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Amaury Sport Organisation
Die Radsport-Regenten

In Frankreich ist die A.S.O. hauptsächlich als Organisator der Tour de France bekannt. Ab August 2018 startet sie gemeinsam mit dem Bund Deutscher Radfahrer den Versuch, die vor zehn Jahren eingestellte Deutschlandtour wieder aufleben zu lassen. Trotz intransparenter Finanzpolitik und einer problematischen Dopinghaltung.

Von Hans Woller | 01.01.2018
    Ein Rennradfahrer vor dem Logo der Tour de France (8.7.)
    Ein Rennradfahrer vor dem Logo der Tour de France (AFP PHOTO/KENZO TRIBOUILLARD)
    "Sie bewundere bei Sportlern diese geballte Leidenschaft, die über alle Normen hinausgehe und wo sich der einzelne bis zum Exzess engagiere",
    sagt Marie-Odile Amaury in einem ihrer ganz seltenen Interviews. Mit über 70 hält Madame, assistiert von Sohn Jean-Etienne und Tochter Aurore, immer noch die Zügel des Familien-Konzerns "Amaury Groupe", der heute rund 1000 Beschäftigte zählt, 450 Millionen Euro umsetzt und traditionell zwei Standbeine hatte: das Pressewesen und das Management von Sportveranstaltungen.
    Vor zwei Jahren nun hat man die große, populäre Tageszeitung "Le Parisien" abgestoßen und klar gemacht: die Familie Amaury, die über ein Vermögen von mehr als 300 Millionen Euro verfügt und damit zu den 200 reichsten Familien Frankreichs gehört, richtet den Konzern ausschliesslich auf den Sport aus. A.S.O., die 1992 gegründete Tochtergesellschaft, steht im Zentrum und als begleitendes Medium behält man die legendäre Sportzeitung "L'Equipe", deren Redaktion mit A.S.O. seit kurzem auch im selben Gebäude untergebracht ist.
    A.S.O.-Präsident Jean Etienne Amaury: "A.S.O. organisiert 80 Sporteignisse im Jahr in fünf Sportarten: Radsport vor allem, unser wichtigster Sport und dann: die Dakar Rally die jetzt in Südamerika ausgetragen wird, Segelsport - eine Tour de France im Segeln, dann Golf und alle Sportereignisse für die Massen - z.B. den Marathon von Paris" .
    Internationale Sportexpansion
    Im Radsport besitzt A.S.O. in Europa neben dem Schlachtschiff Tour de France, Paris - Nizza, das Criterium du Dauphiné, Paris - Roubaix, Lüttich - Bastogne - Lüttich und die Spanien-Rundfahrt Vuelta. Weniger bekannt ist die Rolle von A.S.O. als Veranstalter von Radrennen in China: das Shanghai Kriterium seit letztem Oktober und in Japan mit dem seit 2013 ausgetragenen Saitama Kriterium, bei dem auch das Gros der Tour de France Stars antritt.
    In den letzten drei Jahren ist A.S.O. international expandiert wie nie zuvor, sagt Generaldirektor Le Moenner: "Wir wollen die Globalisierung des Radsports entwickeln und begleiten. Wir agieren zum Beispiel in China, wo wir Community Manager haben, um spezifische Inhalte zu entwickeln, wir haben dort Fan-Parks aufgemacht. Wir organisieren Amateurrennen mit dem Label 'Tour de France', wir sind in Australien, in Brasilien, in Mexiko, in England und vielen anderen Ländern präsent - Akteure wie uns, gibt es nur ganz wenige."
    Geschäftszahlen bleiben geheim
    A.S.O., das sich seit jeher weigert, seine Geschäftszahlen offenzulegen, beschäftigt rund 350 Personen und macht einen geschätzten Jahresumsatz von 250 Millionen Euro. Die Rentabilität von A.S.O. liegt dank der Milchkuh Tour de France, die allein jährlich 35 Millionen Euro Gewinn abwirft, bei rund 20 Prozent, was sonst nur Unternehmen der Luxusgüterbranche vorbehalten ist.
    Wird A.S.O.-Generaldirektor Le Moenner öffentlich gefragt, ob die Tour de France rund 55 Prozent des gesamten Umsatzes von A.S.O. ausmache, kommt die übliche Antwort: man kommuniziere keinerlei Zahlen. Sein Vorgänger, Philippe Carli hatte sich vor wenigen Jahren immerhin öffentlich gerühmt:
    "Unsere Perspektiven sind bestens, wir haben zweistellige Wachstumsraten, die wir in den nächsten Jahren beibehalten wollen."
    Kritische Zeiten durch Dopingskandale
    Düstere Zeiten kannte das florierende Unternehmen zuletzt nur nach der Festina-Affäre 1998, als A.S.O. kurzzeitig ernsthaft um die Zukunft der Tour de France fürchten musste. Ja, unter Präsident Patrice Clerc legte sich A.S.O. sogar einige Jahre lang mit der UCI an, der sie unter Präsident Verbrüggen eine zu lasche Haltung im Kampf gegen Doping vorwarf, entzog der UCI sogar die Dopingkontrollen.

