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Ankunftsnachweis für Flüchtlinge
Daten sammeln gegen den Kontrollverlust

Mehr als eine Million Flüchtlinge innerhalb kürzester Zeit, teilweise mehrfach und unter verschiedenen Namen registriert. Das ändern sollen der Ankunftsnachweis, der sogenannte Flüchtlingsausweis, und eine zentrale Datenbank. Das neue System kostet Millionen. Und Kritiker halten Missbrauch weiterhin für möglich.

Von Philip Banse und Anke Petermann |
    Im Registrierungszentrum in der Patrick-Henry-Village in Heidelberg (Baden-Württemberg) wird am 28.01.2016 ein Ankunftsnachweis (Flüchtlingsausweis) ausgestellt
    Im Registrierungszentrum in der Patrick-Henry-Village in Heidelberg wird ein Ankunftsnachweis ausgestellt. (pa/dpa/Deck)
    Dirigiert vom Arabisch-Dolmetscher Aladin Abo Frieh legt Jassim die Finger einer Hand flach auf den Scanner der Bundesdruckerei. Der 27-jährige Flüchtling aus dem Irak nimmt in Heidelberg freiwillig am Pilotversuch "Ankunftsnachweis" teil. Die Pressefotografen halten drauf.
    "Danke, jetzt sind die zehn Fingerabdrücke genommen, die gehen jetzt gleich ans BKA. Im Hintergrund läuft ein Sicherheitsabgleich, sodass man hier feststellen kann, ob hier irgendetwas vorliegt."
    Ermittlungen oder aktenkundige Straftaten des jungen Flüchtlings in Deutschland – sie kämen beim Datenabgleich mit dem Bundeskriminalamt innerhalb von fünf Minuten ans Licht, erklärt Markus Richter, IT-Leiter beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz BAMF.
    "Wenn das nicht der Fall ist, geht der Prozess hier ganz normal weiter. Mit den Fingerabdrücken läuft auch im Hintergrund der sogenannte EURODAC-Abgleich, also ob eine Registrierung außerhalb von Deutschland stattgefunden hat, um festzustellen, ob der Antrag anderswo schon gestellt worden ist im EU-Raum. Es würde dann, wenn das der Fall ist, auch hier ein Treffer angezeigt werden und müsste dann ein Dublin-Verfahren eingeleitet werden. Zurück in das Land, in dem er den Antrag erstmals gestellt hat."
    Grundlage ist das Datenaustauschverbesserungsgesetz
    Richter ist zum Beginn des Praxistests aus der Nürnberger BAMF-Zentrale zur Außenstelle im Registrierungszentrum von Baden-Württemberg gereist. Das liegt gemeinsam mit einer Erstaufnahme-Unterkunft für 5.000 Flüchtlinge auf dem früheren US-Kasernen-Gelände Patrick-Henry-Village in Heidelberg. Hier sowie in Nürnberg, Berlin und Herford wird der neue Flüchtlingsausweis probehalber ausgestellt, bevor er ab Februar bis spätestens Sommer schrittweise im ganzen Land eingeführt wird.
    Grundlage dafür ist das sogenannte Datenaustauschverbesserungsgesetz, dem der Bundesrat an diesem Freitag zugestimmt hat. Kommende Woche kann es bereits in Kraft treten, sobald der Bundespräsident es unterschrieben hat. Dann sind Asylsuchende verpflichtet, ihre Daten preiszugeben, für den neuen Flüchtlingsausweis, offiziell "Ankunftsnachweis" genannt. Jassim tut das als erster Flüchtling in Deutschland, offiziell darüber belehrt, dass er mithilfe seiner biometrischen Daten nun immer und überall zweifelsfrei identifiziert werden kann.
    In Heidelberg läuft der Datenabgleich für Jassim. Hinter der Trennscheibe des Schalters verfolgt das ein Behördenmitarbeiter am PC-Bildschirm. Dem Dolmetscher auf der anderen Seite der Scheibe sagt er, dass sich Jassim für ein biometrisches Foto vor eine weiße Leinwand stellen soll.
    "Die Kamera erkennt quasi den Bildausschnitt automatisch, zieht quasi das Gesicht größer," erläutert Markus Richter. Jassim tritt einen Schritt zur Seite, ans Zentimetermaß: 1 Meter 70 gibt der Mitarbeiter hinter der Glasscheibe in den sogenannten Kerndatensatz des Ausländerzentralregisters ein.
