Freitag, 29. März 2024

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Angespannter Wohnungsmarkt
"Modernisierung passiert oft gegen den Willen der Menschen"

Der Wohnungsmarkt sei für große Unternehmen der derzeit attraktivste Weg, Kapital zu vermehren, sagte der Grünen-Politiker Florian Schmidt im Dlf. Besonders über die Modernisierungsumlage könnten sie viel Geld verdienen. Viele Modernisierungen seien aber gar nicht zwingend notwendig.

Florian Schmidt im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 01.06.2018
    Sanierte Altbauten, aufgenommen im Stadtteil Kreuzberg in Berlin am 18.03.2018.
    Viele Sanierungen seien nicht zwingend notwendig, sagt Baustadtrat Schmidt im Dlf. (picture-alliance / dpa / Wolfram Steinberg)
    Ann-Kathrin Büüsker: Die Lage auf dem Wohnungsmarkt und wie Bund, Länder und Kommunen agieren können, das möchte ich nun mit einem besprechen, der damit täglich zu tun hat: Florian Schmidt, grüner Baustadtrat im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin. Guten Morgen, Herr Schmidt!
    Florian Schmidt: Schönen guten Morgen.
    Büüsker: Herr Schmidt, das Problem ist ja eigentlich recht einfach benannt: Wir haben zu wenig Wohnraum, es müsste mehr gebaut werden. Warum passiert das derzeit nicht?
    Schmidt: Es ist so, dass schon mehr gebaut wird. Auch in Berlin steigern sich die Zahlen da. Aber es ist auch klar: So angespannt, wie die Situation ist, da kommt man einfach zeitlich nicht hinterher, und deshalb auch diese Unruhe auf allen Ebenen. Wir in Berlin haben natürlich das größte Problem, dass der Bestand – das ist ja dann letztlich 99 Prozent, um den es geht – derartig unter Druck ist, dass uns eigentlich eher die Frage umtreibt, wie können wir denn den Bestand davor retten, dass in dieser Zeit, die es eben noch dauert, dass eine gewisse Milderung über Neubau auch greift, da nicht alles ausgeschlachtet wird und die Menschen verdrängt werden.
    Büüsker: Was meinen Sie mit ausgeschlachtet wird?
    Schmidt: Wir haben einfach das Problem, dass wahnsinnig viel Geld – und ich nenne es auch fehlgeleitetes Kapital – in den Markt reindrängt, das auf anderen Wegen sich nicht mehr vermehren kann. Das heißt, die Finanzmärkte bei Niedrigzinsen sind kein attraktiver Hafen mehr für Kapital. Das heißt, das Geld geht wirklich in die Häuser rein, in die Immobilien, und da sind auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen so attraktiv gestrickt zum Geldvermehren über eine Modernisierungsumlage, wo man elf Prozent zurückkriegt.
    Das müssen Sie sich schon mal verdeutlichen: elf Prozent. Das ist quasi fast wie elf Prozent Zinsen – nicht ganz, weil noch ein paar Nebenkosten dort anfallen. Aber das ist schon so, dass es einfach sehr attraktiv ist, und große Unternehmen, aktiengetriebene Unternehmen, wie jetzt auch die Vonovia zum Beispiel, die Deutsche Wohnen, die haben da Renditeerwartungen, gehen entsprechend da rein, und da versuchen wir natürlich auch mit allen Mitteln, dann dagegenzuhalten.
    "Modernisierung passiert oft gegen den Willen der Menschen"
    Büüsker: Nun muss man aber auch sagen, dass der Wohnbestand in Berlin teilweise auch sehr modernisierungsbedürftig ist. Also ist es doch gut, dass das in die Hand genommen wird.
    Schmidt: Das ist ein bisschen eine Fehlinterpretation. Modernisierung ist das eine. Wenn was nicht instandgehalten ist über Jahrzehnte und das auch ein Teil der Strategie ist – man lässt was runterkommen, die Preise steigen ja eh, dann kann man es auch noch am Markt teurer verkaufen -, das ist durchaus auch wieder eine Geldvermehrung. Man leistet eigentlich gar nichts, wartet, dass der Wert steigt, und das Haus kommt runter.
    Die Modernisierung bedeutet ja immer, dass man den Standard erhöht. Die beste Modernisierung ist immer noch, dass eine ordentliche Heizung reinkommt, wenn es dort noch eine Ofenheizung gibt. Davon haben wir aber mittlerweile nicht mehr so viele. Das ist eigentlich die einzige Modernisierung, die wirklich zwingend notwendig ist. Die anderen Modernisierungen sind so was wie, man baut jetzt einen großen Balkon hin, und da muss man sich immer fragen, wollen das die Menschen. Wenn das die Menschen wollen, dann sind wir ja auch dafür, aber man darf Modernisierung und Instandhaltung oder auch Sanierung nicht miteinander verwechseln. Modernisierung ist etwas, was eigentlich oft gegen den Willen der Menschen passiert.
    Büüsker: Sie kritisieren die Investoren dafür. Gleichzeitig sind diese Investoren dann aber auch diejenigen, die neue Wohnungen bauen. Sind wir nicht letztlich auf diese Investoren auch angewiesen, damit es am Wohnungsmarkt funktioniert?