    Lance Armstrong bei der Tour de France
    Lance Armstrong bei der Tour de France (epa / Christophe Karaba)
    2005 deckte schließlich auch der Dopingspezialist, der zur Amaury Gruppe gehörenden Sportzeitung L'Equipe, Damien Ressiot, auf, dass Lance Armstrong bei seinem ersten Tour de France Sieg 1999 gedopt war. Bereits im Herbst 2008 aber vollzog A.S.O. die große Kehrtwende. Konzernchefin Marie-Odile Amaury schloss mit dem internationalen Radsportverband UCI überraschend Frieden und setzte A.S.O.-Präsident Clerc, den engagierten Kämpfer gegen Doping, vor die Tür und ihren eigenen, unerfahrenen Sohn Jean-Etienne an dessen Stelle.
    Kehrtwende in der Berichterstattung bei L'Equipe
    Kurz nach diesem Strategiewechsel und vor der Rückkehr von Armstrong zu seiner letzten Tour de France 2009, beschwerte sich dann die Journalistengewerkschaft bei L'Equipe auch erstmals öffentlich über die Anordnung der Konzernchefin, beim Thema Doping in Zukunft kürzer zu treten.
    Der Sportjournalist Alain Vernon: "Anstatt Damien Ressiot zu unterstützen und diese Linie in L'Equipe weiter zu verfolgen, schlägt man spätestens 2009, als Armstrong zurückkehrt, eine neue Richtung ein, man schmeißt A.S.O.-Präsident Patrice Clerc raus, klopft Damien Ressiot auf die Finger und sagt ihm, er möge Ruhe geben und verfolgt von da an eine andere Linie in der Berichterstattung."

    In der Tat tauchte der Name Ressiot danach immer seltener in den Spalten von L'Equipe auf, inzwischen hat er dem Journalismus den Rücken gekehrt und ist heute Direktor der Kontrollabteilung der französischen Antidopingagentur.
    Die Trophäe der Rallye Dakar 2017
    Die Trophäe der Rallye Dakar 2017 (AFP / FRANCK FIFE)
    Eigenlob in Sachen Doping
    Welchem Druck er seitens von A.S.O. als Dopingspezialist bei L'Equipe ausgesetzt war, mag man aus seinen Worten über den langjährigen Tour de France-Direktor Jean Marie Leblanc entnehmen: "Jean Marie Leblanc hat in einem Buch geschrieben, dass ich ein fieser Typ sei und dass meine Artikel über Armstrong in L'Equipe nichts verloren hätten, dass ich einer sei, der in den Mülleimern herumstochert. Ich bin froh, ihm persönlich nie begegnet zu sein und hab nicht den geringsten Respekt vor ihm, besonders nicht als ehemaligem Chef der Tour de France .
    A.S.O.-Generaldirektor Le Moenner hindert das heute nicht daran, mit Stolz geschwellter Brust zu sagen: "Wir haben das Dopingproblem beim Schopf gepackt, wir können heute in den Spiegel schauen und sagen: was im Radsport in Sachen Dopingbekämpfung getan wurde, müsste vielen anderen Sportarten als Beispiel dienen."
    Rückschlag in der Wüste
    Währenddessen kennt A.S.O.-Präsident Jean-Etienne Amaury heute ohnehin nur ein Thema: die weitere Internationalisierung des Radsports mithilfe seines Unternehmens: "Auch die erste Teilnahme eines afrikanischen Teams bei der Tour 2015 zum Beispiel, das war eine exzellente Neuigkeit für den Radsport, weil so etwas den Horizont für die Entwicklung dieses Sports nochmals erweitert."
    Alles gelingt A.S.O. bei der Internationalisierung des Radsports dann aber doch nicht. Die 2002 mit grossem Pomp aus der Taufe gehobene "Katar- Rundfahrt", für die Radprofis, vor allem die Sprinter, Anfang Februar bisher stets so etwas wie der Saisonauftakt in der Wüste, musste im vergangenen Jahr abgesagt werden - es fanden sich nicht mehr genügend Sponsoren.