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Antidrogenkampf in Indonesien
Eine neue Hinrichtungswelle droht

Viereinhalb Millionen Drogensüchtige gibt es in Indonesien - und jährlich mindestens 12.000 Tote durch den Rauschgiftkonsum. Die Regierung setzt auf Härte und auf die abschreckende Wirkung der Todesstrafe. Hinweise darauf, dass das auch funktioniert, gibt es nicht. Bald sollen aber wieder 15 Menschen exekutiert werden.

Von Holger Senzel | 17.05.2016
    Ein Demonstrant gegen die Hinrichtungen hält ein Schild mit der Aufschrift "Jokowi (der indonesische Präsident Joko Widodo) ist nicht Gott".
    Trotz Protesten: In Indonesien sollen wieder Drogenhändler hingerichtet werden. (picture alliance / dpa - Mast Irham)
    Jeder Erfolg im Kampf gegen den Drogenhandel wird von der indonesischen Polizei als großes Medienspektakel inszeniert. Rauschgift vor laufenden Kameras in lodernde Verbrennungsöfen geworfen, der Verdächtige mit gesenktem Blick im orangen Overall den Journalisten vorgeführt, und ein stolzer Drogenfahnder posaunt fröhlich in die Mikrofone, was den Gefangenen erwartet: der Tod.
    Zehn Ausländer und fünf Indonesier sollen in den nächsten Tagen wegen Drogenhandels hingerichtet werden. Der Tod durch die Gewehre eines Erschießungskommandos ist ein roher, archaischer Akt, wie das australische Fernsehen in einer Dokumentation erklärte: "Dem Gefangenen werden die Augen verbunden und er wird gefragt, ob er stehen, sitzen oder knien will. Der Arzt bringt eine Markierung über dem Herzen an; das zwölfköpfige Erschießungskommando steht zehn Meter entfernt, aber nur drei Gewehre sind mit scharfen Patronen geladen. Dann gibt der Kommander den Feuerbefehl. Sollte der Gefangene dann noch am Leben sein, schießt der Kommandeur ihm aus nächster Entfernung hinter dem Ohr in den Kopf."
    Das ist Indonesiens Kampfansage gegen den Rauschgifthandel. Denn der riesige Inselstaat mit 240 Millionen Einwohnern hat ein gigantisches Drogenproblem: 12.000 Tote jedes Jahr durch Heroin, Ecstasy und Crack; viereinhalb Millionen Süchtige – offiziell. An drakonischen Strafen führe deshalb kein Weg vorbei, erklärt Präsident Joko Widodo: "Wir wollen eine bessere Welt, und deshalb senden wir diese unmissverständliche Botschaft an alle Drogendealer: Ihr müsst hier mit der Todesstrafe rechnen, und es wird keine Gnade geben. Weil wir nicht wollen, dass Indonesiens nächste Generation durch Drogen zerstört wird."
    Keine Anzeichen für Abschreckung durch Todesstrafe
    Die 15 nächsten Delinquenten wurden bereits unter starken Sicherheitsvorkehrungen auf die Hinrichtungsinsel Nusa Kembangen gebracht. Insgesamt warten noch 12o Verurteilte auf den Gang vor das Erschießungskommando. Darunter eine Britin und eine Philippinerin, die beide im Prozess erklärten, sie seien als Drogenkuriere missbraucht worden. Die neue Hinrichtungswelle droht fast genau ein Jahr nach der weltweit verurteilten Exekution zahlreicher Ausländer in Indonesien. Vor allem zwei Australier hatten dabei die Herzen der Weltöffentlichkeit bewegt, die Zeuge der dramatischen Läuterung der jungen Männer im Gefängnis wurde. Die Regierung in Canberra hatte protestiert, die Familien der Verurteilten wiederholt dramatische Appelle an Indonesiens Präsident Widodo gerichtet: "Die Todesstrafe ändert nichts am Drogenproblem. Auch wenn mein Bruder heute getötet wird, werden morgen andere mit Drogen handeln und Menschen Drogen nehmen. Ich appelliere an Präsident Widodo: Seien Sie gnädig, damit meine Mutter und meine Geschwister nicht meinen Bruder begraben müssen."
    Tatsächlich gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass die Todesstrafe abschreckend wirkt, sie ist womöglich auch Ausdruck der Hilflosigkeit. Unverändert hängen weiterhin Jahr für Jahr Millionen junge Indonesier an der Nadel, sterben Tausende durch Drogen und Dutzende vor den Mündungen von Erschießungskommandos. Dort weiß übrigens keiner der Soldaten, ob sein Gewehr mit tödlicher Kugel oder Platzpatrone geladen war. Damit niemand sich als Henker fühlen muss.