Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Anhörung im Geheimdienstausschuss
"Da ist ein Präsident wirklich bei einer Lüge ertappt worden"

Nach der Anhörung des FBI-Chefs James Comey im US-Kongress werde die Luft für US-Präsident Donald Trump enger, sagte die Politik-Expertin Cathryn Clüver im DLF. Dabei ging es um mögliche Absprachen zwischen dem Trump-Team und der russischen Regierung während des Wahlkampfs. Comey habe auf ungewöhnlich deutliche Weise impliziert, dass Trump gelogen haben könnte.

Cathryn Clüver im Gespräch mit Sandra Schulz | 21.03.2017
    Anhörung des FBI-Chefs James Comey im Geheimdienstausschuss am 20.3.2017. in Washington, DC.
    Anhörung des FBI-Chefs James Comey im Geheimdienstausschuss am 20.3.2017. (AFP/ Mandel NGAN)
    Wenn in zwei bis drei Monaten ein nahtloser Bericht der Bundesbehörden vorliege, würden Rufe nach einer Amtsenthebung Trumps lauter werden. Es gebe bereits Republikaner, die bereit seien, gegen Trumps Politik anzukämpfen.
    Die Russland-Affäre hatte Trumps Regierung bereits kurz nach Amtsantritt belastet. Der Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn musste zurücktreten, weil herausgekommen war, dass er über seine Telefonate mit dem russischen Botschafter gelogen hatte.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Eine dicke Überraschung war das im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses. FBI-Chef Comey gab offiziell bekannt, dass seine Behörde gegen das ehemalige Wahlkampfteam Donald Trumps Ermittlungen führt. Es wächst der Verdacht, dass es zwischen dem Wahlkampfteam Trumps und den russischen Hackern Absprachen gegeben hat mit dem Ziel, Hillary Clinton bei der Wahl zu schaden. Zwar gibt es keinerlei Erkenntnisse darüber, ob und inwieweit tatsächlich der Wahlausgang beeinflusst wurde, aber sollte sich der Verdacht auf versuchte Wahlmanipulation erhärten, dann wäre das ein herber Rückschlag für die demokratische Legitimation des Präsidenten.
    Jetzt gibt es also auf drei Ebenen Untersuchungen in dieser Sache: im FBI, im Senat und im Repräsentantenhaus. Und außerdem widersprachen FBI-Chef Comey und NSA-Chef Rogers den Abhörvorwürfen gegen Obama.
    Sandra Schulz: Am Telefon ist jetzt die Deutsch-Amerikanerin Cathryn Clüver, Politikwissenschaftlerin vom Belfer Center for Science and International Affairs an der Kennedy School in Harvard. Schönen guten Morgen.
    Aussagen revolutionär für eine amerikanische Kongressbefragung
    Cathryn Clüver: Guten Morgen, Frau Schulz.
    Schulz: Wenn es diese Abhöraktionen gegeben hätte, hätten Comey und Rogers das jetzt offen und ehrlich gesagt?
    Clüver: Es gibt zu diesem öffentlichen Teil natürlich noch einen geheimen Teil, eine geheime quasi Anhörung von Behördenchef Comey und Mike Rogers mit dem entsprechenden Ausschuss. Da werden sicher noch andere Informationen an den Tag gelegt werden. Ich glaube, in diesem Format – das hat Ihr Beitrag gezeigt – waren die Aussagen schon für eine amerikanische Kongressbefragung revolutionär und mehr als das, was sie heute gesagt haben, könnten sie in diesem Format nicht hätten sagen können.
    Schulz: Sie haben ja eigentlich nur gesagt, wir haben keine Kenntnisse darüber. Warum ist das revolutionär?
    Clüver: Diese Art und Weise, öffentlich über Geheimdienstaktivitäten zu sprechen, da erinnern wir uns natürlich auch an den NSA-Skandal um Kanzlerin Merkel herum und das tiefe Schweigen der Amerikaner und gerade auch der gleichen Bundesbehörden, um die es jetzt geht. Das ist bestimmt nicht Usus und insofern zeugt allein diese öffentliche Anhörung über fünf Stunden, fünf Stunden, 24 Minuten, das zeugt davon, dass ein öffentlicher Druck nicht nur auf die Behörden wächst, aber natürlich auch auf einen Kongress, der gesehen werden muss als eine Institution, der dieser investigativen Rolle nachkommt.
    Nur noch 16 Prozent seiner Unterstützer glaubten Trump
    Schulz: Und heißt das auch, dass da jetzt ein offener Machtkampf ausgebrochen ist zwischen dem Präsidenten und seinen Diensten und dem FBI?
