Bettina Klein: Nach den Übergriffen auf Inder im sächsischen Ort Mügeln vom Wochenende laufen die Ermittlungen in alle Richtungen. Ein fremdenfeindliches Motiv könne nicht ausgeschlossen werden. So drückt sich die Polizei aus. Klar ist: Es wurden Ausländer brutal angegriffen, was die Frage, ob es in Ostdeutschland so etwas wie No-Go-Areas für sie gibt, hat erneut aufleben lassen. Inzwischen haben sich auch prominente Bundespolitiker zu den Vorfällen geäußert. Am Telefon ist nun Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, die sich mit ausländerfeindlichen Vorfällen beschäftigt, benannt nach einem seinerzeit in Eberswalde von Skinheads erschlagenen Angolaner. Guten Morgen Frau Kahane!
Anetta Kahane: Guten Morgen!
Klein: Wie haben Sie die Übergriffe in Mügeln eingeordnet?
Kahane: Na ja, ich versuche mir vorzustellen, ich wäre eines der Opfer und hätte den ganz starken Eindruck, dass es allein an meiner Hautfarbe und daran liegt, dass in dem Ort nicht ansässig bin, dass da 50 Leute hinter mir her sind. Aus der Perspektive gesehen ist das ganz eindeutig ein fremdenfeindlicher rassistischer Übergriff gewesen.
Klein: Ein Einzelfall, den man nicht hochstilisieren sollte, oder ein erneutes Indiz für ein verbreitetes Klima aus Ihrer Sicht?
Kahane: Es gibt hier viele Dorffeste. Es kann überall passieren, wenn ein bisschen enthemmt durch Alkohol die Leute dann plötzlich wieder mal ihren eigenen Schweinehund sehen und dann durchs Dorf treiben. Ich glaube, das ist in der Tat etwas, was bei uns hier im Osten zum Alltag gehört. Man soll jetzt nicht so tun, als wäre Mügeln irgendwie eine Insel der Seligen. Sachsen ist ja nicht so groß, und die ganze Region ist von militanten Neonazis durchsiedelt. Also wieso sollten die nicht in Mügeln zuschlagen?
Klein: Der SPD-Innenexperte Edathy, dessen Vater aus Indien stammt, sagt, für ihn kommt das überhaupt nicht überraschend, und er sagt auch, für ihn hat sich an der Analyse No-Go-Areas in Ostdeutschland nichts geändert. Er könne noch immer nicht dunkelhäutigen Menschen raten, auf Volksfeste in ostdeutschen Kleinstädten zu gehen. Wie kommt denn das?
Kahane: Wie das kommt, weiß ich nicht. Es ist ja schon ein durchgesetzter Standard, wenn Sie sich auch mal die Ferienorte in Ostvorpommern, Usedom oder sonstwo angucken. Sie haben es dort fast durchweg mit "arischen Besuchern" zu tun, weil sich inzwischen weltweit und auch im Westen rumgesprochen hat, dass man als Dunkelhäutiger besser nicht in den Osten Radfahren, Baden oder so etwas geht. Das haben die schon längst erreicht! Das ist schon längst vollzogen! Davon zu spekulieren, dass es mal so sein könnte, das ist finde ich schon längst vorbei. Es gibt diese No-Go-Areas, und die sind überall akzeptiert. Ich finde das grauenhaft!
Klein: Der Bürgermeister des Ortes Mügeln, um den Ruf seines Ortes bemüht, sagt, es gibt dort keine Rechtsextreme, und noch ist in der Tat ja nicht bekannt, wo die Angreifer im Einzelnen hergekommen sind. Das Landeskriminalamt erklärt, es gebe keine Erkenntnisse über Gruppierungen rechter Jugendlicher in Sachsen, die am Wochenende über die Dörfer fahren und Streit vom Zaun brechen. Das widerspricht so ein bisschen der Einschätzung, die Sie gerade gegeben haben?
