysteme wie ich glaube vor dem Kollaps gerettet. Dennoch müssen wir immer, je nachdem wie die Märkte sich entwickeln, neue Instrumente finden. Nichts anderes sagt Gerhard Schröder. Es ist ein Prozess und nichts ist bei uns in Stein gemeißelt.
Klein: Aber Studien sagen ja, nun beginnt auch das zu greifen was wieder verändert werden soll, und viele fragen sich, worin besteht dann der Sinn?
Hübner: Ich denke natürlich beginnt das zu greifen. Wir als Sozialdemokraten können mit stolzer Brust sagen, wir haben in sehr schwierigen Zeiten schwierige Entscheidungen getroffen. Der Erfolg ist heute offensichtlich. Selbst die Wirtschaft hat ja heute anerkannt, dass die Agenda 2010 maßgeblich mit dazu beigetragen hat, dass wir heute eine so gute Entwicklung haben. Nun ändern wir in einem Detail etwas und kommen dort der Gefühlslage der Menschen entgegen. Es ist nicht zwingend mein Wunsch gewesen, aber ich akzeptiere, dass die Mehrheit das so fühlt. Aber alles andere der Agenda, was wesentlich war, die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, dass die Menschen unabhängig davon welchen Beruf sie erlernt haben, wenn sie in die Hilfe reinkommen, jeden anderen Beruf akzeptieren müssen, das sind doch wesentliche Elemente, die wir überhaupt gar nicht antasten, die wir nicht verändern. Insofern wird doch an den Grundfesten der Agenda gar nicht gerüttelt, sondern wir gehen damit weiter voran.
Klein: Herr Hübner, wenn es nur ein Detail ist, wo Sie sagen, da können wir auch unterschiedliche Positionen durchaus aushalten, so wichtig ist es dann doch nicht, dann hätte ja Franz Müntefering gestern sagen können gut, ich gebe klein bei und ich ordne mich dem unter und lasse nicht nach außen weiterhin diesen Dissens erscheinen. Das wäre sicherlich für das Bild der SPD als einer geschlossenen Partei sinnvoller gewesen oder?
Hübner: Ich will nicht sagen, dass es ein Detail ist. Das würde der Sache nicht gerecht werden. Es ist schon eine wichtige Sachfrage. Das will ich gar nicht bestreiten. Aber es ist keine Grundsatzfrage in meinen Augen. In wichtigen Sachfragen muss man auch den Mut haben, auch nach außen, das in der Partei offen zu diskutieren. Ich bin Franz Müntefering sehr dankbar, dass er das getan hat. Ich bin auch Kurt Beck sehr dankbar, der übrigens, als er das vorgestellt hat, zu einer offenen Diskussion eingeladen hat. Er wollte sie nicht hinter den Türen haben, wollte sie offen haben. Das haben wir so ausgefochten miteinander. Insofern glaube ich hat die Partei hier einen guten demokratischen Prozess gefunden, der in einer Entscheidung münden wird. Eine Entscheidung muss am Montag fallen - wir müssen handlungsfähig bleiben -, wahrscheinlich halt mit der Mehrheit für Kurt Becks Vorschlag.
Klein: Okay! Und wenn die Parteiführung, wenn der Parteivorstand, der Parteitag diesen Vorschlag absegnet, hat er dann eine Mehrheit in der SPD-Bundestagsfraktion?
Hübner: Ich gehe davon aus, dass die SPD-Bundestagsfraktion sich einem klaren Votum des Parteitages nicht wird verschließen können. Aber auch hier gilt natürlich das, was bei allen Gesetzen gilt: das so genannte Strucksche Gesetz, das besagt, dass kein Gesetz aus dem Bundestag so rauskommt wie es einmal dort hereingekommen ist. Das gilt natürlich auch für Beschlüsse von Parteien gleich jedweder Art. Hier müssen wir gucken, wie weit wir mit der Union kommen können, und vor allen Dingen müssen wir aufpassen, dass wir nicht in die Falle der Union laufen, die Arbeitslosenversicherung umzuwandeln zu einer Risikoversicherung, in eine Ansparversicherung, wie die Union das will. Das wird glaube ich noch ein harter Kampf werden, bis überhaupt diese Initiative das Parlament erreicht.
