Christiane Kaess: Die Namen sind so schillernd wie unterschiedlich. Ex-Tennisprofi Boris Becker, Telekom-Vorstandschef René Obermann, Foodwatch-Chef Thilo Bode, Investor Nicolas Berggruen, die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen, die Schauspielerin Uschi Glas oder der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch – sie alle schreiben zum Auftakt der deutschen Ausgabe der US-Online-Zeitung "Huffington Post", die heute an den Start geht. Außerdem jede Menge freie Autoren, und zwar für nichts. Seit Tagen löst das Geschäftsmodell kontroverse Diskussionen in der deutschen Medienlandschaft aus. Horst Röper vom FORMATT-Institut ist Zeitungsforscher und beschäftigt sich seit Langem mit den Entwicklungen auf dem Zeitungsmarkt und er ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Horst Röper: Ich grüße Sie.
Kaess: Herr Röper, der Geschäftsführer von Huffingtons deutschem Partner, Oliver Eckert, hat gesagt, wir haben ambitionierte Wachstumsziele, und spätestens nach fünf Jahren wolle man zu den fünf größten Nachrichtenangeboten in Deutschland gehören und schon nach zwei Jahren wolle man profitabel sein. Ist das realistisch?
Röper: Nein, ich denke eher nicht. Das ist sehr ambitioniert, in Sonderheit schon spätestens 2016 in den schwarzen Zahlen zu sein. Ich glaube, das wird so kaum funktionieren. Dazu reicht in der Regel das Werbeaufkommen, was für journalistische Angebote im Internet zur Verfügung steht, nicht aus.
Kaess: Wie läuft denn das Geschäftsmodell in den USA, denn man hört auf der einen Seite, es ist erfolgreich, auf der anderen heißt es, überleben kann die Zeitung nur, weil sie subventioniert wird?
Röper: Nun, in den USA hatte die "Huffington Post" den großen Vorteil, dass sie sehr früh gestartet ist, als andere im Internet eher noch geschlafen haben, und dann mit einem für die damalige Zeit sehr ungewöhnlichen Angebot auf den Markt gekommen ist, damit dann Erfolg hatte. Das heißt, Erfolg im Internet heißt viele Nutzer, und an diesen Nutzern ist die werbende Industrie, der Handel interessiert. Die Werbeeinnahmen sind dann aufgelaufen. Das ist in Deutschland bislang anders gewesen. Selbst hier die Angebote mit großen Redaktionen haben Schwierigkeiten, sich zu refinanzieren. Die allermeisten journalistischen Angebote im Internet sind defizitär.
Kaess: Sie sagen, es ist ein ungewöhnliches Format. Was ist daran besonders?
Röper: Für die damalige Zeit waren ja, Blogger in ein auch in Teilen zumindest journalistisch professionell gemachtes Angebot einzubinden, ein neuer Weg. Das kannte man so nicht und das hat Ariane Huffington sehr früh begonnen, hat Blogger eingebunden, die sich dann auch einen Namen gemacht haben. Es kamen andere Sichtweisen über das Internet in den professionellen Journalismus hinein. Das ist heute State of the Art bei vielen, Beiträge von anderen in das eigene Angebot hineinzuholen beziehungsweise auf sie zu verweisen, auf sie zu verlinken. Das machen alle im Internet, insofern fehlt da der echte Neuigkeitswert.
Kaess: Und wie verhalten sich deutsche und amerikanische Nutzer, wenn man die beiden gegeneinanderstellt? Rechnen Sie da mit Unterschieden?
Röper: Ja ich denke schon, wir werden diese Unterschiede haben, weil wir inzwischen natürlich ein etabliertes Internet haben, in dem sich viele auch namhafte Angebote durchgesetzt haben, also etwa "Spiegel" oder die "Süddeutsche", natürlich auch "Bild" oder auch "Tagesschau.de". Auf diesem Markt nun mit diesem neuen Angebot zu starten, ist jetzt schwieriger, als das in den USA der Fall war, als Frau Huffington damals 2005 gestartet ist. Also andere Voraussetzungen, und nur mit unbezahlten Bloggern oder im Wesentlichen mit unbezahlten Bloggern arbeiten zu wollen, zeigt schon ein Geschäftsmodell auf, von dem man ja offensichtlich auch nicht erwartet, dass die Geldquellen sprudeln werden.
Kaess: Und genau um diese Autoren, die dort frei arbeiten, darüber ist eine Kontroverse entbrannt in den letzten Tagen. Warum machen Autoren das?