Kahane: Ich kenne mich in Sachsen ein bisschen aus. Das ist ja nun nicht so ein riesengroßes Land wie Kanada. Sie setzen sich ins Auto und kommen von dort, von dort oder von da. Ich habe das auch in Brandenburg schon erlebt, dass dort die Leute irgendwie darauf aus sind, mal was zu erleben, und sich dann zusammenrotten und eben kommen. Die Leute sind alle motorisiert. Das ist alles ganz nah beieinander. Da gibt es militante Neonazi-Gruppen ganz in der Nähe, die zum Teil auch schon verboten wurden, und die kommen dann eben zusammen. Mein Gott, das braucht nicht viel! Das ist hier jetzt keine Tagesreise. Die setzen sich 20 Minuten ins Auto, und dann sind die da. Ob das jetzt eine Strategie ist oder nicht, ist mir eigentlich egal. Fakt ist: Das Potenzial ist da, die Leute sind da, und die machen das halt. Die tun uns nicht den Gefallen, sich das vorher genau zu überlegen und uns das mitzuteilen.
Klein: Das Potenzial ist da, sagen Sie. Die Rede ist nun auch wiederum - wir haben es gerade gehört - von einem besonderen ostdeutschen, und zwar gewalttätigen Akzent. Und alle Welt fragt sich aufs Neue, wo kommt der her? Was ist Ihre Erklärung?
Kahane: Na ja, solange man nicht akzeptiert, dass diese ostdeutsche Gesellschaft tatsächlich immer noch eine andere Gesellschaft ist als die westdeutsche, mit allen Problemen der postkommunistischen Entwicklungen und Krankheiten, sozusagen gesellschaftspolitischen Krankheiten zu tun hat, solange wird sich das auch nicht beheben lassen. Es wird noch sehr lange dauern, bis sich in Ostdeutschland die repräsentative Demokratie und die Demokratie als Alltagskultur in den Köpfen festgesetzt hat. Die Leute sind anders aufgewachsen und wachsen heute noch anders auf. Die haben ganz andere Wertvorstellungen, lehnen die Demokratie ab, haben alle mit Nationalsozialismus überhaupt nichts zu tun gehabt. Die Generation der Großeltern, die waren alle Antifaschisten. Es gab sozusagen keine innere Auseinandersetzung mit Vielfalt, mit Demokratie, mit Konflikten und all diesen Dingen. Der Ton in ostdeutschen Schulen ist schon auch immer noch ein bisschen autoritärer als im Westen. Da gibt es eine ganze Reihe von Ursachen. Natürlich gehört auch eine soziale Komponente dazu, aber wenn Sie jetzt umgekehrt sagen würden, jeder Arbeitslose muss rechtsradikal werden, da kenne ich viele Arbeitslose, die sich dagegen verwahren würden.
Klein: Sie haben gerade noch mal auf ein Erbe der DDR verwiesen. Sie haben das auch mehrfach in Interviews schon getan. Sie haben gesagt, es hat eine Paranoia gegeben vor Abweichlern und dem Ausland und alles lag am Feindbild Kapitalismus. Weshalb wirkt das bis heute, bis fast 20 Jahre nach der Wende nach?
Kahane: Wenn Sie hier durchs Land fahren, dann sind diese Werte immer noch ganz stark vorhanden. Wenn Sie irgendetwas vom Kapitalismus sagen, haben Sie gleich feindliche Blicke, übrigens aus allen Parteirichtungen, natürlich besonders aus der PDS alias Linke - das ist ganz klar -, aber auch von den Neonazis. Kapitalismus wird als politisches System verstanden, was den Menschen nur Böses will. Dieses Schwarz-Weiß-Denken hat sich meiner Meinung nach in den letzten Jahren noch mal angeheizt. Es ist jetzt nicht milder geworden, sondern das ist als Art zu denken und die Welt zu betrachten ganz stark etabliert. Ich weiß nicht, mit Demokratieerziehung kommt man da auch nicht weiter. Die Leute müssen begreifen, dass sie in einer Demokratie leben und dass es dazu keine Alternative gibt. Ich fürchte mich ehrlich gesagt ein bisschen vor einem Populismus, der daraus entsteht, einem Linkspopulismus durchaus auch und einem Populismus, den auch die Rechtsextremen wie die NPD nutzen, der diesem Schwarz-Weiß-Denken sehr entgegenkommt.
Klein: Was hat das Feindbild Kapitalismus mit ausländerfeindlichen Übergriffen zu tun? Welchen Zusammenhang gibt es da nach Ihrer Meinung?
