Dienstag, 19. März 2024

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Amtsübergabe in den USA eingeleitet
"Das ist von eminenter praktischer Bedeutung"

US-Präsident Donald Trump macht jetzt formal den Übergang für seinen Nachfolger Joe Biden frei. Da sei symbolisch bedeutsam, aber vor allem praktisch wichtig, sagte der Politologe Michael Dreyer im Dlf. Die Vorbereitung einer neuen Regierung koste Zeit - und Geld, das nun offiziell zur Verfügung stehe.

Michael Dreyer im Gespräch mit Jasper Bahrenberg | 24.11.2020
Der gewählte US-Präsident Joe Biden im November 2020
Joe Bidens Team braucht Zeit, um sich auf die Regierungsgeschäfte vorzubereiten. Darum ist die offizielle Einläutung der Übergangsphase ein wichtiger Schritt, erklärt der Politologe Dreyer. (picture alliance / ZUMA / Biden Presidential Transition Video Feed)
Nicht weniger als 34 Gerichtsverfahren hat das Trump-Lager nach den Präsidentschaftswahlen inzwischen verloren in den Vereinigten Staaten und nur zwei gewonnen. Um eine bedeutende Zahl von Stimmen ging es aber in keinem von beiden. Arizona, Georgia, Wisconsin und zuletzt Michigan – ein wahlentscheidender Bundesstaat nach dem anderen verkündet offiziell den Sieg für Joe Biden.
Seine Niederlage mag Trump noch immer nicht ausdrücklich eingestehen. Immerhin aber macht er jetzt den Weg frei für wichtige Schritte im Übergang zu einer neuen US-Regierung, während Joe Biden erste wichtige Personalentscheidungen trifft. Biden habe bereits eine "beeindruckende Liste von Namen" vorgelegt, sagte Michael Dreyer im Dlf. Er leitet den Bereich politische Theorie und Ideengeschichte am Institut für Politikwissenschaft der Uni Jena.
Der Jenaer Politikwissenschaftler Michael Dreyer steht an einem Rednerpult
Das politische System der USA gehört zu den Arbeitsschwerpunkten des Jenaer Politikwissenschaftlers Michael Dreyer (ZB)
Das neue Personal müsse nun in seine neuen Ministerien und Arbeitsbereiche eingeführt werden. "Das sind nicht nur die Minister, sondern es sind mehrere tausend Jobs, die jetzt wechseln werden." Das benötige eine entsprechende Vorbereitung, koste Zeit und Geld - das nun durch die formale Einläutung des Übergangsprosesses zu einer neuen US-Regierung verfügbar sei. "Das ist von eminenter praktischer Bedeutung", so Dreyer im Dlf-Interview.
Die Übergangszeit nach der US-Wahl
Die ganze Welt zählt die Tage, bis dieser unberechenbare US-Präsident sein Amt am 20. Januar 2021 aufgeben muss, kommentiert Thilo Kößler. Doch bis dahin könne Donald Trump noch einiges unternehmen, um seinem Nachfolger den Start schwer zu machen.

Das Interview im Wortlaut:
Jasper Barenberg: Der Übergangsprozess von Trump und Biden wird jetzt formal in Gang gesetzt. Das ist symbolisch sicherlich von großer Bedeutung. Wo sehen Sie die größten praktischen Folgen?
Michael Dreyer: Die symbolische Bedeutung würde ich nicht in Abrede stellen, aber die praktische Bedeutung ist noch viel größer. Das amerikanische politische System funktioniert ja anders als bei uns. Bei uns sind die wesentlichen Minister in der Regel diejenigen, die auch schon im Parlament gesessen haben, während die Regierung in den USA erst rekrutiert wird, in der Regel von außerhalb, Leute mit früherer Erfahrung, aber die zumindest die letzten vier Jahre nicht mehr Insider gewesen sind, und die müssen eingeführt werden in ihre neuen Ministerien, in ihre neuen Arbeitsbereiche, und das sind nicht nur die Minister, sondern es sind mehrere tausend Jobs, die jetzt wechseln werden. Und das geht nicht ohne eine entsprechende Vorbereitung und die kostet auch Geld, und alles das stand nicht zur Verfügung bislang. Das ist von eminenter praktischer Bedeutung.
