Debatte
Arbeitspflicht für Asylbewerber - was spricht dafür, was dagegen?

In Politik und Gesellschaft wird gerade über eine Arbeitspflicht für Asylbewerber debattiert. Die Reaktionen reichen von deutlicher Ablehnung bis großer Zustimmung.

    Migranten gehen über das Gelände der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber des Landes Brandenburg in Eisenhüttenstadt.
    Debatte über Arbeitspflicht für Asylbewerber (Symbolbild). (Patrick Pleul / dpa / Patrick Pleul)

    Worum es geht:

    Im ostthüringischen Saale-Orla-Kreis sollen Asylbewerber zu vier Stunden Arbeit pro Tag verpflichtet werden. Grundlage ist eine Regelung im Asylbewerberleistungsgesetz, wie ein Sprecher erklärte. Die Geflüchteten sollen für 80 Cent pro Stunde einfache Arbeiten erledigen. Weigern sie sich, drohten Kürzungen von bis zu 180 Euro im Monat. 
    Die Arbeit soll zunächst an Geflüchtete verteilt werden, die freiwillig bereit sind. Arbeit gebe es unter anderem in den Unterkünften selbst - etwa Reinigungs- und Hilfsarbeiten. Auch Kommunen und Vereine seien ermutigt worden, "Arbeitsgelegenheiten zu schaffen oder anzufragen". Wichtig sei, dass dies keine regulären Arbeitsplätze gefährde. 
    Auch in Sachsen-Anhalt könnten Geflüchtete künftig verpflichtet werden, zu arbeiten. Einige Landkreise überlegten, wie dies organisiert werden könnte, sagte Ministerpräsident Haseloff (CDU) im RBB-Hörfunk.
    Im Asylbewerberleistungsgesetz heißt es im Paragraf fünf: "Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet."
    Grundsätzlich ist der Zugang zum Arbeitsmarkt für neu ankommende Geflüchtete eingeschränkt. Asylbewerber dürfen grundsätzlich erst nach drei Monaten einer Arbeit nachgehen. Wer in einer Aufnahmeeinrichtung leben muss und kein minderjähriges Kind hat, sogar erst nach neun Monaten. Geduldete oder Geflüchtete in einer Aufnahmeeinrichtung mit minderjährigem Kind dürfen nach sechs Monaten arbeiten. Asylbewerber aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, die nach August 2015 ihren Asylantrag stellten, haben grundsätzlich keinen Zugang zum Arbeitsmarkt.

    Das sagen die Befürworter:

    Einige Unterstützer der Maßnahme sprechen von einem Signal - so auch der Thüringer CDU-Chef Voigt: "Wir müssen die Botschaft aussenden: Wer in Deutschland die Solidarität der Gemeinschaft erfährt, muss dafür auch etwas zurückgeben", sagte Voigt dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
    Der Landkreistag spricht sich dafür aus, eine Arbeitspflicht für alle Asylbewerber einzuführen. "Die finanzielle Unterstützung vom Staat darf nicht bedingungslos sein", sagte Verbandspräsident Sager der "Bild"-Zeitung. "Wer sich über einen längeren Zeitraum in Deutschland aufhält, muss einer Arbeit nachgehen." Sager forderte die Bundesregierung auf, das Asylbewerberleistungsgesetz entsprechend zu ändern. So sollten Flüchtlinge künftig auch Tätigkeiten in privaten Unternehmen ausüben dürfen.
    Der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Springer, erklärte, die Debatte über eine Arbeitspflicht für Asylbewerber sei wichtig - nur traue sich "keine der etablierten Parteien, wirklich ernst zu machen". Seine Fraktion fordere die Bundesregierung auf, deutschlandweit und flächendeckend durchzusetzen, was das Asylbewerberleistungsgesetz ohnehin schon vorsehe.
    Aus Sicht von Bundesarbeitsminister Heil (SPD) kann es im Einzelfall sinnvoll sein, Menschen während der mitunter langen Wartezeit in Sammelunterkünften zu beschäftigten. Eine nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt werde so jedoch nicht gelingen, sagte Heil der "Bild"-Zeitung. 
    Die Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Nahles, betonte, die Arbeitsaufnahme von Geflüchteten in Unterkünften sei schon seit Jahren rechtlich möglich, werde aber von den Kommunen "eher zurückhaltend genutzt". Sie sei von der Forderung von Landkreistags-Präsident Sager daher überrascht gewesen.

    Das sagen die Kritiker:

    Ablehnung kommt aus der rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen und vom Flüchtlingsrat in dem Bundesland. Integrationsministerin Denstädt (Grüne) sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Landrat im Saale-Orla-Kreis mache "genau das, was rechte Gruppierungen zurzeit versuchen: Er bedient das falsche Narrativ von den arbeitsscheuen Geflüchteten."
    Auch die Grünen im Bundestag kritisierten das Vorhaben: "Menschen den Zugang zu regulärer Arbeit zu erschweren und sie gleichzeitig planwirtschaftlich in Hilfsjobs zu parken schadet allen, Unternehmen, geflüchteten Menschen und der Gesellschaft insgesamt", sagte Fraktionsvize Audretsch dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland".
    Der flüchtlingspolitische Sprecher von Pro Asyl, Alaows, teilte mit: "Die Behauptung, dass geflüchtete Menschen nicht arbeiten wollen, um sie dann am Ende mit 80 Cent pro Stunde auszubeuten, während viele von ihnen überhaupt nicht arbeiten dürfen, ist rassistisch und menschenverachtend". Die aktuellen Vorschläge zur Arbeitspflicht zeugten "wieder einmal von einem gefährlichen Einstieg in eine rechtspopulistische Debatte", hieß es von Pro Asyl.
    Diese Nachricht wurde am 29.02.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.