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"Ansonsten hätten wir null direkte Jobs"

Der Vorsitzende des Opel-Gesamtbetriebs, Klaus Franz, hat die geplanten Stellenstreichungen bei dem Autohersteller verteidigt. Restrukturierung bedeute Arbeitsplatzabbau. Dem müsse man ins Gesicht schauen, sagte Franz.

Klaus Franz im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Sandra Schulz: Für kurze Zeit haben manche in der vergangenen Woche gedacht, das Ringen um Opel sei jetzt zu Ende. Nach der Entscheidung der Opel-Mutter General Motors, sich von der Tochter zu trennen und an den österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna und dessen russischen Partner Sberbank zu verkaufen, zeichnet sich jetzt aber neuer Streit ab, denn Tausende von Jobs sollen in Europa gestrichen werden. Gegen die Bundesregierung steht der Vorwurf im Raum, sie wolle einen Schutzschirm für deutsche Arbeitsplätze erkaufen, obwohl auch hier mehr als 4000 Jobs auf der Streichliste stehen. Blockiert Brüssel nun den Deal? Erste Beschwichtigungsversuche der Bundesregierung gestern bei einem Treffen der europäischen Staaten mit Opelstandorten hatten jedenfalls noch keinen Erfolg. Was heißt dieser neue Streit nun für die Arbeitnehmer? Darüber wollen wir in den kommenden Minuten sprechen mit Klaus Franz, mit dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der Adam Opel GmbH und Vorsitzenden des europäischen Betriebsrates, mir jetzt telefonisch zugeschaltet. Guten Morgen!

    Klaus Franz: Guten Morgen.

    Schulz: Herr Franz, GM trennt sich jetzt von Opel, aber der Streit geht weiter. Was ist für die Arbeitnehmer damit nun eigentlich gewonnen?

    Franz: Die Frage ist, welcher Streit. Das waren ja wahnsinnig schwierige Geburtswehen, um von General Motors loszukommen, die wir durchgemacht haben. Erst mal wurde gesagt, ihr seid zu klein, ihr findet keinen Investor, ihr könnt nicht überleben, ihr geht planinsolvent und so weiter und so fort. All diese Hürden haben wir jetzt genommen. Wir wissen, dass General Motors uns in diese Situation gebracht hat, dass dieses Unternehmen restrukturiert werden muss. Das bedeutet leider Arbeitsplatzabbau, aber ich bin hier kein Sozialromantiker, dem müssen wir ins Gesicht sehen. Die Frage ist jetzt: Wo und wie viele Arbeitsplätze werden abgebaut. Die Zahlen von 10.500 und 4000 in Deutschland sind Planzahlen. Das ist der Ausgangspunkt von Verhandlungen. Wir werden schon kommende Woche beginnen, mit Magna zusammen zu verhandeln.

    Schulz: Planzahlen, die aber enormes Schreckpotenzial jetzt erst mal haben. War es eigentlich richtig, dass sich die Arbeitnehmer so früh für die Österreicher ins Zeug gelegt haben?

    Franz: Ja. Wir haben das ja nicht gemacht, weil wir irgendwie aus dem Magna-Fanclub kommen, sondern weil wir das industrielle Konzept bewertet haben. Zurück zu General Motors hätte bedeutet, in zwei Jahren wären wir in der gleichen Situation gewesen wie jetzt. RHJI ist ein Finanzinvestor, der relativ schnell seine Einlage mit über 100 Prozent verzinst haben wollte. Das war kein industrielles Konzept. Mit Magna haben wir jemanden, einen Investor, der langfristig mit uns in die Zukunft will, der in der Zukunft mit uns zusammen neue Märkte erschließen will, der gute Qualität und Produktion und Technologie hat. Klar: Es wird – und das ist eben leider das Vermächtnis von General Motors – nichts anderes übrig bleiben, wie dieses Unternehmen zu restrukturieren.

    Schulz: Die Stellenstreichungszahlen, die jetzt auf dem Tisch liegen, das haben Sie gerade ja schon skizziert. Es gibt ja auch eine Auseinandersetzung darüber, ob in dem Konzept von Magna diese Größenordnungen von vornherein so vorgesehen waren. Kannten Sie die Zahl 4500 für Deutschland?