Klein: Klaas Hübner, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Deutschen Bundestag, Sprecher des Seeheimer Kreises. Danke Ihnen Herr Hübner für das Gespräch.
Hübner: Danke Ihnen auch!
Am Telefon begrüße ich Klaas Hübner, SPD-Bundestagsabgeordneter, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Sprecher des Seeheimer Kreises in der SPD. Ich grüße Sie Herr Hübner!
Hübner: Hallo Frau Klein!
Klein: Sind Sie zufrieden mit dem, was beim Gespräch Beck/Müntefering gestern herausgekommen ist?
Hübner: Nein. Wirklich zufrieden kann man nicht sein. Wir hätten uns natürlich gewünscht, dass die beiden sich auf eine gemeinsame Position einigen. Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass wir hier zwei Positionen haben, die offensichtlich nicht zusammenkommen können: auf der einen Seite Kurt Beck, der den Wunsch der Menschen aufgreift, die ja in der Arbeitslosenversicherung selber organisiert sind, dass sie ihre Lebensleistung besser anerkannt haben wollen durch eine entsprechend längere Bezugsdauer, wenn sie älter sind, auf der anderen Seite Franz Müntefering, der dieses überbleibende Geld oder überschießende Geld lieber investieren würde in mehr Qualifikation. Ich persönlich neige eher der Argumentation von Franz Müntefering zu, wie ohnehin glaube ich ein recht großer Teil in der Partei. Wir haben hier keine wirkliche Isolierung der einen oder anderen Position, sondern ich glaube hier stehen sich zwei Kräfte gegenüber, die zwar nicht ganz gleich sind - ich glaube Kurt Beck wird die Mehrheit haben -, aber hinter Franz Müntefering steht auch eine starke Minderheit.
Klein: Sie sagen gleichzeitig, eine große Mehrheit sei für Müntefering, aber dann doch die etwas größere hinter Beck, so dass der sicher sein kann, er bringt seinen Vorschlag beim Parteitag durch. Oder wie verstehe ich Sie?
Hübner: Ich gehe fest davon aus, dass der Parteivorstand den Vorschlag von Kurt Beck billigen wird, der Parteitag auch. Innerhalb der Bundestagsfraktion hat Franz Müntefering in der letzten Sitzung eine große Unterstützung erfahren. Es ist nicht viel anders als es bei der Union seinerzeit auch war. Dort hat Jürgen Rüttgers gegen den erklärten Willen der dortigen Parteiführung ja einen ähnlichen Beschluss durchgesetzt, und zwar mit rund 60 zu 40. Da war bei denen danach auch keiner isoliert. Man sieht also: diese Frage scheint insgesamt durch alle politischen Spektren hindurch dieses Land zu bewegen und dort scheinen die Kräfte nicht vollkommen auseinander zu sein.
Klein: Herr Hübner, jetzt reden wir aber gerade über die SPD. Wenn Sie sagen, Sie neigen eher Münteferings Meinung zu, müssten dann nicht Sie und alle die, die diese Position teilen, sich eigentlich gewünscht haben, dass Beck bei dem Gespräch gestern überzeugt hätte?
