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Analyse
Wie wurde gewählt, wie wird regiert?

Für die Regierungschefs in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt könnte es trotz einiger Verluste weitergehen. Voraussetzung ist, dass sie sich auf neue Koalitionen einlassen. Die AfD wird es wohl nicht an die Macht schaffen. Wie haben die Wähler abgestimmt und welche Konstellationen sind möglich? Eine Analyse.

Von Volker Finthammer | 14.03.2016
    Winfried Kretschmann und seine Frau Gerlinde stehen auf einem Podium und lassen sich feiern, Kretschmann streckt die Arme in die Luft.
    Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, lässt sich von Anhängern auf der Wahlparty in Stuttgart feiern. (dpa / Daniel Maurer)
    Es war ganz offensichtlich der Streit über die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, der die Wähler wieder an die Urnen getrieben und zu den polarisierten Wahlergebnissen geführt hat. In allen drei Bundesländern fiel die Wahlbeteiligung deutlich höher aus, und profitiert davon hat in erster Linie die AfD.
    Zwar konnte die Protestpartei auch allen anderen Parteien Wähler abjagen, und da ganz besonders der Union. Aber in allen drei Bundesländern kommt der größte Zuwachs aus der Gruppe der bisherigen Nichtwähler, die ihren Protest zum Ausdruck bringen wollten. In Sachsen-Anhalt ist die AfD dadurch zweitstärkste Partei geworden, und auch in Baden-Württemberg hat es die AfD noch vor die SPD auf den dritten Platz geschafft.
    Baden-Württemberg
    Wahlsieger in Stuttgart wurden mit 30,3 Prozent jedoch Winfried Kretschmann und die Grünen. Zum zweiten Mal in Folge konnte die Partei deutlich zulegen, was ganz offensichtlich dem Erfolg des Ministerpräsidenten geschuldet ist. Neben vielen Nichtwählern haben die Grünen auch erhebliche Zuwächse aus den Reihen der Union und der SPD erzielen können.
    Gerade die starke Wanderung von SPD-Wählern hin zu den Grünen dürfte wesentlich für das schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten verantwortlich sein, die nur noch auf 12,7 Prozent der Stimmen kommen. Die SPD konnte auch keine Nichtwähler mobilisieren.
    Das gilt auch für die CDU, die in Baden-Württemberg auf nur noch 27 Prozent der Stimmen kommt und damit ein historisches Tief erreicht hat. Die ehemals christdemokratischen Wähler sind zur AfD, zu den Grünen und der FDP abgewandert.
    Rund ein Viertel aller AfD-Wähler kommen von der Union. Aber die Protestpartei konnte auch in Baden-Württemberg mehr als alle anderen Parteien aus dem Lager der Nichtwähler Stimmen auf sich ziehen und landet mit 15,1 Prozent auf dem dritten Platz.
    Auch die Liberalen haben Dank der Abwanderung von CDU-Wählern zulegen können und kommen auf 8,3 Prozent der Stimmen. Die FDP wird eine wichtige Rolle spielen, wenn es um die künftige Regierungskoalition geht. Rechnerisch sind sowohl eine Koalition von Grünen und der Union möglich als auch eine grün-rot-gelbe. Es könnte aber auch sein, dass der Wahlgewinner Kretschmann sein Amt verliert, sollte es Union und FDP gelingen, die SPD für eine schwarz-rot-gelbe Koalition ins Boot zu holen.
    Rheinland-Pfalz
    Diese Sorgen hat die SPD in Rheinland-Pfalz jedoch nicht. Sie wurde mit 36,2 Prozent stärkste Partei, und die CDU muss sich mit 31,8 Prozent und dem zweiten Platz zufriedengeben. Ausschlaggebend war hier offensichtlich die Persönlichkeitswahl zwischen Malu Dreyer und ihrer Herausforderin Julia Klöckner.
    Die hat im Endspurt wohl auch dazu geführt hat, dass viele grüne Wähler ihre Ministerpräsidentin retten wollten. Der Zustrom grüner Wähler steht an erster Stelle der Zuwächse für die SPD und macht mehr als die Hälfte der Verluste für die Grünen aus, die in Rheinland Pfalz nur noch auf 5,3 Prozent der Stimmen kommen und 10,1 Prozentpunkte eingebüßt haben. Die AfD kommt auch hier auf den dritten Platz, allerdings mit dem niedrigsten Ergebnis aller drei Landtagswahlen und 12,4 Prozent.
    Die FDP ist mit 6,1 Prozent wieder im Landtag und könnte sogleich zu einem notwendigen Koalitionspartner werden, da es für Rot-Grün nicht mehr reicht. Aber auch eine Große Koalition wäre in Mainz denkbar, gilt jedoch als unwahrscheinlich.
    Sachsen-Anhalt
    In Sachsen-Anhalt schließlich könnten nach dem desaströsen Abschneiden der SPD die Grünen zum zweiten Mal seit 1994 an einer Regierung in Magdeburg beteiligt werden. Eine schwarz-rot-grüne Koalition gilt nach dem starken Abschneiden der AfD als der einzige Ausweg.
    Die CDU bleibt stärkste Partei im Land und kommt auf 29,8 Prozent der Stimmen. Gefolgt von der AfD, die 24,4 Prozent der Stimmen gewinnt und auf Anhieb auf die Linkspartei überholt, die nur noch 16,3 Prozent der Stimmen bekam und eine erhebliche Anzahl von Wählern an die AfD abgeben musste.
    Doch verliert die Linke weniger als die SPD, die ihr Ergebnis geradezu halbiert hat und nur noch 10,6 Prozent der Stimmen erzielt. Die ehemaligen Wähler der SPD sind zur Union, zur AfD und den Nichtwählern abgewandert.
    Auch die Grünen verlieren Wähler, die ihre Stimme lieber der CDU und der AfD geben, und landen mit Verlusten bei nunmehr noch 5,2 Prozent. Dennoch werden sie gerade sie für die künftige Regierung in Magdeburg gebraucht, zumal es die FDP erneut nicht in den Landtag geschafft hat.