"In den Ministerien gab es diese Bereitschaft auch vorher schon"
Barenberg: Kann man denn davon ausgehen, wenn Donald Trump grünes Licht gibt, dass es in den verschiedenen Ministerien jetzt auch die Bereitschaft gibt, mit dem Team von Joe Biden zusammenzuarbeiten und die Informationen, die dort wichtig sind, auch zur Verfügung zu stellen?
Dreyer: In den Ministerien gab es diese Bereitschaft auch vorher schon, jedenfalls zu einem wesentlich höheren Grade als im Weißen Haus. In den Ministerien, abgesehen von einer kleinen politischen Führungsschicht, sitzen professionelle Beamte, die als Karrierebeamte ihr ganzes Leben dieser Arbeit gewidmet haben, und die haben mit den unterschiedlichsten Administrationen schon zusammengewirkt. Die sind immer bereit, mit einem neuen Präsidenten zusammenzuarbeiten. Nur bislang durften sie es nicht.
Jetzt geht es, und ich bin sicher, dass bei den professionellen Mitarbeitern der Ministerien das kein Problem sein wird. Die Leute an der politischen Spitze, das kann eine andere Sache sein.
Die damalige Präsidentin der US-Notenbank Federal Reserve, Janet Yellen, im Dezember 2017 bei einem Auftritt in Washington
Biden setzt auf Kompetenz und Regierungserfahrung
Die Übergangsphase zur Präsidentschaft Joe Bidens hat begonnen. Trumps Nachfolger setzt bei den Ministerämtern unter anderem auf profilierte Frauen wie die Ex-Notenbank-Chefin Janet Yellen.
"Kein Mensch weiß, was Trump wirklich vorhat"
Barenberg: Nun weigert sich Trump ja weiterhin, tatsächlich seine Niederlage einzuräumen, selbst wenn er den Weg jetzt für den Übergangsprozess freigegeben hat. Was bezweckt Trump damit?
Dreyer: Das ist eine sehr gute Frage. Es könnte sein, dass er seine Relevanz in der Welt nach dieser Präsidentschaft weiterhin behalten möchte, und das heißt insbesondere seinen Einfluss auf die Republikanische Partei. Kein Mensch weiß, was Herr Trump wirklich vorhat. Es ist möglich, dass er jetzt sagt, das war es mit der Politik, aber es ist auch möglich, dass er versucht, für 2024 ein Comeback vorzubereiten, und für den Fall müsste er die Kontrolle über die Partei, die er im Moment noch hat, aufrechterhalten. Das wird nicht einfach sein, aber vielleicht ist das die Richtung, in die er gehen will.
Dass er ernsthaft glaubt und dass die Leute in seiner Umgebung glauben, sie könnten wirklich diese Wahl noch durch irgendwelche Tricks gewinnen, das halte ich für ausgeschlossen, zumal ja inzwischen mehr und mehr Republikaner sich auch gegen diese Taktik des Präsidenten aussprechen. Die letzten Versuche in Michigan und in Pennsylvania waren ja die gleichen Misserfolge wie alle weiteren Versuche vorher. Vielleicht hat das jetzt ein bisschen Eindruck hinterlassen.
Barenberg: Wenn es am Ende so ist, dass er gegen all diese Tatsachen weiter am Mythos strickt, dass er die Wahl im Grunde genommen zu Unrecht verloren hat, wäre das dann so etwas wie politische Brunnenvergiftung, wie es Wolfgang Ischinger ausdrückt, der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz?
Dreyer: Das ist ein starkes Wort, aber es ist kein falsches Wort. Es trägt auf jeden Fall zur ohnehin schon starken Polarisierung der USA bei. Die USA sind in der Bevölkerung tief in zwei politische Lager gespalten und das ist in der Regierungszeit von Präsident Trump nur noch schlimmer geworden. Er hat offenbar keinerlei Ambitionen, daran irgendwas zu ändern, sondern das wird weiterhin bestehen.