Hübner: Selbstverständlich! Das sage ich ja. Ich hätte mir gewünscht, dass man eine Verzahnung findet zwischen der längeren Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I mit einer verpflichtenden Qualifikation. Auf der anderen Seite habe ich durchaus Respekt davor, wenn Kurt Beck das aufnimmt, was die Versicherten wollen, die ihre Versicherung ja selbst bezahlen, nämlich dass ihre Lebensleistung durch eine unabhängige längere Bezugsdauer von ALG I, wenn sie älter geworden sind, honoriert wird. Ich halte das nicht für den optimalen Weg. Deswegen ist es richtig, dass der Parteivorstand oder der Parteitag, also die entsprechenden Gremien, nicht einfach eine Entscheidung fällen, damit die Partei sich neu ausrichten kann. Bis dahin war es richtig, die Positionen zu vertreten, die wir unterschiedlicherweise haben. Ich denke aber am Montag wird Kurt Beck seine Mehrheit bekommen.
Klein: Wenn man einen Standpunkt hat - und davon gehen wir ja bei Politikern aus -, dann möchte man doch eigentlich auch die anderen davon überzeugen. Oder sagen Sie gut, Mehrheit ist Mehrheit und wir haben halt eine Minderheitenposition, lassen wir es dabei?
Hübner: Es ist uns ja offensichtlich nicht gelungen, hier die anderen zu überzeugen. Das muss man zur Kenntnis nehmen.
Klein: Was denken Sie weshalb nicht?
Hübner: Ich glaube, dass das Gefühl der Menschen, die in die Arbeitslosenversicherung einbezahlen, dass sie ihre Lebensleistung gewürdigt haben wollen, momentan eine stärkere Ausprägung hat als die rationale Herangehensweise zu überlegen, wie können wir durch Qualifikation noch mal Dynamik dort reinbekommen. Das ist glaube ich momentan eine Mehrheitsmeinung in der Gesellschaft und es ist uns in der Kürze der Zeit nicht gelungen, dafür zu werben, hier einen anderen Weg zu gehen. Ich halte es übrigens auch für keinen grundsätzlichen Dissens. An diesem halben Jahr mehr oder weniger gibt es keine Grundsatzdebatte an der Agenda 2010. Das ist eine wichtige Sachfrage, in der ich mir eine andere Lösung gewünscht hätte, aber es ist keine Grundsatzfrage für die SPD.
Klein: Na ja, ob es keine Grundsatzfrage ist, daran muss man wirklich zweifeln, spätestens nachdem der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, der die Agenda 2010 eingeführt hat, auch gegen Schmerzen in der eigenen Partei, vielleicht ebenso in der Gesellschaft, gestern sagte, das sind nicht die Zehn Gebote. dass sie das nicht sind, das ist ja klar. Nur verstehen kann man das ja wohl schon doch auch als eine gewisse Distanzierung von dem Projekt, was er einstmals selbst durchgesetzt hat.
Hübner: Nein, das habe ich so nicht verstanden, sondern die Agenda 2010 war immer ein mittelfristiges Ziel, darauf ausgerichtet, bis zum Jahre 2010 Deutschland in Europa zum wettbewerbsfähigsten Land zu machen. Wir müssen jetzt auch beim Parteitag darüber hinausschauen. Unser Spektrum reicht viel weiter. Natürlich müssen wir die Instrumente, die wir ergreifen, um dieses Ziel dauerhaft zu bewahren, auch immer anpassen an die aktuellen Zeiten. Nichts anderes meint Gerhard Schröder. Der Weg der Agenda 2010, die Umkehr, mehr zu fordern und weniger zu fördern, die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe, war richtig und unabdingbar, hat unsere sozialen Sicherungssysteme wie ich glaube vor dem Kollaps gerettet. Dennoch müssen wir immer, je nachdem wie die Märkte sich entwickeln, neue Instrumente finden. Nichts anderes sagt Gerhard Schröder. Es ist ein Prozess und nichts ist bei uns in Stein gemeißelt.
Klein: Aber Studien sagen ja, nun beginnt auch das zu greifen was wieder verändert werden soll, und viele fragen sich, worin besteht dann der Sinn?
