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Anfeindung durch Rechtsextreme
Bundespolitiker reagieren bestürzt

Dass ein ehrenamtlicher Bürgermeister in Sachsen-Anhalt auf Druck von Rechtsextremen zurücktritt, sorgt auch in Berlin parteiübergreifend für Aufruhr. Nach Ansicht der Opposition ist aber auch die Bundesregierung mit dafür verantwortlich, dass es soweit kommen konnte.

Von Katharina Hamberger | 11.03.2015
    Das Foto Das Ortsschild von Tröglitz (Sachsen-Anhalt).
    Ein Ortsschild von Tröglitz (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
    Dass der Rücktritt von Markus Nierth nun solche Wellen schlägt, ist für Anette Kahane, der Vorsitzenden der Amadeu Antonio Stiftung, fast schon als positives Zeichen zu werten, denn früher, in den 90ern, sei die Aufmerksamkeit bei solchen Fällen gegen Null gegangen:
    "Damals bestand praktisch in allen Orten diese Gefahr und es gab überhaupt keine Resonanz bei den Medien und in der Politik. Damals war die Aggression noch um ein Vielfaches höher, es haben dauernd irgendwelche Asylbewerberheime gebrannt und es ist nicht bemerkt worden, es ist nicht besprochen worden. Es fällt jetzt auf, weil wir inzwischen ein gewisses Bewusstsein dafür erkämpft haben", sagte Kahane im Deutschlandfunk.
    Tröglitz kein Einzelfall
    Ihre Stiftung unterstützt Projekte und Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus einsetzen. Die Aufmerksamkeit bekommt der Fall von Tröglitz sowohl medial also auch von der Politik - parteiübergreifend. Bereits gestern sagte Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD, es sei ein Trauerspiel der Demokratie, wenn ein gewählter Bürgermeister wegen Anfeindungen von Neonazis zurücktreten müsse:
    "Eigentlich hat jemand, der Flüchtlingen in Not helfen will, unser aller Unterstützung in vollem Umfang verdient. Die Unterstützung der Zivilgesellschaft und auch der Behörden."
    Ähnlich reagierte auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz: Gerade, wer sich für die Schwachen, für Flüchtlinge einsetze, müsse auf die volle Unterstützung er Zivilgesellschaft zählen können. Dass Tröglitz auch heute kein Einzelfall ist, darauf verwies Armin Laschet, Vorsitzender der CDU in Nordrhein-Westfalen, in der ARD:
    "Wir erleben vergleichbares hier in Dortmund, wo ebenfalls die rechtsradikale Szene ehrenamtliche Ratspolitiker bedroht und da muss die Polizei von Anfang an signalisieren, das ist nicht akzeptabel in einem Rechtsstaat."
    Kritik an fehlender Willkommenskultur
    Die Opposition sieht ein Problem und eine Ursache für einen solchen Fall wie in Tröglitz auch in der deutschen Flüchtlings- und Asylpolitik. Grünen-Chefin Simone Peter sagte der ARD:
    "Menschen machen sich auf den Weg vor Krieg, vor Hunger, vor Terror und deswegen hätte es vor Jahren schon sein müssen, dass wir mehr Unterbringungsmöglichkeiten aufbauen, dass wir für eine bessere Versorgung der Flüchtlinge da sind."
    Als inakzeptabel bezeichnete es Linken-Chef Bernd Riexinger, dass Fackelzüge bis vor die Privatwohnung eines Bürgermeisters in Tröglitz möglich wären und nicht von den Behörden verhindert worden seien. Aber nicht nur sie hätten anders handeln müssen. Die Bundesregierung trage die Verantwortung dafür, dass anstatt einer Willkommenskultur in einigen Teilen Deutschlands Ressentiments gegenüber Flüchtlingen überwiegen würden.