Kahane: Na ja, der Internationalismus der DDR war ja auch nur eine hohle Figur. Es gab ja auch Ausländerfeindlichkeit schon zu DDR-Zeiten. Das war schon immer ein sehr völkisches Bild. Es war schon immer ein sehr nationaler Sozialismus gewesen, auch zu DDR-Zeiten, der mit Vielfalt und all dem was damit zu tun hat an Konflikten nichts am Hut hatte. Das ist heute noch so. Es gibt zwar manchmal Bekenntnisse, "ich habe ja nichts gegen Inder" oder so was, "aber müssen die nun ausgerechnet hier sein", oder der Investor aus dem Ausland da wird gesagt, das ist ein Standortproblem in Ostdeutschland. Die Leute scheren sich darum zum Teil gar nicht. Das geht so weit, dass sie sagen, wir wollen hier gar keine ausländischen Investoren. Das muss man sich mal vorstellen. Die haben wirklich ein ziemlich nationalistisches Bild, eine Utopie von einer sozialen Gerechtigkeit der Deutschen, am liebsten der Ostdeutschen. Das finde ich sehr problematisch. Ich weiß, dass schon sehr viele Investoren weggeblieben sind. Es wird nicht erst ein Standortproblem; es ist bereits eines.
Klein: Frau Kahane, Proteste gegen ausländerfeindliche Übergriffe gibt es auch von der Linkspartei. Glauben Sie dennoch, dass die Partei profitiert von der populistischen Stimmung, die Sie gerade beschrieben haben?
Kahane: Die Partei profitiert insofern davon, als sie sich versucht zu profilieren als die antifaschistische Kraft schlechthin. Wir haben gerade in den letzten Monaten mitgekriegt, dass bei allem Respekt vor dem Engagement auch von Einzelnen - das will ich jetzt nicht generalisieren - die Nachfolgepartei der SED überhaupt nicht bereit ist, den Anteil, den der Staatssozialismus DDR und all das, was damit zu tun hat, also der Antifaschismus, dieses Erziehungssystem und so, was dazu beigetragen hat, dass die Situation jetzt so ist, dass die Leute so geworden sind, zu akzeptieren. Das wollen die nach wie vor nicht. Sie charakterisieren das Neonazi-Phänomen in Ostdeutschland als ein Produkt des Kapitalismus, mit dem sie gar nichts zu tun haben und die DDR auch nicht, und sie profilieren sich als Linke gegen die Rechten. Da wird so ein Schwarz-Weiß-Bild aufgemacht, wir sind die Guten, die Alternative zu Rechts ist Links. So wie das Gegenteil von Faschismus nicht Antifaschismus ist, sondern Demokratie, finde ich, sollte die PDS an der Stelle ein bisschen runterkommen und sich ein bisschen auseinandersetzen mit der eigenen Geschichte und den eigenen Anteilen, die da drinstecken.
Anetta Kahane: Guten Morgen!
Klein: Wie haben Sie die Übergriffe in Mügeln eingeordnet?
Kahane: Na ja, ich versuche mir vorzustellen, ich wäre eines der Opfer und hätte den ganz starken Eindruck, dass es allein an meiner Hautfarbe und daran liegt, dass in dem Ort nicht ansässig bin, dass da 50 Leute hinter mir her sind. Aus der Perspektive gesehen ist das ganz eindeutig ein fremdenfeindlicher rassistischer Übergriff gewesen.
Klein: Ein Einzelfall, den man nicht hochstilisieren sollte, oder ein erneutes Indiz für ein verbreitetes Klima aus Ihrer Sicht?
Kahane: Es gibt hier viele Dorffeste. Es kann überall passieren, wenn ein bisschen enthemmt durch Alkohol die Leute dann plötzlich wieder mal ihren eigenen Schweinehund sehen und dann durchs Dorf treiben. Ich glaube, das ist in der Tat etwas, was bei uns hier im Osten zum Alltag gehört. Man soll jetzt nicht so tun, als wäre Mügeln irgendwie eine Insel der Seligen. Sachsen ist ja nicht so groß, und die ganze Region ist von militanten Neonazis durchsiedelt. Also wieso sollten die nicht in Mügeln zuschlagen?
Klein: Der SPD-Innenexperte Edathy, dessen Vater aus Indien stammt, sagt, für ihn kommt das überhaupt nicht überraschend, und er sagt auch, für ihn hat sich an der Analyse No-Go-Areas in Ostdeutschland nichts geändert. Er könne noch immer nicht dunkelhäutigen Menschen raten, auf Volksfeste in ostdeutschen Kleinstädten zu gehen. Wie kommt denn das?