Hübner: Ich denke natürlich beginnt das zu greifen. Wir als Sozialdemokraten können mit stolzer Brust sagen, wir haben in sehr schwierigen Zeiten schwierige Entscheidungen getroffen. Der Erfolg ist heute offensichtlich. Selbst die Wirtschaft hat ja heute anerkannt, dass die Agenda 2010 maßgeblich mit dazu beigetragen hat, dass wir heute eine so gute Entwicklung haben. Nun ändern wir in einem Detail etwas und kommen dort der Gefühlslage der Menschen entgegen. Es ist nicht zwingend mein Wunsch gewesen, aber ich akzeptiere, dass die Mehrheit das so fühlt. Aber alles andere der Agenda, was wesentlich war, die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, dass die Menschen unabhängig davon welchen Beruf sie erlernt haben, wenn sie in die Hilfe reinkommen, jeden anderen Beruf akzeptieren müssen, das sind doch wesentliche Elemente, die wir überhaupt gar nicht antasten, die wir nicht verändern. Insofern wird doch an den Grundfesten der Agenda gar nicht gerüttelt, sondern wir gehen damit weiter voran.
Klein: Herr Hübner, wenn es nur ein Detail ist, wo Sie sagen, da können wir auch unterschiedliche Positionen durchaus aushalten, so wichtig ist es dann doch nicht, dann hätte ja Franz Müntefering gestern sagen können gut, ich gebe klein bei und ich ordne mich dem unter und lasse nicht nach außen weiterhin diesen Dissens erscheinen. Das wäre sicherlich für das Bild der SPD als einer geschlossenen Partei sinnvoller gewesen oder?
Hübner: Ich will nicht sagen, dass es ein Detail ist. Das würde der Sache nicht gerecht werden. Es ist schon eine wichtige Sachfrage. Das will ich gar nicht bestreiten. Aber es ist keine Grundsatzfrage in meinen Augen. In wichtigen Sachfragen muss man auch den Mut haben, auch nach außen, das in der Partei offen zu diskutieren. Ich bin Franz Müntefering sehr dankbar, dass er das getan hat. Ich bin auch Kurt Beck sehr dankbar, der übrigens, als er das vorgestellt hat, zu einer offenen Diskussion eingeladen hat. Er wollte sie nicht hinter den Türen haben, wollte sie offen haben. Das haben wir so ausgefochten miteinander. Insofern glaube ich hat die Partei hier einen guten demokratischen Prozess gefunden, der in einer Entscheidung münden wird. Eine Entscheidung muss am Montag fallen - wir müssen handlungsfähig bleiben -, wahrscheinlich halt mit der Mehrheit für Kurt Becks Vorschlag.
Klein: Okay! Und wenn die Parteiführung, wenn der Parteivorstand, der Parteitag diesen Vorschlag absegnet, hat er dann eine Mehrheit in der SPD-Bundestagsfraktion?
Hübner: Ich gehe davon aus, dass die SPD-Bundestagsfraktion sich einem klaren Votum des Parteitages nicht wird verschließen können. Aber auch hier gilt natürlich das, was bei allen Gesetzen gilt: das so genannte Strucksche Gesetz, das besagt, dass kein Gesetz aus dem Bundestag so rauskommt wie es einmal dort hereingekommen ist. Das gilt natürlich auch für Beschlüsse von Parteien gleich jedweder Art. Hier müssen wir gucken, wie weit wir mit der Union kommen können, und vor allen Dingen müssen wir aufpassen, dass wir nicht in die Falle der Union laufen, die Arbeitslosenversicherung umzuwandeln zu einer Risikoversicherung, in eine Ansparversicherung, wie die Union das will. Das wird glaube ich noch ein harter Kampf werden, bis überhaupt diese Initiative das Parlament erreicht.
Klein: Klaas Hübner, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Deutschen Bundestag, Sprecher des Seeheimer Kreises. Danke Ihnen Herr Hübner für das Gespräch.
Hübner: Danke Ihnen auch!