    Clüver: Es sieht zumindest so aus, als ob er nicht mit diesen falschen Informationen in dem Sinne weiter durchkommen würde, selbst noch nicht mal bei seinen Unterstützern. Wir haben jetzt in den letzten Umfragen vom Unternehmen Galopp gesehen, dass nur noch 35 Prozent seiner eigenen Anhänger die Art und Weise, die Ansprache über Twitter, dieses versuchte Umschiffen der Institutionen und auch dieser wirklichen Fehlinformationen, dass sie das in irgendeiner Weise noch unterstützen können, beziehungsweise 16 Prozent seiner Unterstützer halten den Präsidenten jetzt gerade über seine Twitter-Meldungen überhaupt noch für glaubhaft, und das scheint doch eine wirkliche deutliche Spannung beziehungsweise einen Vertrauensbonus auf Seiten der Geheimdienste beziehungsweise der behördlichen Institutionen, die einen Präsidenten Trump schon lange, lange überdauert haben, aufzuzeigen.
    "Eine Aushöhlung verschiedener Behördenebenen"
    Schulz: Trotzdem werden und müssen die jetzt auch weiterhin zusammenarbeiten. Wie kann eine vertrauensvolle, oder das Wort Vertrauensverhältnis ist vielleicht schon ein großes Wort, wie kann eine konstruktive Zusammenarbeit da jetzt aussehen?
    Clüver: Es wird in jedem Fall schwierig. Was wir von der Trump-Administration gesehen haben, ist konsekutiv eine Aushöhlung verschiedener Behördenebenen, nicht nur beim Außenministerium, beim Umweltministerium, und so könnte ich mir vorstellen, dass in den nächsten Wochen und Monaten (aber selbst das würde einen Donald Trump schwach aussehen lassen) versucht werden wird, innerhalb dieser Institutionen entweder über die republikanische Mehrheit im Kongress nachzubohren. Denn wenn man noch mal überlegt, was die republikanischen Kongressabgeordneten, wonach sie am meisten gepocht haben, war es nicht der Schaden, den eine amerikanische Demokratie durch russische Einflussnahme hätte nehmen können, sondern da ging es mehr darum, wer denn eigentlich geplaudert und geplappert haben soll, wer denn eigentlich einen Namen wie den von Michael Flynn an die Öffentlichkeit geraten lassen hat. Es kann sein, dass erstens versucht wird, über die Republikaner im Kongress die Glaubwürdigkeit der Institutionen zu untergraben, oder dass "personell" nachgebessert wird auf bestimmten Ebenen in der Behörde. Aber das würde ein ganz klares Zeichen von Schwäche und Sorge eines Donald Trump aufzeigen.
    "Immer schwieriger, sich aus der Affäre zu ziehen"
    Schulz: Mit welchen Konsequenzen?
    Clüver: Ich glaube, es wird für Donald Trump jetzt immer schwieriger, sich in dem Sinne aus der Affäre zu ziehen, als dass er selber nicht mit einschlägigen Beweisen, gerade was das Wiretapping-Thema angeht, also die Abhöraktion, die vermeintliche Abhöraktion eines Präsidenten Obama, dass er da nicht mit wichtigen, handfesten Informationen kommt, und es scheint, er wird es auch nicht können, denn diese Abhöraktionen wird es nicht gegeben haben. Das heißt, es wird weiterhin für Donald Trump – ich glaube, die "SZ" oder der "Spiegel" haben es heute Morgen ähnlich ausgedrückt -, es wird die Luft immer enger werden für ihn, gerade mit gezielten Tweets, gezielten Informationen, man würde lapidar vielleicht sagen, mit gezieltem Bohai nach außen von der Faktenlage, die sich gegen ihn aufzuschütten scheint, sich davon zurückzunehmen.
    Schulz: Jetzt hat der Präsident quasi vom ersten Tag seiner Amtseinführung an immer wieder Tatsachen, oder besser gesagt Behauptungen in die Welt gesetzt, mit denen er dann auch relativ schnell widerlegt worden ist: Angefangen mit diesen Besucherzahlen bei der Vereidigung, oder diesen behaupteten Wahlfälschungen, oder diesem angeblichen Anschlag in Schweden. Da sprechen jetzt viele von alternativen Fakten. Wie ordnen Sie den Fall, diese behauptete Abhöraktion da jetzt ein in dieser Reihung? Ist das einfach ein weiterer Fall, oder ist das eine echte Zäsur?
    "Nur ganz knapp an dem Wort Lüge vorbei beschrieben"
    Clüver: Ich glaube, diese Abhörgeschichte ist in dem Sinne eine Zäsur, denn da haben wir ja gesehen, wenn man noch mal genau auf die Sprache guckt, die ein Behördenchef Comey und ein NSA-Chef Mike Rogers benutzt haben: Sie haben nur ganz, ganz knapp an dem Wort Lüge im Grunde genommen vorbei beschrieben. Das heißt, da ist ein Präsident in dem Sinne wirklich in einer Lüge im Repräsentantenhaus quasi ertappt worden, und das ist noch mal eine andere Dimension, als wenn ein investigatives Journalistenteam der "New York Times" oder einer "Washington Post" nachweist, dass bestimmte Aussagen einfach nicht stichhaltig sind, beziehungsweise kamen bislang zumindest diese Fehl- und Falschaussagen bei seinen Wahlunterstützern und bei seinem Wahlvolk in dem Sinne mit dieser Klarheit nicht an.