Röper: Sicherlich zum einen, wie Sie schon in der Anmoderation gesagt haben, dass sie auf ihre eigenen Blogs verweisen wollen. Man setzt darauf, dass die "Huffington Post" andere Zielgruppen anspricht als der eigene Blog und dass dieser eigene Blog dann bekannter wird über Beiträge in diesem neuen Angebot von der "Huffington Post". Zum anderen geht es sicherlich auch um Eitelkeit und wir wissen natürlich auch, viele von diesen Bloggern haben viel Zeit. Die "FAZ" hat gestern geschrieben, dass das vielleicht Angebote seien von Unbezahlten für Gelangweilte. Ich habe eher die Vermutung, es sind oft Angebote von Gelangweilten für Gelangweilte. Da wird man abwarten müssen, welche Qualität sich denn da wirklich zeigen wird.
Kaess: Und geht dieses Konzept auf, sich darüber einen Namen zu machen?
Röper: Wenn denn die "Huffington Post" ähnlich wie in den USA hier zu einem Erfolg würde, dann werden natürlich auch die Blogger und deren Blogs von dieser Prominenz, von dem Bekanntheitsgrat profitieren. Aber ob das so kommen wird? Wenn man startet mit Promis wie Boris Becker, macht man sich zumindest in jenen Teilen des Publikums, das ernsthaften Journalismus sehen will, wahrscheinlich nicht viele Freunde.
Kaess: Aber offensichtlich wirkt dieses Forum auch für Prominente, denn der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, macht heute schon Schlagzeilen mit seinem Gastbeitrag für die "Huffington Post Deutschland". Er sagt, die Todesstrafe kann seiner Ansicht nach einem Mord gleichkommen, der lediglich in einem bürokratischen Gewand auftritt, um den Schein der Legalität zu wahren. So Zollitsch auf der "Huffington Post Deutschland". Warum stellen Sie sich vor, nutzt er dieses Medium?
Röper: Heute ist ihm natürlich sicher, weil auch gerade der Journalismus auf dieses neue Angebot am ersten Tag schaut, dass sein Beitrag viel Prominenz erreichen wird. Das, denke ich, ist sicherlich ein geschickter PR-Zug. Aber für die "Huffington Post" wird es darum gehen, ähnliche Angebote, spektakuläre Angebote, sehr eigenständige und exklusive Geschichten täglich zu haben. Ob das gelingt, da habe ich doch meine Zweifel, wenn man sieht, dass zumindest zunächst nur 15 festangestellte Redakteure für dieses Angebot arbeiten werden.
Kaess: Sie haben die Qualität der Berichterstattung angesprochen. Jetzt muss man fairerweise sagen, dass die "Huffington Post" wegen ihrer Berichterstattung mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet worden ist. Ist das eigentlich der Beweis, dass guter Journalismus auch so funktionieren kann?
Röper: Ja sicherlich ist es der Beweis dafür. Allerdings in einer Phase, als dieses Angebot längst gesattled war am Markt, als man sich am Markt durchgesetzt hatte und über eine deutlich größere Redaktion verfügte, mit Reportern, mit Journalisten, die sich andernorts schon einen Namen gemacht haben. Das ist ja hier in Deutschland zunächst einmal mit der kleinen Kasse, mit der man startet, ganz anders. Ob denn tatsächlich die Redaktion professionalisiert werden kann, ob sie ausgebaut werden kann, das muss man abwarten.
Kaess: Gibt es auf der anderen Seite einen Gegentrend im Internet dahin, dass man auch wieder für Inhalte zahlen muss und das auch gerne von den Nutzern angenommen wird?
Röper: Nein, so weit sind wir nicht. Aber das wäre ganz entscheidend, zumal für die journalistischen Angebote im Netz, denn die allermeisten Anbieter – es sind ja überwiegend Verlage und andere Medienhäuser – arbeiten im Internet verlustreich und diese Verluste sind nur aufzufangen, wenn denn das Publikum bereit wäre, im Internet auch zu zahlen. Noch allerdings wirkt die Gratismentalität, die sich im Internet etabliert hat, nach und ob sich vor allem die deutschen Verlage, die es ja derzeitig versuchen, mit solchen bepreisten Angeboten durchsetzen können, das ist noch offen.
Kaess: Und was bedeutete das wiederum für den Journalismus?
Röper: Wenn wir tatsächlich im Internet nicht zu einer bezahlten Mentalität kommen, dann sehe ich schwarz für den Journalismus, denn wir müssen ja konstatieren, dass wir in Sonderheit bei den Printmedien immer mehr an Werbeeinnahmen verlieren, dass die wirtschaftliche Basis der Verlage immer geringer wird, und dann wird die Finanzierung des Journalismus außerhalb zum Beispiel des öffentlich-rechtlichen Bereiches sicherlich sehr, sehr schwierig.
