Archiv

In Harvard um 1900
Als Computer noch Menschen waren

Schon vor mehr als hundert Jahren waren am Harvard College Observatory Dutzende Computer im Einsatz. Das waren allerdings keine Maschinen, sondern Menschen.

Von Dirk Lorenzen |
Eine Gruppe von Astronominnen bei der Arbeit (ca. 1900).
Eine Gruppe von Astronominnen bei der Arbeit (ca. 1900) (Harvard Library)
Computer lautete die Berufsbezeichnung der Frauen, die Ende des neunzehnten und zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts Fotoplatten mit Himmelsaufnahmen und Spektren auswerteten. Das Großraumbüro, in dem die Computer-Frauen ihrer Tätigkeit nachgingen, befand sich neben dem Arbeitszimmer des Direktors Edward Pickering im obersten Stockwerk. Im Institut spottete man über „Pickering's Harem“. Die männlichen Mitarbeiter waren in den Etagen darunter untergebracht.

Keine höheren akademischen Positionen für Frauen

Als Computer arbeiteten so herausragende Astronominnen wie Annie Jump Cannon, Williamina Fleming und Antonia Maury - manche übten diese nur schlecht bezahlte Tätigkeit jahrzehntelang aus. Höhere akademische Positionen waren Frauen in Harvard noch verwehrt. Die rechnenden Astronominnen entdeckten viele Himmelsobjekte, stellten Kataloge zusammen und verfolgten zahlreiche Forschungsprojekte, etwa was sich aus Spektren über die physikalischen Eigenschaften von Sternen lernen lässt.

Mehr zum Thema

Historischer Bericht über Pickering's Harem
Bericht des Smithsonian Magazine über die Computer-Frauen
Von den Ergebnissen aber profitierten sie fast nie. Denn Edward Pickering schmückte sich gern mit den Leistungen seines Computer-Harems, nannte die Frauen in seinen Veröffentlichungen aber zumeist nicht einmal als Koautorinnen. Wer sich dagegen auflehnte oder eigene Ideen verfolgen wollte, verlor meist seinen Posten. Nach Pickerings Tod 1919 gelang nur ganz wenigen Computern der Sprung auf eine richtige Forschungsstelle.