    Dieser Datensatz wird die bislang schon erhobenen und im Ausländerzentralregister gespeicherten Angaben ergänzen. Künftig sollen von allen Flüchtlingen auch Fingerabdrücke, das Herkunftsland, die Kontaktdaten zur schnellen Erreichbarkeit, Informationen zu erfolgten Gesundheitsuntersuchungen und Impfungen zentral abrufbar sein. Um Arbeitsvermittlung und Integration zu erleichtern, werden darüber hinaus Daten über Schulbildung, Berufsausbildung und sonstige Qualifikationen gespeichert. Auf diesen Datensatz sollen dann alle Behörden Zugriff haben, die mit den Flüchtlingen in Kontakt kommen. Tatsächlich aber seien schon die Personalien oft nicht wirklich überprüfbar, sagt Markus Richter, denn viele Flüchtlinge hätten keine Pässe oder Personalausweise dabei.
    "Genau, das steht auch extra drauf auf dem Ankunftsnachweis, dass es auf Selbstangaben beruht. Uns ist ehrlich gesagt egal, welcher Name angegeben wird. Wir können sicherstellen durch den Fingerabdruck, dass Mehrfachidentitäten eindeutig diesem Fingerabdruck zugeordnet werden und so Situationen, wie dass jemand mit Mehrfachidentität durch Deutschland fährt, sind damit künftig ausgeschlossen."
    Der Eingang vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
    Der Eingang vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. (picture alliance / dpa Armin Weigel)
    Tatsächlich hat die deutsche Bürokratie bislang große Schwierigkeiten, mit über einer Million Flüchtlinge zurechtzukommen. Die Lage rund um das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales, Lageso genannt, die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht, der Flüchtling aus Recklinghausen, der bei seinem Angriff auf Pariser Polizisten erschossen wurde: Sind die deutschen Behörden überfordert? Man müsse differenzieren, sagt der Migrationsforscher Dietrich Thränhardt, emeritierter Professor der Universität Münster.
    "Die Länder waren bisher – vielleicht mit der Ausnahme von Berlin – doch sehr gut aufgestellt. Bei den Ländern und Kommunen ist das sehr gut gelaufen. Die deutsche Bürokratie ist auf der Bundesebene nicht sehr leistungsfähig, aber auf der Länder- und Kommunalebene hat das sehr gut funktioniert."
    Doch der Flaschenhals der deutschen Flüchtlingsbürokratie ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das dem Bundesinnenministerium untersteht. Die Behörde ist für die Asylanträge zuständig – und kommt nicht hinterher: Über 660.000 Asylanträge – alte und neue Fälle - sind derzeit noch unbearbeitet. Von der Einreise bis zum Asylbescheid vergeht oft mehr als ein Jahr. Die Koalition habe sich 3 Monate als Ziel gesetzt, sagt Lars Castellucci von der SPD-Bundestagsfraktion:
    "Wenn die drei Monate erreicht würden, könnten wir uns einige Problembearbeitungen sparen, sie würden abgemildert oder würden gar nicht entstehen. Das sind die Probleme, die halt einfach da sind, wenn Menschen in Massenunterkünften zusammengepfercht sind, wenn sie keine klare Zukunftsperspektive haben; wenn sie im Grunde noch weitgehend zur Untätigkeit verdammt sind, wenn sie nicht für sich selber sorgen können. Wir müssen zu einer Verkürzung der Verfahren kommen, so wie wir uns das im Koalitionsvertrag vorgenommen haben. Wir müssen schneller werden und koordinierter arbeiten."
    Sagte der für das BAMF zuständige Innenminister Thomas de Maizière vor dem Jahreswechsel, tauschte den Behördenchef aus und stockte das Personal auf: Plus 40 Prozent im vergangenen Jahr. 2016 wird die Zahl der Mitarbeiter noch einmal mehr als verdoppelt: 3900 zusätzliche Stellen sind bewilligt, die Einstellungen laufen. Das hätte schon vor Jahren passieren müssen, sagt Migrationsforscher Thränhardt: Die Zahl der unbearbeiteten Fälle steige seit 2008. Aber besser eine späte Kurskorrektur als gar keine:
    "Es ist sicher ein neuer Anfang da mit dem neuen Präsidenten des Bundesamtes. Es werden moderne Methoden eingeführt; es sind verschiedene Beratungsfirmen mit da drin; es wird die EDV neu organisiert und zum Teil auch überhaupt erst eingeführt. Da geschieht viel, aber das braucht natürlich etwas Zeit."