    Franz: Ja, wir kannten. Erstens: die Zahl 4500 für Deutschland stimmt nicht. Es ist eine Zahl von rund 4000 und die waren immer Bestandteil von den 10500 in Europa. Was ich jetzt natürlich auch sehe ist, die Debatte, die von den Außenministern geführt wird. Nur es ist hart und schlimm und heftig, wenn beispielsweise in Spanien 1673 Arbeitsplätze abgebaut werden, aber das ist nicht mal der Teil, der im Bochumer Werk abgebaut werden soll. Von daher kommt hier auch im Moment sehr viel an Emotionen hoch. Ich sehe das nicht so dramatisch. Was ich allerdings dramatisch sehe, ist: Wir werden am 23. September uns als europäische Betriebsräte und Gewerkschaften in Antwerpen treffen. Wir werden unseren Antwerpener Kollegen mit Rat und Tat bei Seite stehen, sie kämpferisch unterstützen. Wir werden Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht akzeptieren.

    Schulz: Aber können Sie mir noch mal sagen, um da einzuhaken, was Sie nicht dramatisch finden an 10.000 Jobs, die gestrichen werden sollen?

    Franz: Natürlich sind das 10.000 Jobs, wo jeder ein Gesicht hat, aber was nutzt es denn, wenn wir nicht mehr wettbewerbsfähig aufgestellt sind, wenn wir 30 Prozent Überkapazitäten haben. Das ist die jahrelange Politik von General Motors gewesen. Würde die jetzt so weiter gemacht werden, dann wäre das Unternehmen spätestens in ein oder zwei Jahren am Ende und das wollen wir und können wir verhindern.

    Schulz: Was ist Ihre Beobachtung? Werden die Belegschaften untereinander ausgespielt? Man könnte ja auch argumentieren, die deutsche Bundesregierung lässt sich die Rettung Milliarden kosten. Sind dafür nicht 4000 Jobs oder mehr als 4000, die hier auf der Kippe stehen, ganz schön viele?

    Franz: Sie müssen das doch auch von dem betriebswirtschaftlichen Standort aus betrachten. Natürlich sind 4000 Jobs wahnsinnig viel, aber es sind weniger als die Planinsolvenz eines Unternehmens. Dann haben wir nachher noch über 21.000 direkte Jobs bei Opel in Deutschland und ansonsten hätten wir null direkte Jobs mehr in Deutschland. Das ist doch die Abwägungsfrage. Der andere Punkt ist: Es sind ja keine Staatsgelder, die fließen, sondern es sind Bürgschaften auf deren Basis Kredite zu hohen Zinsen aufgenommen werden müssen, und all diese Kredite werden wieder zurückbezahlt.

    Schulz: Wenn das plangemäß läuft. – Es zeichnet sich jetzt ja eine weitere Hängepartie ab, weil die EU-Kommission sagt, wir wollen das jetzt erst mal prüfen, bevor diese Staatsbürgschaft bereitgestellt werden kann. Was heißt denn diese Verzögerung jetzt für die Belegschaften?

    Franz: Das sehe ich nicht als das große Problem, weil die finanzielle Situation ist okay im Moment. Wir haben keinerlei Geldprobleme. Nur auf der anderen Seite müssen die anderen europäischen Länder sich auch vor Augen halten: als Pfingstsamstag die Brückenfinanzierung für Opel mit den 1,5 Milliarden okay gemacht wurde, dass das Werk in Spanien, in Polen, in Belgien, die Werke in England heute noch am Leben sind, haben sie dem entschlossenen Handeln der Bundesregierung, der Vereinbarung zwischen General Motors und Magna zu verdanken, weil ansonsten wären diese Standorte insolvent gegangen mit General Motors zusammen. Dieser Punkt muss eben auch mal in den Ländern diskutiert werden. Ich halte auch, einige Informationspolitik hätte früher gemacht werden können, aber wenn acht Stunden, bevor General Motors Konkurs ging in den USA die letzten Verträge hier in Europa unterschrieben wurden, dann haben Sie mal ein Gefühl dafür, mit welcher Hektik daran gearbeitet werden musste.

    Schulz: Klaus Franz, noch die Bitte um eine kurze Einschätzung. Was zeichnet sich denn jetzt ab? Wie viele Jobs sollen wann, wo wegfallen?

    Franz: Wir müssen verhandeln, genau an welchem Standort in welcher Zeitspanne, wird das in einem Jahr sein, wird das in zwei, drei Jahren sein, wird das über Altersteilzeit, über Abfindungsprogramme gehen. Wir wollen betriebsbedingte Kündigungen und Werksschließungen überall in Europa verhindern.

    Schulz: Das waren Informationen von Klaus Franz, dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der Adam Opel GmbH, heute in den "Informationen am Morgen". Danke schön.