Kahane: Wie das kommt, weiß ich nicht. Es ist ja schon ein durchgesetzter Standard, wenn Sie sich auch mal die Ferienorte in Ostvorpommern, Usedom oder sonstwo angucken. Sie haben es dort fast durchweg mit "arischen Besuchern" zu tun, weil sich inzwischen weltweit und auch im Westen rumgesprochen hat, dass man als Dunkelhäutiger besser nicht in den Osten Radfahren, Baden oder so etwas geht. Das haben die schon längst erreicht! Das ist schon längst vollzogen! Davon zu spekulieren, dass es mal so sein könnte, das ist finde ich schon längst vorbei. Es gibt diese No-Go-Areas, und die sind überall akzeptiert. Ich finde das grauenhaft!
Klein: Der Bürgermeister des Ortes Mügeln, um den Ruf seines Ortes bemüht, sagt, es gibt dort keine Rechtsextreme, und noch ist in der Tat ja nicht bekannt, wo die Angreifer im Einzelnen hergekommen sind. Das Landeskriminalamt erklärt, es gebe keine Erkenntnisse über Gruppierungen rechter Jugendlicher in Sachsen, die am Wochenende über die Dörfer fahren und Streit vom Zaun brechen. Das widerspricht so ein bisschen der Einschätzung, die Sie gerade gegeben haben?
Kahane: Ich kenne mich in Sachsen ein bisschen aus. Das ist ja nun nicht so ein riesengroßes Land wie Kanada. Sie setzen sich ins Auto und kommen von dort, von dort oder von da. Ich habe das auch in Brandenburg schon erlebt, dass dort die Leute irgendwie darauf aus sind, mal was zu erleben, und sich dann zusammenrotten und eben kommen. Die Leute sind alle motorisiert. Das ist alles ganz nah beieinander. Da gibt es militante Neonazi-Gruppen ganz in der Nähe, die zum Teil auch schon verboten wurden, und die kommen dann eben zusammen. Mein Gott, das braucht nicht viel! Das ist hier jetzt keine Tagesreise. Die setzen sich 20 Minuten ins Auto, und dann sind die da. Ob das jetzt eine Strategie ist oder nicht, ist mir eigentlich egal. Fakt ist: Das Potenzial ist da, die Leute sind da, und die machen das halt. Die tun uns nicht den Gefallen, sich das vorher genau zu überlegen und uns das mitzuteilen.
Klein: Das Potenzial ist da, sagen Sie. Die Rede ist nun auch wiederum - wir haben es gerade gehört - von einem besonderen ostdeutschen, und zwar gewalttätigen Akzent. Und alle Welt fragt sich aufs Neue, wo kommt der her? Was ist Ihre Erklärung?
Kahane: Na ja, solange man nicht akzeptiert, dass diese ostdeutsche Gesellschaft tatsächlich immer noch eine andere Gesellschaft ist als die westdeutsche, mit allen Problemen der postkommunistischen Entwicklungen und Krankheiten, sozusagen gesellschaftspolitischen Krankheiten zu tun hat, solange wird sich das auch nicht beheben lassen. Es wird noch sehr lange dauern, bis sich in Ostdeutschland die repräsentative Demokratie und die Demokratie als Alltagskultur in den Köpfen festgesetzt hat. Die Leute sind anders aufgewachsen und wachsen heute noch anders auf. Die haben ganz andere Wertvorstellungen, lehnen die Demokratie ab, haben alle mit Nationalsozialismus überhaupt nichts zu tun gehabt. Die Generation der Großeltern, die waren alle Antifaschisten. Es gab sozusagen keine innere Auseinandersetzung mit Vielfalt, mit Demokratie, mit Konflikten und all diesen Dingen. Der Ton in ostdeutschen Schulen ist schon auch immer noch ein bisschen autoritärer als im Westen. Da gibt es eine ganze Reihe von Ursachen. Natürlich gehört auch eine soziale Komponente dazu, aber wenn Sie jetzt umgekehrt sagen würden, jeder Arbeitslose muss rechtsradikal werden, da kenne ich viele Arbeitslose, die sich dagegen verwahren würden.
Klein: Sie haben gerade noch mal auf ein Erbe der DDR verwiesen. Sie haben das auch mehrfach in Interviews schon getan. Sie haben gesagt, es hat eine Paranoia gegeben vor Abweichlern und dem Ausland und alles lag am Feindbild Kapitalismus. Weshalb wirkt das bis heute, bis fast 20 Jahre nach der Wende nach?