    Spät, aber besser als nie – das gelte auch für die jüngste Maßnahme, mit der die Bundesregierung die Verwaltung der Flüchtlinge erleichtern will. Der neue Flüchtlingsausweis soll Schluss machen mit teilweise grotesken Zuständen, wie sie etwa die SPD-Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe beschreibt. Sie schildert die Reise eines Flüchtlings durch den deutschen Behördendschungel:
    "Er hat Kontakt zur Bundespolizei, zur Landespolizei, zu Ausländerbehörden, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Sozialamt, Jugendamt, wenn er Kinder hat, Kitas, Schulen und so weiter. Und wenn er dann – hoffentlich möglichst schnell – in der Bundesagentur sitzt und einem Berater oder einer Beraterin gegenübersitzt, dann weiß die Person über diesen Menschen genau: nichts. Nicht, was er für einen Berufsabschluss hat, nicht wie er heißt, wo er herkommt, alles muss mit Dolmetscher mühselig eruiert werden. Das ist im Moment der Stand."
    Für das Asylverfahren ist der Bund zuständig, für die Unterbringung die Länder, für Taschengeld, Krankenscheine und Kinderbetreuung wiederum Behörden der Kommunen, sagt Hannes Schammann, Professor für Migrationspolitik an der Universität Hildesheim:
    "So haben wir also ganz, ganz viele Schnittstellen, die alle miteinander kommunizieren müssen. Und das wurde bisher auch dadurch erschwert, dass die Schnittstellen auch Brüche waren, was die Software anging. Also die verschiedenen Behörden auf den verschiedenen Ebenen haben nicht dieselbe Software benutzt und so kommt es eben auch zu Mehrfachregistrierungen zum Beispiel."
    Bundesjustizminister Heiko Maas (r.) mit Bundesinnenminister Thomas de Maiziére
    Bundesjustizminister Heiko Maas (r.) mit Bundesinnenminister Thomas de Maiziére (imago stock & people)
    Dabei werden Flüchtlinge von unterschiedlichen Behörden drei, vier Mal registriert. Bei arabischen Namen kommt es dabei regelmäßig zu Fehlern und Variationen: Aus einem Flüchtling werden dann in den Datenbanken schnell drei oder vier Flüchtlinge. Wie oft das passiert, weiß niemand, gesteht der Bundesinnenminister:
    "Wir sind technisch und rechtlich gehindert, wo es Doppelzählungen gibt; wo jemand, obwohl registriert, in ein anderes europäisches Land weiterreist."
    In dem aktuellen System ist es leicht, sich mehrere Identitäten zuzulegen – so wie es Walid Salihi gemacht hat. Der Flüchtling konnte unbemerkt aus seiner Unterkunft in Recklinghausen verschwinden und abtauchen – um dann in Paris mit einem Beil auf Polizisten loszustürmen. Salihi hatte mindestens sieben Identitäten, die Ermittler wussten also gar nicht genau, nach wem sie suchen sollten. Uwe Jacob vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen:
    "Er wird im Ausländerzentralregister unter anderem Namen geführt als bei der Polizei. Und in Luxemburg wird er wieder unter anderen Personalien geführt und in Frankreich unter noch wieder anderen Personalien."
    Die sehr lückenhafte und unsystematische Registrierung der Flüchtlinge macht es auch schwer Personalien festzustellen, wenn Flüchtlinge Straftaten begehen – so wie in der Kölner Silvesternacht. Denn das einzige deutsche Dokument zur Identifizierung eines Flüchtlings ist bislang die ..."Bescheinigung über die Meldung als Asylbewerber".
    Ein weißes DIN-4-Blatt, von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, oft ohne Foto, leicht zu fälschen und bei der nächsten Behörde schnell wieder zu besorgen. Mit dem neuen Datenaustauschverbesserungsgesetz soll das unmöglich werden. Statt der Bescheinigung gibt es dann den Flüchtlingsausweis.
    "Das ist ein Gesetz, das lange überfällig ist. Der fehlende Datenaustausch ist natürlich ein großer Mangel."
    Sagt Migrationsforscher Thränhardt. Bundesinnenminister de Maizière:
    "Mit diesem Gesetz wird es gelingen Asyl- und Schutzsuchende deutlich früher als bisher, einmalig und zentral für alle und biometrisch zweifelsfrei zu erfassen und zu identifizieren. Die Zeiten von Doppel- oder gar Mehrfacherfassungen sind dann vorbei."
    Sagt der Bundesinnenminister mit Verweis auf den im neuen Flüchtlingsausweis immer gespeicherten Fingerabdruck.
