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Anstehende Sondierungsgespräche
Das sozialdemokratische Drehbuch für das neue Jahr

Die Sozialdemokraten stehen bei der Regierungsbildung unter Druck, die Union macht Tempo - keine angenehme Situation für die Genossen. Das allerletzte Wort über eine Neuauflage der Großen Koalition werden am Ende die gut 440.000 SPD-Mitglieder haben. So ist es im sozialdemokratischen Drehbuch festgeschrieben.

Von Frank Capellan |
    Das Bild zeigt Delegierte von der Seite, die an ihren Tischen sitzen und rote Stimmkarten nach oben halten.
    Am 21. Januar haben es 600 Delegierte eines Sonderparteitages in der Hand, ob es weitergeht mit der Groko (Bernd von Jutrczenka / dpa)
    Es könnte eine Götterdämmerung für die Genossen werden. Der alte Fahrensmann Wolfgang Thierse ist gerade ganz froh, dass er nicht in der Haut seines Parteivorsitzenden steckt.
    "Ehrlich gesagt ja. Das ist wirklich eine schwierige Situation, weil alle Möglichkeiten mit besonderen Risiken für die SPD verbunden und für die SPD durchaus problematisch sind!"
    Martin Schulz hat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Für ihn stand fest, dass Jamaika kommt, für ihn stand fest, dass seine SPD in die Opposition gehört, jetzt kommt alles anders.
    "Für mich sind die Weihnachtsferien abgesagt, das gilt auch für Herrn Klingbeil und sein Team und für das Team von Frau Nahles gilt es auch."
    Mitmachen in welcher Form auch immer
    Die Zeit zwischen den Jahren galt es zu nutzen, um die Sondierungen mit der Union vorzubereiten, schon am zweiten Werktag des neuen Jahres steht ein erstes Treffen mit Merkel und Seehofer an, einen Tag später kommt die SPD-Spitze intern zusammen, gleich nach der CSU-Klausur im Kloster Seeon geht es am 7. Januar richtig los mit den Gesprächen über Inhalte einer Zusammenarbeit. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil:
    "Wichtige Themen für uns sind die sozialen Themen, wie geht es weiter im Pflegebereich, im Bildungsbereich, aber wir wollen auch einen starken pro-europäischen Kurs. Europa darf nicht mehr verwaltet werden, sondern wir brauchen einen Kampf für Europa. Wenn die SPD mitmachen soll, in welcher Form auch immer, dann wird das nur über Inhalte gehen, deswegen muss die Union jetzt auch zeigen, dass sie bereit ist, mit uns über unsere Themen zu reden."
    Mitmachen in welcher Form auch immer. Große Koalition, Minderheitsregierung, Kooperationsmodell, im SPD-Sprech ist alles offen, ergebnisoffen. Angela Merkel aber will nur eines:
    "Dass Koalitionsverhandlungen mit dem Ziel gebildet werden, eine stabile Regierung zu bilden. Das heißt, nicht mit wechselnden Mehrheiten abzustimmen"
    "Die Kanzlerin bestimmt nicht allein die Tagesordnung, wir haben einen klaren Auftrag des Parteitages, über Inhalte zu reden, ergebnisoffen auch über die Konstellation zu reden. Wir werden sehr schnell sehen, ob es sich lohnt, mit der Union weiter zu reden."
    Betont der SPD-Generalsekretär. Ob es sich lohnt, soll spätestens nach sechs Verhandlungstagen feststehen: Am Freitag, den 12. Januar ist Redaktionsschluss. Dann trifft sich die SPD-Bundestagsfraktion bereits zu einer Sondersitzung.
    600 Delegierte entscheiden, ob es weitergeht
    "Liebe Frau Merkel! Sind Sie eigentlich auf absehbare Zeit verhandlungsfähig?!? Wir verschenken nix!"
    Hat die Chefin der Fraktion, Andrea Nahles schon mal klargestellt, in Anspielung auf den Satz der Kanzlerin, wonach die SPD doch auf absehbare Zeit nicht regierungsfähig sei. Der Preis für eine Zusammenarbeit – so ihre Botschaft – wird ein hoher sein.
    "Und das wird ganz schön teuer. Bätschi, sage ich dazu nur. Und darum muss es gehen: Keine Angst, sondern Selbstbewusstsein und ergebnisoffen. Dafür stehe ich, und das verspreche ich."
    Der SPD-Vorsitzende arbeitet auf eine Zusammenarbeit mit der Union hin, nach den Sondierungen folgen Beratungen im Parteivorstand. Martin Schulz muss den eigenen Genossen Koalitionsverhandlungen mit der Union aber erst noch schmackhaft machen. Am 21. Januar haben es 600 Delegierte eines Sonderparteitages in der Hand, ob es weitergeht. Martin Schulz verspricht knallharte Runden mit der Union, bei denen es ganz anders zugehen soll als bei den Jamaika-Gesprächen.
    "Bei uns wird es keine Balkonbilder geben, auch kein Winken, es wird auch kein intensives Twittern von Zwischenständen aus Arbeitsgruppen geben."
    Gehen die Sozialdemokraten dann Seite an Seite in die dritte Groko mit Angela Merkel? Wohl kaum: Die Jusos, die immerhin ein Viertel der Parteitagsdelegierten stellen, haben schon Nein gesagt, auch der Thüringer Landesverband ist mit einem Ablehnungsbeschluss vorgeprescht – trotz der Warnung seines prominentesten Mitglieds, des Geschäftsführers der Bundestagsfraktion Carsten Schneider:
    "Es ist mehr oder weniger ein Misstrauensbeweis gegenüber dem Parteivorstand und dem Bundesparteitag, das muss man wissen. Es gibt keine Tolerierung. Die Union wird das nicht machen. Und das Risiko, bei einer Neuwahl zerschmettert zu werden, halte ich für extrem hoch."
    Aus Angst vor der Neuwahl am Ende doch in die Groko? Das allerletzte Wort werden am Ende 440.000 SPD-Mitglieder haben. So ist es im sozialdemokratischen Drehbuch festgeschrieben. Zu Ostern eine neue Regierung oder ein neuer Wahlkampf, beides ist möglich.