Kahane: Wenn Sie hier durchs Land fahren, dann sind diese Werte immer noch ganz stark vorhanden. Wenn Sie irgendetwas vom Kapitalismus sagen, haben Sie gleich feindliche Blicke, übrigens aus allen Parteirichtungen, natürlich besonders aus der PDS alias Linke - das ist ganz klar -, aber auch von den Neonazis. Kapitalismus wird als politisches System verstanden, was den Menschen nur Böses will. Dieses Schwarz-Weiß-Denken hat sich meiner Meinung nach in den letzten Jahren noch mal angeheizt. Es ist jetzt nicht milder geworden, sondern das ist als Art zu denken und die Welt zu betrachten ganz stark etabliert. Ich weiß nicht, mit Demokratieerziehung kommt man da auch nicht weiter. Die Leute müssen begreifen, dass sie in einer Demokratie leben und dass es dazu keine Alternative gibt. Ich fürchte mich ehrlich gesagt ein bisschen vor einem Populismus, der daraus entsteht, einem Linkspopulismus durchaus auch und einem Populismus, den auch die Rechtsextremen wie die NPD nutzen, der diesem Schwarz-Weiß-Denken sehr entgegenkommt.
Klein: Was hat das Feindbild Kapitalismus mit ausländerfeindlichen Übergriffen zu tun? Welchen Zusammenhang gibt es da nach Ihrer Meinung?
Kahane: Na ja, der Internationalismus der DDR war ja auch nur eine hohle Figur. Es gab ja auch Ausländerfeindlichkeit schon zu DDR-Zeiten. Das war schon immer ein sehr völkisches Bild. Es war schon immer ein sehr nationaler Sozialismus gewesen, auch zu DDR-Zeiten, der mit Vielfalt und all dem was damit zu tun hat an Konflikten nichts am Hut hatte. Das ist heute noch so. Es gibt zwar manchmal Bekenntnisse, "ich habe ja nichts gegen Inder" oder so was, "aber müssen die nun ausgerechnet hier sein", oder der Investor aus dem Ausland da wird gesagt, das ist ein Standortproblem in Ostdeutschland. Die Leute scheren sich darum zum Teil gar nicht. Das geht so weit, dass sie sagen, wir wollen hier gar keine ausländischen Investoren. Das muss man sich mal vorstellen. Die haben wirklich ein ziemlich nationalistisches Bild, eine Utopie von einer sozialen Gerechtigkeit der Deutschen, am liebsten der Ostdeutschen. Das finde ich sehr problematisch. Ich weiß, dass schon sehr viele Investoren weggeblieben sind. Es wird nicht erst ein Standortproblem; es ist bereits eines.
Klein: Frau Kahane, Proteste gegen ausländerfeindliche Übergriffe gibt es auch von der Linkspartei. Glauben Sie dennoch, dass die Partei profitiert von der populistischen Stimmung, die Sie gerade beschrieben haben?
Kahane: Die Partei profitiert insofern davon, als sie sich versucht zu profilieren als die antifaschistische Kraft schlechthin. Wir haben gerade in den letzten Monaten mitgekriegt, dass bei allem Respekt vor dem Engagement auch von Einzelnen - das will ich jetzt nicht generalisieren - die Nachfolgepartei der SED überhaupt nicht bereit ist, den Anteil, den der Staatssozialismus DDR und all das, was damit zu tun hat, also der Antifaschismus, dieses Erziehungssystem und so, was dazu beigetragen hat, dass die Situation jetzt so ist, dass die Leute so geworden sind, zu akzeptieren. Das wollen die nach wie vor nicht. Sie charakterisieren das Neonazi-Phänomen in Ostdeutschland als ein Produkt des Kapitalismus, mit dem sie gar nichts zu tun haben und die DDR auch nicht, und sie profilieren sich als Linke gegen die Rechten. Da wird so ein Schwarz-Weiß-Bild aufgemacht, wir sind die Guten, die Alternative zu Rechts ist Links. So wie das Gegenteil von Faschismus nicht Antifaschismus ist, sondern Demokratie, finde ich, sollte die PDS an der Stelle ein bisschen runterkommen und sich ein bisschen auseinandersetzen mit der eigenen Geschichte und den eigenen Anteilen, die da drinstecken.