    "Unsere Behörden können dann schnell und zweifelsfrei überprüfen, ob jemand als Flüchtling erfasst ist und wo und seit wann. Das Auftreten mit verschiedenen Identitäten und Mehrfachregistrierungen, um wiederholt sich Leistungszuwendungen zu erschleichen oder sich an einem Ort seiner Wahl niederzulassen – alles das wird es nicht mehr geben. Ich finde dieses Gesetz in der Tat gut."
    Sagt Engelhard Mazanke, Leiter der Berliner Ausländerbehörde.
    "Weil es Missbrauch verhindern hilft und weil mit diesem Kerndatensatzbestand, auf den viele, viele betroffene Behörden zugreifen können, wir tatsächlich mehr Verwaltungseffizienz bekommen – wenn das Verfahren denn mal läuft, das wird ein paar Monate dauern. Aber im Grundsatz finde ich es gut."
    Vorteile in Sachen Sicherheit
    Heinrich Ringkamp vom Bundesverwaltungsamt, der die Datenbank aufgebaut hat, sieht wiederum vor allem Vorteile in Sachen Sicherheit.
    "Und das bedeutet, dass wir in einem automatisierten Verfahren in dem Augenblick, wo ein Asylsuchender oder ein Schutzsuchender in das Ausländerzentralregister eingespeichert ist, den notwendigen Grunddatensatz an die Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste des Bundes automatisiert übermitteln werden, also sprich BND, Militärischer Abschirmdienst, BfV und BKA, und dass dort in den Registern nach entsprechenden Sicherheitsbedenken geschaut wird, die dann bei entsprechenden Entscheidungen zu berücksichtigen wären."
    Die Opposition im Bundestag hat sich bei der Abstimmung enthalten, kritisiert insbesondere, dass Behörden mehr Aufwand hätten, vor allem, weil jetzt auch Kinder einzeln in die Datenbank eingetragen würden. Dazu müssten wesentlich mehr Daten erfasst werden als bisher: Fotos, Informationen über Schule und Ausbildung etwa oder Sprachkenntnisse.
    "Wir sehen, dass das einen erheblichen Erfassungsaufwand bedeutet. Wir sehen, dass das nichts ist, was man beim Erstkontakt erhebt."
    So Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag. Aber:
    "Bei allem administrativen Mehraufwand, sehen wir den Nutzen über dem Aufwand und halten das auch für integrationsfördernd, dass wir diese Dinge erfassen, soweit sie erfassbar sind."
    Denn wenn endlich Ausbildung und Qualifikationen erfasst würden, sei auch die Arbeitsvermittlung einfacher. Durch die hoffentlich bald effizientere Datenerfassung, könnten auch die Asylanträge schneller bearbeitet werden, verspricht Markus Richter vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:
    "Diese Mitarbeiter können künftig auf einen bereits angelegten Datensatz zurückgreifen und sind eben nicht gezwungen, alle Schritte noch mal durchzugehen. Das wird an dieser Stelle doch zu einer deutlichen Reduzierung führen."
    Weil Chipkarten zu teuer wären, ist der neue Flüchtlingsausweis allerdings aus Papier: Einheitlicher Vordruck, Foto, schwer zu fälschen – ähnlich wie ein vorläufiger Führerschein. Doch:
    "Dieser Ausweis wird eine Nummer tragen, die der Person zugeordnet ist und so kann später jeder durch Eingeben der Nummer, einen Vergleich mit dem Fingerabdruck, alle Daten in dem Kerndatensystem abrufen."
    Erläutert der Bundesinnenminister. Ohne diesen Ausweis werde es zukünftig keine Leistungen vom Staat geben, so de Maizière. Mit dem Ausweis ließe sich auch besser steuern, wo Flüchtlinge untergebracht werden. Denn wenn Flüchtlinge einreisen, legt das Computersystem EASY noch bei der Erfassung an der Grenze fest, in welcher Kommune die Person vorläufig untergebracht wird. Daran hielten sich viele Flüchtlinge aber nicht, so der Innenminister, sie würden direkt weiter nach Berlin fahren oder nach Hamburg, was dort zu Problemen führe.
    Deswegen wird der neue Ankunftsnachweis nicht gleich an der Grenze ausgegeben, sondern erst am zugewiesenen Unterkunftsort. Weil es ohne den Ausweis aber keine Leistungen vom Staat gebe, hätten Flüchtlinge einen größeren Anreiz auch wirklich in die zugewiesene Kommune zu fahren. Praktiker halten das für falsch. Ihre Kritik: Trotz des neuen Ausweises herrsche dann doch wieder Zettelwirtschaft, die missbraucht werden könnte:
    "Wenn jemand an der bayerischen Grenze ankommt, dann muss ich ihm irgendein Papier in die Hand drücken, mit dem er zur nächstgelegenen Aufnahmeeinrichtung kommt – wo immer die ist, Elwangen, Traunstein, Eisenhüttenstadt, Berlin, ist völlig egal."