Barenberg: Wenn es so kommt, dass Donald Trump in der Niederlage noch so viel Schaden wie möglich anrichten möchte, was bedeutet das jetzt für die nächsten Wochen und Monate, für den Start der Administration von Joe Biden? Wir haben immerhin in den USA die verheerenden Folgen der Corona-Pandemie, die Wirtschaftskrise. Da müssen ja auch Entscheidungen jetzt gefällt werden in den nächsten Monaten. Wird das passieren, wird das möglich sein?
Dreyer: Das wird passieren, aber das wird wahrscheinlich erst nach dem 20. Januar passieren. Die letzten Aktionen hier, insbesondere die Entscheidung von Steven Mnuchin, einige Hilfsprogramme zu beenden, anstelle sie fortzusetzen, sind angesichts der, wie Sie sagten, katastrophalen wirtschaftlichen Lage ein riesiges Problem, und man hat fast den Eindruck – die "New York Times" hat das auch schon so geschrieben -, dass Donald Trump vorhat, auf seinem Weg nach draußen auch die Wirtschaft mitzunehmen und sie so schlecht wie möglich seinem Nachfolger zu hinterlassen, was von einer reinen Frage der politischen Taktik durchaus Sinn ergeben würde, was aber natürlich für das Land katastrophal wäre.
"Sehr beeindruckende Liste von Namen, die Biden vorgelegt hat"
Barenberg: Wir haben in dem Bericht eben auch von den ersten wichtigen Personalentscheidungen gehört, die Joe Biden getroffen hat, was den Außenminister angeht, den Heimatschutzminister, die Finanzministerin. Wenn Sie einen Strich darunter machen, was für ein Signal zeichnet sich da bisher ab? Manche sprechen auch schon etwas spöttisch von den Veteranen von Barack Obama.
Dreyer: Ja, das ist nicht verkehrt, aber das ist ja auch völlig normal, denn woher soll ein neuer Präsident seine Leute mit Regierungserfahrung bekommen, wenn nicht aus der letzten Administration, die von seiner Partei gestellt wurde. Das ist bei allen Präsidenten der Fall. Es ist in der Regel eine Mischung aus alten Vertrauten des gewählten Präsidenten, aus Veteranen der letzten Administration – und das kann sich auch überlappen – und dann aus dem einen oder anderen Kongressabgeordneten und brillanten Außenseiter, und in der Regel ist auch mindestens einer der anderen Partei dabei.
Dazu wird Biden darauf Rücksicht nehmen müssen, dass es Leute gibt, die die Wählerschicht seiner Partei verkörpern, und das ist ja auch schon geschehen. Es gibt bereits schwarze Frauen in der Administration, die UNO-Botschafterin, es gibt Hispanics darin. Was übrigens auch noch ein verbindender Faktor ist der bislang wenigen bekannt gewordenen Namen ist, dass sie allesamt über eine herausragende akademische Ausbildung verfügen. Die kommen bislang praktisch alle nicht nur von den besten Universitäten der USA, sondern haben auch als Roads Color und so internationale Erfahrung gesammelt. Es ist schon bislang eine sehr beeindruckende Liste von Namen, die Biden vorgelegt hat.
Barenberg: Herr Dreyer, wir haben nicht mehr allzu viel Zeit, aber eines wollte ich Sie noch zur Außenpolitik fragen. Auch für Sie steht fest, es wird anders im Ton mit Joe Biden, aber jedenfalls nicht leichter bei vielen Themen?
Dreyer: Der Ton macht schon einen Unterschied aus, aber Sachen wie das Zwei-Prozent-Ziel beispielsweise, das wir ja freiwillig eingegangen sind, und zwar nicht erst in der Trump-Administration, daran wird auch Joe Biden festhalten.
Barenberg: Bei den Verteidigungsausgaben.
Dreyer: Ja, die Verteidigungsausgaben. Genau! – Daran wird auch Joe Biden festhalten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.