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Anleihenkauf der EZB
Jetzt ist die Politik in der Pflicht

Die Europäische Zentralbank greift mit ihrer Entscheidung für den Kauf von Staatsanleihen in die Politik der EU-Staaten ein - so sehen es nicht nur Nationalbanker. Nun sei die EU-Kommission am Zug, etwa mit einem Investitionsprogramm.

Von Frank Capellan | 23.01.2015
    Jean Claude Juncker hält eine Rede im EU-Parlament
    Auch EU-Kommissionspräsident Juncker will Anreize für ein Investitionsprogramm schaffen. (picture alliance / dpa / Patrick Seeger)
    Jens Weidmann, Chef der Deutschen Bundesbank, hatte nie einen Hehl daraus gemacht, wie wenig er vom Anleihen-Kauf hält. Doch im Rat der Europäischen Zentralbank fand Weidmann kein Gehör. Mit öffentlichen Äußerungen hält sich der Deutsche bisher zurück, anders als Ewald Nowotny , Chef der österreichischen Nationalbank und damit ebenfalls EZB-Ratsmitglied. Im ORF-Interview macht er deutlich, dass auch er Risiken in Draghis Geldpolitik sieht:
    "Wir haben eigentlich jetzt mehr oder weniger unser letztes Pulver verschossen, und dabei soll man meines Erachtens immer sehr vorsichtig sein. Ich persönlich hatte vorgehabt, das Programm zwar anzudenken, aber doch etwas zu warten, ob man es wirklich braucht."
    Die vielen Sparer gerade in Deutschland werden das Nachsehen haben, der Wert von Lebensversicherungen sinkt rapide, das alles könnte Gift für die Binnenkonjunktur sein, beklagen Politiker wie Gregor Gysi. "Wir haben immer viel zu sehr den Export im Blick", kritisiert der Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag am Morgen im Deutschlandfunk. Er glaubt ohnehin nicht daran, dass die Krisenländer Südeuropas vom EZB-Programm profitieren werden. Die Nutznießer sind erst einmal die Banken. Sinnvoller wäre es in den Augen Gysis daher gewesen, den Staaten direkt Geld für Investitionen zur Verfügung zu stellen – dafür aber hätte die EZB ein Mandat erhalten müssen:
    "Da hätte sich die EZB dafür einsetzen müssen, dass die Regierungen den Vertrag von Lissabon an diesem Punkt verändern, weil das nicht geht. Du kannst in einer solchen Situation, in einer solchen Krise nicht diese Umwege gehen, den jetzt die Europäische Zentralbank, da haben Sie recht, aus rechtlichen Gründen gehen muss. Also hätte man das Recht ändern müssen. "
    Nein, das ist nicht unsere Aufgabe, heißt es seitens der Europäischen Zentralbank. Österreichs Ratsmitglied Nowotny hält von solchen Überlegungen nichts und spricht von einem politischen Argument:
    "Ich glaube, eine Notenbank sollte nicht den Ehrgeiz haben, in die Politik von einzelnen Staaten einzugreifen. Unsere Aufgabe ist die Geldpolitik. Es ist eine Aufgabe speziell der EU-Kommission, auf Disziplin und auf eine richtige Finanzpolitik zu schauen."
    Sorge, dass der Reformdruck verpufft
    Dennoch: Die Befürchtung ist groß, dass Länder wie Spanien oder Italien angesichts der neuen Geldflut nun von weiteren Sparanstrengungen und Reformen absehen werden. Schon gestern hatte Kanzlerin Angela Merkel davor gewarnt, auch ihr Vize, SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht nun die EU-Kommission in der Pflicht:
    "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir nicht der EZB alleine die Belebung von Wachstum und Beschäftigung in Europa überlassen sollten. Sondern es ist richtig, dass die Europäische Kommission, der Kommissionspräsident Juncker, ein großes Investitionsprogramm in Europa auch mit privaten Investitionen anreizen will."
    CSU-Mann Markus Ferber mag das nicht beruhigen. Im SWR betont der Europaparlamentarier, dass er davon ausgeht, dass der Reformdruck auf die Euro-Krisenländer nun verpuffen wird:
    "Das Einzige, was jetzt stattfindet, ist, dass sich Italien und Frankreich so günstig wie noch nie refinanzieren können. Das heißt, das Gegenteil wird erreicht: Der Reformdruck nimmt ab."
    Dass griechische Staatsanleihen vom Ankaufprogramm der EZB ausgeschlossen sind, soll zumindest den Druck auf Athen erst einmal aufrechterhalten. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz warnt im ZDF allerdings davor, die Griechen zwei Tage vor der Wahl noch weiter zu bedrängen.
    "Wir hängen alle zusammen und die Wahl in Griechenland hat auch Einfluss auf uns. Aber wir würden uns, wenn wir den Bundestag wählen, auch Einmischungen von außen in unsere Wahlentscheidungen verbitten."
    Was ein Wahlsieg von Alexis Tsipras, dem Chef der griechischen Linken, nach sich ziehen könnte, vermag auch Sozialdemokrat Schulz noch nicht abzuschätzen.