Kaess: Die Einschätzung von Horst Röper vom FORMATT-Institut. Er ist Zeitungsforscher und wir haben gesprochen über den Start der deutschen "Huffington Post" heute. Danke für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Horst Röper: Ich grüße Sie.
Kaess: Herr Röper, der Geschäftsführer von Huffingtons deutschem Partner, Oliver Eckert, hat gesagt, wir haben ambitionierte Wachstumsziele, und spätestens nach fünf Jahren wolle man zu den fünf größten Nachrichtenangeboten in Deutschland gehören und schon nach zwei Jahren wolle man profitabel sein. Ist das realistisch?
Röper: Nein, ich denke eher nicht. Das ist sehr ambitioniert, in Sonderheit schon spätestens 2016 in den schwarzen Zahlen zu sein. Ich glaube, das wird so kaum funktionieren. Dazu reicht in der Regel das Werbeaufkommen, was für journalistische Angebote im Internet zur Verfügung steht, nicht aus.
Kaess: Wie läuft denn das Geschäftsmodell in den USA, denn man hört auf der einen Seite, es ist erfolgreich, auf der anderen heißt es, überleben kann die Zeitung nur, weil sie subventioniert wird?
Röper: Nun, in den USA hatte die "Huffington Post" den großen Vorteil, dass sie sehr früh gestartet ist, als andere im Internet eher noch geschlafen haben, und dann mit einem für die damalige Zeit sehr ungewöhnlichen Angebot auf den Markt gekommen ist, damit dann Erfolg hatte. Das heißt, Erfolg im Internet heißt viele Nutzer, und an diesen Nutzern ist die werbende Industrie, der Handel interessiert. Die Werbeeinnahmen sind dann aufgelaufen. Das ist in Deutschland bislang anders gewesen. Selbst hier die Angebote mit großen Redaktionen haben Schwierigkeiten, sich zu refinanzieren. Die allermeisten journalistischen Angebote im Internet sind defizitär.
Kaess: Sie sagen, es ist ein ungewöhnliches Format. Was ist daran besonders?
Röper: Für die damalige Zeit waren ja, Blogger in ein auch in Teilen zumindest journalistisch professionell gemachtes Angebot einzubinden, ein neuer Weg. Das kannte man so nicht und das hat Ariane Huffington sehr früh begonnen, hat Blogger eingebunden, die sich dann auch einen Namen gemacht haben. Es kamen andere Sichtweisen über das Internet in den professionellen Journalismus hinein. Das ist heute State of the Art bei vielen, Beiträge von anderen in das eigene Angebot hineinzuholen beziehungsweise auf sie zu verweisen, auf sie zu verlinken. Das machen alle im Internet, insofern fehlt da der echte Neuigkeitswert.
Kaess: Und wie verhalten sich deutsche und amerikanische Nutzer, wenn man die beiden gegeneinanderstellt? Rechnen Sie da mit Unterschieden?
Röper: Ja ich denke schon, wir werden diese Unterschiede haben, weil wir inzwischen natürlich ein etabliertes Internet haben, in dem sich viele auch namhafte Angebote durchgesetzt haben, also etwa "Spiegel" oder die "Süddeutsche", natürlich auch "Bild" oder auch "Tagesschau.de". Auf diesem Markt nun mit diesem neuen Angebot zu starten, ist jetzt schwieriger, als das in den USA der Fall war, als Frau Huffington damals 2005 gestartet ist. Also andere Voraussetzungen, und nur mit unbezahlten Bloggern oder im Wesentlichen mit unbezahlten Bloggern arbeiten zu wollen, zeigt schon ein Geschäftsmodell auf, von dem man ja offensichtlich auch nicht erwartet, dass die Geldquellen sprudeln werden.
Kaess: Und genau um diese Autoren, die dort frei arbeiten, darüber ist eine Kontroverse entbrannt in den letzten Tagen. Warum machen Autoren das?
Röper: Sicherlich zum einen, wie Sie schon in der Anmoderation gesagt haben, dass sie auf ihre eigenen Blogs verweisen wollen. Man setzt darauf, dass die "Huffington Post" andere Zielgruppen anspricht als der eigene Blog und dass dieser eigene Blog dann bekannter wird über Beiträge in diesem neuen Angebot von der "Huffington Post". Zum anderen geht es sicherlich auch um Eitelkeit und wir wissen natürlich auch, viele von diesen Bloggern haben viel Zeit. Die "FAZ" hat gestern geschrieben, dass das vielleicht Angebote seien von Unbezahlten für Gelangweilte. Ich habe eher die Vermutung, es sind oft Angebote von Gelangweilten für Gelangweilte. Da wird man abwarten müssen, welche Qualität sich denn da wirklich zeigen wird.