    Schmidt: Auch das ist meiner Meinung nach eine gewisse Illusion. Wir haben mittlerweile eine Wohnungswirtschaft, die, ich sage mal, im gemeinwohlorientierten Sektor sich bewegt. Da haben wir sogar hintendran geschaltet einiges an Banken, an Anlageformaten. Es gibt eine ganze Menge Geld, das unterwegs ist, das sich sinnvoll einbringen möchte. Es steht sicherlich Menschen dahinter, die diese Entscheidungen privat treffen, wie man das ja auch beim Konsum merkt, nachhaltiger Konsum und so weiter.
    Diesen Bereich mehr nach vorne zu bringen, wäre auch eine Aufgabe der Politik. Diese Idee, dass die privaten Investoren die Heilsbringer sind, die halte ich für ganz fatal, zumal auch, wie der Heimatminister jetzt schon gesagt hat, wenn es ihm eigentlich darum geht, die Dynamik wieder auf dem Wohnungsmarkt noch mehr voranzutreiben. Und wenn wir jetzt sagen, alles Bauland den privaten Investoren, dann ist immer wieder die Frage, die auch noch nicht beantwortet ist auf der Bundesebene: Ist das dann wieder so wie in den 70ern, dass man mit privaten Investoren sozialen Wohnungsbau baut und der dann nach 30 Jahren wieder wegfällt? Wir verlieren im Moment bundesweit jedes Jahr Sozialwohnungen, weil man vor 30 Jahren ein temporäres soziales Wohnen mit Privaten gebaut hat, und diesen Fehler darf man auf gar keinen Fall noch mal machen.
    "Es geht darum, welches Ziel ein Bauherr hat"
    Büüsker: Sie machen eine Unterscheidung zwischen guten Bauherren und schlechten Bauherren?
    Schmidt: Na ja. Es geht um die Nachhaltigkeit und darum, welches Ziel ein Bauherr hat. Wenn Sie mit einer Rendite herangehen, wo Sie sich erst mal Mezzaninkapital besorgen müssen - das ist sehr teures Kapital -, dann brauchen Sie einfach auch mehr Profit am Ende. Wenn Sie aber mit einer nachhaltigen Bank zusammenarbeiten oder einer Umweltbank, GLS-Bank, es gibt so viele davon, auch Pensionskassen, die auf soziale Investments achten, dann können Sie mit einer niedrigeren Rendite auskommen. Das ist einfach ein Unterschied, auf den wird viel zu selten hingewiesen.
    Büüsker: Gucken wir vielleicht auf das, was Sie zum Mieterschutz in Friedrichshain-Kreuzberg machen. Sie kaufen ja gerade gezielt Objekte auf, bei denen Sie Ihr Vorkaufsrecht nutzen. Können Sie erklären, wie das funktioniert?
    Schmidt: Ja, sehr gerne. Das Vorkaufsrecht, was wir nutzen, das ist das Vorkaufsrecht in sogenannten Milieu-Schutzgebieten. Das kommt wiederum aus dem Bundesbaugesetz. Das sieht vor, dass in Gebieten, wo ein großes Verdrängungspotenzial ist oder schon eine Verdrängung im Gange ist, man eine Satzung erlässt, und dann kann man in diesem Gebiet Modernisierungen regulieren auf das Mindestmaß, damit die Mieten nicht steigen.
    Zugleich kann man ein Vorkaufsrecht wahrnehmen. Wenn schon ein Verkauf abgeschlossen ist zwischen zwei Parteien, dann kann die Kommune in diesen Verkauf einsteigen. Sie hat dann einen sehr engen Korridor von zwei Monaten, muss dann prüfen, wie sie das machen kann, ob sie das machen kann, muss das auch begründen, und findet einen Partner. In der Regel sind das bei uns landeseigene Wohnungsbaugesellschaften. So funktioniert das.
    Und ich sage mal gleich: Der Vorwurf, dass damit keine neuen Wohnungen geschaffen wird, das ist der eine. Der andere Vorwurf ist, da wird viel Geld verbraten, was besser beim Neubau verwendet würde. Da muss man sagen, das stimmt beides. Erstens stimmt natürlich, da wird keine Wohnung geschaffen, aber es wird bezahlbarer Wohnraum erhalten. Das ist für uns ganz wichtig und das ist den Menschen auch wichtig. Und das andere ist, dass da Geld verbraten würde. Das stimmt nicht. Es werden geringfügige Zuschüsse gezahlt, damit die Lücke geschlossen werden kann zwischen so einem verrückten Marktpreis und dem eigentlichen Preis, mit dem man ein Haus auch sozial bewirtschaften kann. Das ist aber geringfügig, da muss man sich keine Sorgen machen.
    Büüsker: Herr Schmidt, die Häuser gehen an die landeseigenen Wohngesellschaften. Sind die denn langfristig finanziell dazu in der Lage, diese Häuser zu erhalten?
    Schmidt: Ja, selbstverständlich. Es ist einfach ein Teil der gemeinwohlorientierten Wohnungswirtschaft und es gibt wahnsinnig viele Häuser in Berlin, die schon seit Jahrzehnten so bewirtschaftet werden. Die sind alle gut im Schuss. Ich sehe da wirklich eher einen Popanz, der aufgebaut wird, dass gerade die Kommunalen oder auch andere Gemeinwohlorientierte irgendwas nicht schaffen würden. Es ist im Gegenteil so.
    Wir haben Genossenschaftshäuser, sogar auch ehemalige besetzte Häuser, die sind seit Jahren bewirtschaftet. Da haben die Leute eine Miete, die ist extrem niedrig. Die fragen sich mittlerweile auch, was können wir eigentlich beitragen mit unseren niedrigen Mieten. Sie möchten vielleicht mit einer Art Soli dazu beitragen. Diese Häuser sind aber in Schuss, werden instandgehalten, ganz liebevoll.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.