    Wir sehen heute an diesen Umfragewerten, die ich schon zitiert habe, dass gerade eine solche öffentliche Zurschaustellung dieser Fehlinformationen in wiederum einem demokratischen Kontext, dass man da fast nicht mehr dagegensteuern kann, indem man nur noch mehr Tweets oder mehr löchrige Informationen, wie Sean Spicer es heute in seiner Pressekonferenz versucht hat zu präsentieren, dass man da fast nicht mehr rauskommen kann.
    Schulz: Wenn wir jetzt noch auf diesen anderen gravierenden Fall schauen, diese Vorwürfe, die sich drehen um Kontakte zwischen dem Wahlkampfteam nach Russland, und die Frage, welche Rolle das gespielt hat auch bei dieser Hackeraktion auf den Server der US-Demokraten. Sicherheitsberater Michael Flynn, der musste schon gehen wegen seiner Kontakte nach Russland. Wackeln da jetzt die nächsten Stühle?
    "Es geht um Spionagevorwürfe"
    Clüver: Es wird mit Sicherheit schwierig. Wir haben gesehen, dass der zweithöchstrangige Kongressabgeordnete, der den Vorsitz oder den zweiten Vorsitz dieses Komitees hat, Adam Schiff, ein kalifornischer Abgeordneter, ganz gezielt nach Namen gefragt hat. Da fiel der Name Paul Manafort, von dem wir wissen, dass er ein enger Berater von Präsident Janukowytsch in der Ukraine war. Da fiel der Name von Roger Stone, der direkten Kontakt gehabt haben soll zu dem Hackerkollektiv, dem Hackerteam, das direkt dafür verantwortlich sein soll, die Hacks der demokratischen Partei beziehungsweise die E-Mails eines John Podesta zu einem "guten", für die Republikaner hilfreichen Zeitpunkt in die Welt gestellt zu haben. Es wurde immer wieder nach diesen konkreten Namen gefragt. Da hat sich Behördenchef Comey aber aus den Antworten etwas herausgewunden, immer wieder darauf hingewiesen, dass es eine laufende Investigation ist. Denn für die Bundesbehörden, für das FBI, CIA, NSA und die im Grunde genommen 20 insgesamt Geheimdienstorganisationen der USA, muss es zunächst einmal darum gehen, geht es um Spionagevorwürfe, geht es um Intelligence Failures. Der zweite Teil natürlich wird sein, kann man diesen Individuen gegebenenfalls, wenn sich diese Vorwürfe erhärten, kriminelle Vergehen nachweisen. Dafür gibt es entsprechende Gerichte und entsprechende Verfahren. Da geht es um wirklich Gefängnisjahre von 10 bis 15 Jahren.
    Lückenloser Bericht der Vorgänge könnte Impeachment-Verfahren für Trump bedeuten
    Schulz: Sie haben jetzt mehrfach zu beiden Themen die Formulierung benutzt, dass es schwieriger wird und dass die Luft dünner wird für Donald Trump. Ab wann wäre denn eine Fallhöhe erreicht, bei der wir über ein Impeachment-Verfahren sprechen?
    Clüver: Ich glaube, spätestens wenn es einen nahtlosen Bericht der Bundesbehörden gäbe genau zu diesen Themen, die wir jetzt schon im Gespräch angesprochen haben, aber die auch im Einzelnen in diesen fünf Stunden auseinandergenommen wurden, wenn es da einen lückenlosen Bericht gibt, dann wird es schwierig werden für die Republikaner im Kongress, ihren Präsidenten so zu halten und weiter – das hat man in der Befragung auch heute gesehen – so zu decken, dass quasi von den Kernthemen einer solchen Befragung in dem Sinne abgelenkt wird und andere Fragen gestellt werden oder auf andere Bereiche die Aufmerksamkeit gelenkt wird, das wird kaum mehr haltbar sein.
    Wir haben schon gesehen, dass es natürlich in anderen Politikbereichen durchaus Republikaner im Kongress und im Senat gibt, die bereit sind, sehr stark gegen eine Politik eines Donald Trump gegenzusteuern. Ich denke, wenn in zwei oder drei Monaten ein solcher Bericht entsprechend abgeschlossen wird, allerspätestens dann werden... Es gibt natürlich schon Gerichtsverfahren, die wegen der Emoluments Clause, wegen der finanziellen Bevorteilung eines Präsidenten Trump ein Impeachment vorschlagen, aber dann werden diese Verfahren und diese Stimmen um ein Impeachment nicht nur lauter, sondern auch aggressiver und dann vielleicht auch konkreter werden.
    Schulz: Die deutsch-amerikanische Politikwissenschaftlerin Cathryn Clüver heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Ganz herzlichen Dank für Ihre Einschätzungen.
    Clüver: Immer gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.