Kaess: Und geht dieses Konzept auf, sich darüber einen Namen zu machen?
Röper: Wenn denn die "Huffington Post" ähnlich wie in den USA hier zu einem Erfolg würde, dann werden natürlich auch die Blogger und deren Blogs von dieser Prominenz, von dem Bekanntheitsgrat profitieren. Aber ob das so kommen wird? Wenn man startet mit Promis wie Boris Becker, macht man sich zumindest in jenen Teilen des Publikums, das ernsthaften Journalismus sehen will, wahrscheinlich nicht viele Freunde.
Kaess: Aber offensichtlich wirkt dieses Forum auch für Prominente, denn der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, macht heute schon Schlagzeilen mit seinem Gastbeitrag für die "Huffington Post Deutschland". Er sagt, die Todesstrafe kann seiner Ansicht nach einem Mord gleichkommen, der lediglich in einem bürokratischen Gewand auftritt, um den Schein der Legalität zu wahren. So Zollitsch auf der "Huffington Post Deutschland". Warum stellen Sie sich vor, nutzt er dieses Medium?
Röper: Heute ist ihm natürlich sicher, weil auch gerade der Journalismus auf dieses neue Angebot am ersten Tag schaut, dass sein Beitrag viel Prominenz erreichen wird. Das, denke ich, ist sicherlich ein geschickter PR-Zug. Aber für die "Huffington Post" wird es darum gehen, ähnliche Angebote, spektakuläre Angebote, sehr eigenständige und exklusive Geschichten täglich zu haben. Ob das gelingt, da habe ich doch meine Zweifel, wenn man sieht, dass zumindest zunächst nur 15 festangestellte Redakteure für dieses Angebot arbeiten werden.
Kaess: Sie haben die Qualität der Berichterstattung angesprochen. Jetzt muss man fairerweise sagen, dass die "Huffington Post" wegen ihrer Berichterstattung mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet worden ist. Ist das eigentlich der Beweis, dass guter Journalismus auch so funktionieren kann?
Röper: Ja sicherlich ist es der Beweis dafür. Allerdings in einer Phase, als dieses Angebot längst gesattled war am Markt, als man sich am Markt durchgesetzt hatte und über eine deutlich größere Redaktion verfügte, mit Reportern, mit Journalisten, die sich andernorts schon einen Namen gemacht haben. Das ist ja hier in Deutschland zunächst einmal mit der kleinen Kasse, mit der man startet, ganz anders. Ob denn tatsächlich die Redaktion professionalisiert werden kann, ob sie ausgebaut werden kann, das muss man abwarten.
Kaess: Gibt es auf der anderen Seite einen Gegentrend im Internet dahin, dass man auch wieder für Inhalte zahlen muss und das auch gerne von den Nutzern angenommen wird?
Röper: Nein, so weit sind wir nicht. Aber das wäre ganz entscheidend, zumal für die journalistischen Angebote im Netz, denn die allermeisten Anbieter – es sind ja überwiegend Verlage und andere Medienhäuser – arbeiten im Internet verlustreich und diese Verluste sind nur aufzufangen, wenn denn das Publikum bereit wäre, im Internet auch zu zahlen. Noch allerdings wirkt die Gratismentalität, die sich im Internet etabliert hat, nach und ob sich vor allem die deutschen Verlage, die es ja derzeitig versuchen, mit solchen bepreisten Angeboten durchsetzen können, das ist noch offen.
Kaess: Und was bedeutete das wiederum für den Journalismus?
Röper: Wenn wir tatsächlich im Internet nicht zu einer bezahlten Mentalität kommen, dann sehe ich schwarz für den Journalismus, denn wir müssen ja konstatieren, dass wir in Sonderheit bei den Printmedien immer mehr an Werbeeinnahmen verlieren, dass die wirtschaftliche Basis der Verlage immer geringer wird, und dann wird die Finanzierung des Journalismus außerhalb zum Beispiel des öffentlich-rechtlichen Bereiches sicherlich sehr, sehr schwierig.
Kaess: Die Einschätzung von Horst Röper vom FORMATT-Institut. Er ist Zeitungsforscher und wir haben gesprochen über den Start der deutschen "Huffington Post" heute. Danke für das Gespräch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.