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Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan
Papst Franziskus überrascht zum Auftakt

Daraus könnten die Leitlinien der katholischen Kirche im Kampf gegen sexuellen Missbrauch werden: Papst Franziskus hat zum Auftakt des Anti-Missbrauchsgipfels in Rom ein 21-Punkte-Papier vorgelegt. Die Deutsche Bischofskonferenz unterstützt die Initiative des Papstes. Opferverbände reagierten zurückhaltend.

Von Jörg Seisselberg | 22.02.2019
Franziskus beugt das Haupt und faltet die Hände
Papst Franziskus konfrontierte die Teilnehmer des Missbrauchsgipfels am ersten Tag auch mit den Schilderungen von Opfern (AFP/Pool/Vincenzo Pinto)
Der deutsche Kardinal Marx geht mit großer Zuversicht in den zweiten Tag. Das Treffen der Bischöfe aus aller Welt im Vatikan könne beim Thema Kampf gegen Missbrauch den Impuls geben, den er sich wünsche: "Der Gipfel, der jetzt einberufen wurde, soll ja die ganze Weltkirche zusammenholen und es wird nicht ohne Ergebnis sein, das spüre ich jetzt schon."
Franziskus präsentiert 21-Punkte-Liste
Dazu beigetragen hat, dass der Papst gestern für eine Überraschung sorgte. Er legte eine 21-Punkte-Liste vor mit Vorschlägen, die offiziell eine Zusammenfassung dessen sind, was an Anregungen aus der Weltkirche in den vergangenen Wochen auf seinem Schreibtisch gelandet ist. De facto aber sind seine 21 Punkte, die er den Teilnehmer der Konferenz in einem Papier vorlegte, ein erster Entwurf dessen, was am Ende der Konferenz die neuen Leitlinien der katholischen Kirche im Kampf gegen sexuellen Missbrauch sein könnten.
Dass es weltweit in den Ortskirchen unabhängige Anlaufstellen für Opfer sexuellen Missbrauchs geben soll. Dass angehende Priester überall in ihrer Ausbildung sich intensiv mit dem Kampf gegen sexuellen Missbrauch beschäftigen. Dass sie psychologisch überprüft werden, bevor sie ihren Dienst antreten. Und dass die Kirche in allen Ländern bei Missbrauch konsequent mit den Strafermittlungsbehörden zusammenarbeitet. - Vorschläge, die den Beifall der Deutschen Bischofskonferenz finden.
Kardinal Marx auf einer Linie mit Franziskus
Kardinal Marx, der als einer derjenigen gilt, die Papst Franziskus zu diesem Anti-Missbrauchsgipfel gedrängt haben, machte in den ARD-Tagesthemen deutlich, dass er die Initiative des Papstes auch an diesem Punkt unterstützt: "Die Gerichte müssen ein Urteil fällen. Und dann kommt ein Prozess, der kirchlich sicherstellt, dass niemand, der eine Gefährdung ist für andere, in einem Dienst in der Kirche weiterhin tätig sein kann. Das muss auf jeden Fall die Linie sein."
Die Opferverbände reagieren bislang zurückhalten auf die 21 Punkte des Papstes. Auch wenn Anerkennung zu spüren ist, unter anderem für das offene Schuldeingeständnis des Vatikans, das gestern in der Konferenz von Kardinal Luis Antonio Tagle in bislang nicht gekannter Deutlichkeit formuliert wurde.
"Es darf nicht nur bei Betroffenheit bleiben"
Matthias Katsch von der deutschen Betroffenenorganisation Eckiger Tisch: "Wenn der Bischof aus den Philippinen sagt, wir haben in der Vergangenheit vertuscht. Jawohl, das habt ihr. Und jetzt müsst ihr den Bischöfen bitte weltweit Vorgaben machen, wie sie mit Ermittlern und Untersuchungsbehörden zusammenarbeiten, um das zu beenden und für die Vergangenheit aufzuarbeiten." Denn, so Katsch: "Es darf nicht nur bei Betroffenheit bleiben. Es müssen halt konkrete Aktionen auch beschlossen werden."
Betroffenheit ist auf jeden Fall spürbar bei den Teilnehmern, heißt es von den Organisatoren des Treffens. Mit dazu beigetragen hat eine Idee, die dem Papst persönlich wichtig war. Die Teilnehmer, darunter die Chefs aller Bischofskonferenzen weltweit, wurden zum Auftakt des Treffens mit den Schilderungen von Opfern konfrontiert. Darunter waren Erzählungen, die unter die Haut gingen. Wie die einer Frau, die von einem Priester über 13 Jahre vergewaltigt wurde – und dreimal abtreiben musste, weil der Kirchenmann Sex ohne Verhütungsmittel wollte.
Rechenschaftspflicht – Leitthema des zweiten Tages
Verantwortung war das Leitthema des ersten Tages, heute soll es um Rechenschaftspflicht gehen. Dazu wird erstmals in der Konferenz auch eine Frau sprechen: Die Theologin Linda Ghisoni, seit vergangenem Jahr Konsultorin der Glaubenskongregation. Ihr Thema vor den 180 Männern unter den 190 Teilnehmern: Gemeinsam handeln.