    Sagt der Chef der Berliner Ausländerbehörde Engelhard Mazanke.
    "Ich halte es ausdrücklich für falsch, diesen Ankunftsnachweis erst dann auszustellen, wenn der Betroffene in dem eigentlichen Bundesland angekommen ist. Wenn der von Bayern bis nach Schleswig-Holstein fährt, hat der tagelang kein richtiges Dokument. Und dieses Papierdokument kann ich fälschen."
    Ein Flüchtling geht am 06.08.2015 in Heidelberg (Baden-Württemberg) in der Flüchtlingsunterkunft Patrick-Henry-Village an Wohnhäusern vorbei.
    Ein Flüchtling geht am 06.08.2015 in Heidelberg (Baden-Württemberg) in der Flüchtlingsunterkunft Patrick-Henry-Village an Wohnhäusern vorbei. (picture-alliance / dpa / Uwe Anspach)
    In der vormaligen US-Kaserne Patrick-Henry-Village geht das leise Surren des Spezialdruckers unter im Klicken der Kameras. Ein Dutzend Pressefotografen und Kameraleute halten fest, wie der erste Flüchtlingsausweis auf hellgrünem Papier ausgedruckt wird. Jasim, stolzer Ausweis-Inhaber, lässt sich bereitwillig damit ablichten. Das Papier ist unscheinbar. Doch der 27-jährige Iraker strahlt. Jetzt will sich der Gemüsehändler aus Bagdad in Deutschland eine neue Existenz aufbauen.
    "Er hat das Gefühl, dass ihm alles hier gut tut, der erste Ausweis, deswegen hat er Glück."
    Übersetzt der Arabisch-Dolmetscher Aladin Abo Frieh. Jassim hofft auf Wohnung und Arbeit schon in nächster Zeit. Markus Richter, der IT-Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, setzt nun auf erfolgreiche Pilotversuche an den vier Standorten Heidelberg, Nürnberg, Berlin und Herford.
    "Wir stehen Gewehr bei Fuß, sobald das Gesetz verabschiedet ist, das flächendeckend auszurollen. Damit wollen wir Mitte Februar beginnen und haben das Ziel, das Mitte des Jahres auch abzuschließen."
    Anspruchsvolles IT-Projekt
    Ein ambitionierter Plan, räumt jedoch selbst der Bundesinnenminister ein. Kostenpunkt: Einmalig knapp 60 Millionen Euro, dazu jährlich 10 Millionen für Personal und Ausstellung der Ausweise. Und: Viele Kosten seien "nicht quantifizierbar", heißt es im Gesetz.
    Auf der anderen Seite könnten der Flüchtlingsausweis und die zentrale Datensammlung auch sparen helfen: Kosten für doppelte Gesundheitschecks und Impfungen zum Beispiel, aber auch für widerrechtlich bezogene Sozialleistungen. Beziffern lässt sich allerdings auch die Ersparnis nicht. Fest steht lediglich das Ziel des Unternehmens: Mit dem neuen Gesetz wollen die Länder und der Bund verlorene Kontrolle zurückgewinnen. Michael Brandt, im baden-württembergischen Staatsministerium zuständig für Flüchtlingsunterbringung, formuliert noch recht vorsichtig, was er sich von der neuen Datenerfassung und -Verwaltung verspricht.
    "Zumindest theoretisch besteht mit einer solchen klaren Identifizierung die Möglichkeit, dass man beispielsweise die Essensausgabe, die Taschengeldausgabe und alles, was darüber hinausgeht, mit dieser Identität und diesem Ausweis verbindet. Auf diese Weise hat man natürlich Lenkungsmöglichkeiten. Aber wir sind im Augenblick noch in einem relativ frühen Stadium. Das muss natürlich alles geprüft werden, wie das hinzukriegen ist, und es muss eben realisiert werden. Wir haben einen Ist-Zustand, und wir haben einen Sollzustand, und dazwischen ist ein Weg, der beschritten werden muss.
    "Allerdings verbirgt sich hinter diesem Gesetz ein sehr, sehr kompliziertes IT-Projekt."
    Räumt auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière ein. Bis zum Sommer sollen alle Flüchtlinge in Deutschland in der neuen Datenbank erfasst sein. Theoretisch zumindest. De Maizière baut vor:
    "Das ist ein wirklich anspruchsvolles IT-Projekt. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass wir diesen Zeitplan einhalten."