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Andere Kürzel, gleicher Konflikt

Netzpolitik.- Wenn neue Richtlinien durchgebracht werden sollen, die womöglich die Freiheiten von Netznutzern beschneiden, wird oft versucht, die Öffentlichkeit auszugrenzen – wie im Fall von ACTA. Ähnliches passiert nun bei IPRED und CETA.

Wissenschaftsjournalist Achim Killer im Gespräch mit Manfred Kloiber | 11.08.2012
    Manfred Kloiber: IPRED und CETA, die Intellectual Property Rights Enforcement Direktive und das Comprehensive Economic and Trade Agreement. Informationen von Achim Killer waren das über diesen schwierigen Begriffe. Mit ihm bin ich jetzt verbunden. Herr Killer, da war ja ganz schön viel Konjunktiv in Ihrem Beitrag. Gibt es eigentlich nichts Konkretes, wovon man definitiv weiß, dass es auf die Surfer zukommen wird?

    Achim Killer: Nein, und das ist ja mit ein Grund für die Proteste – also für die, stattgefunden haben und für die, die anstehen.

    Kloiber: Warum das?

    Killer: Na ja, am Anfang stehen Wirtschaftsabkommen. ACTA und CETA sind Wirtschaftsabkommen. Und IPRED beruht auf TRIPS, dem Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, wie das heißt – auch ein Wirtschaftsabkommen. Die werden von Regierungen ausgehandelt und unterschrieben. Und erst anschließend vom Gesetzgeber, vom Parlament ratifiziert – oder eben auch nicht, wie’s bei ACTA der Fall war. Normalerweise läuft die Gesetzgebung in Demokratien aber gerade anders herum. Da ist das Parlament – und damit die Öffentlichkeit – von Anfang an mit dabei. Über ACTA beispielsweise wurde seit 2006 verhandelt - geheim. Und erst 2010 kamen erste Ergebnisse an die Öffentlichkeit – über undichte Stellen. Die wurden geleakt. Und bei CETA ist’s genauso. Verhandelt wird seit 2009. Und erst vor ein paar Monaten wurden Zwischenstände der Gespräche bekannt – auch wieder geleakt. Also von Beginn an mit einbezogen ist nur die Wirtschaft – im Sinne von Unternehmen. Die Industrie weiß natürlich ihre Experten und Lobbyisten zu platzieren. Der Rest, die Arbeitnehmer und die Konsumenten, die bleiben systematisch außen vor. Die Netz-Öffentlichkeit wäre ja unterentwickelt, wenn sie bei solchen Vorgehensweisen nicht protestieren würde.

    Kloiber: Aber dass es bei IPRED II, also der geplanten EU-Richtlinie, um die Internet-Service-Provider geht, das ist ja öffentlich bekannt.

    Killer: Ja, nach allem, was man so hört, halt. Es geht nicht um neues Recht, sondern um die Durchsetzung von altem Recht, um die Durchsetzung der Rechte an geistigem Eigentum, im Wesentlichen um die Durchsetzung von Urheberrechten. Und da haben die Internet-Dienstleister natürlich eine Schlüsselposition. Das hat ja auch gestern das Urteil des Bundesgerichtshofs gezeigt, dass die Anschlusskennungen herausgegeben werden müssen. Unternehmen wie YouTube, Facebook oder Rapidshare gehören die Rechner, auf denen problematisches Material gespeichert ist. Und den Telecoms gehören die Leitungen dahin.

    Kloiber: Aber die Kritiker von ACTA oder CETA oder IPRED machen sich ja keine Sorgen um das Wohlergehen der Internet-Konzerne, sondern die befürchten doch eigentlich Überwachung.

    Killer: Wohl zu Recht. Denn wenn die Provider haften, dann werden sie natürlich ihre Kunden überwachen, um Schadensansprüche zu vermeiden. Und Provider können das am besten, weil sie an der Quelle sitzen. Ihnen gehören ja die Rechenzentren.

    Kloiber: Und was glauben Sie jetzt, wann beginnt die neue Protestwelle im Netz?

    Killer: Das ist schwer zu sagen. Durch das vorläufige Scheitern von ACTA sind ja auch die Verhandlungen über IPRED und CETA ins Stocken geraten. Da wird jetzt wohl nach unverfänglicheren Formulierungen gesucht. Die kanadische Regierung etwa hat erklärt, dass die Passagen aus ACTA zur Provider-Haftung jetzt nicht mehr eins zu eins in den CETA-Text übernommen werden sollen. Was stattdessen rein soll, hat sie natürlich nicht gesagt. Also das Ganze kann sich ziehen. Aber irgendwann müssen die Dokumente halt auf den Tisch. Und dann bricht der Konflikt wieder auf.

    Kloiber: Oder er verläuft sich.

    Killer: Nein, ganz bestimmt nicht. Dafür ist der Konflikt zu grundsätzlich. In der Anfangszeit des heutigen Urheberrechts – Copyright, wie’s auf Englisch heißt - da brauchte man ja noch eine richtige Druckerei, um es überhaupt verletzen zu können. Aber heute hat fast jeder mindestens eine hochleistungsfähige Kopiermaschine für Text, Audio und Video - daheim oder in der Hosentasche – einen PC oder ein Smartphone halt. Da muss man die rechtliche und die technische Entwicklung erst einmal wieder zusammenführen. Da müssen Grundsatzentscheidungen getroffen werden. Und das geht nicht in Geheimgesprächen. Also die Ausgangslage ist die gleiche, wie vor Beginn der ACTA-Proteste. Das Einzige, was sich geändert hat, sind die Kürzel, an denen sich die Proteste entzünden werden.