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Architekturhistorikerin Turit Fröbe über "Alltagsarchitektur"
"Der Architektur wird nichts mehr zugetraut"

Für viele muss Architektur immer spektakulär sein, wie etwa der Mailänder Dom. Dabei ist es der Häuserblock um die Ecke, der das Verständnis für Bauten schult und auch ein Gefühl für ferne kunstvolle Häuser schafft, sagte die Architekturhistorikerin Turit Fröbe im Dlf.

Turit Fröbe im Gespräch mit Michael Köhler |
Der Mini-Tapiola-Spielplatz befindet sich im Zentrum des berühmten Nachkriegsstadtteils Tapiola in Espoo.
Der Mini-Tapiola-Spielplatz befindet sich im Zentrum des berühmten Nachkriegsstadtteils Tapiola in Espoo (Turit Fröbe)
Während wir im Urlaub sehr genau Plätze, Gebäude und Räume wahrnehmen, erscheint uns das Haus gegenüber, die Fassade um die Ecke oft als zu banal. Vele von uns nehmen es nicht wahr. Dabei ist es immens wichtig, die Bauten vor der eigenen Haustür zu kennen und nicht immer nur die spektakulären Werke in der Ferne, sagt Turit Fröbe.
"Die Alltagsarchitektur ist insgesamt unter die Räder gekommen. Ich würde mir wünschen, dass wir zu einer sehr viel hochwertigeren Alltagsarchitektur kommen", sagte die Architekturshistorikerin im Dlf.
Portrait der Urbanistin und Architekturhistorikerin
Turit Fröbe, zur Person:
Dr. Turit Fröbe ist Architekturhistorikerin, Urbanistin und passionierte Baukulturvermittlerin, wie sie zuletzt mit ihrem Bestimmungsbuch für moderne Architektur "Alles nur Fassade?" bewiesen hat. Seit 2001 beschäftigt sie sich leidenschaftlich mit dem Thema Bausünden. Sie besitzt nicht nur ein umfangreiches Archiv, sondern auch eine einzigartige Expertise im Aufspüren von Architekturen, die aus der Reihe tanzen. Mit ihrem Bestseller "Die Kunst der Bausünde" ist es ihr auf humorvolle Weise gelungen, eine Lanze für die Bausünde zu brechen, viele Menschen zum Umdenken zu bewegen und die vermeintlich hässliche Architektur zu rehabilitieren.
"Ich versuche ein breiteres Verständnis für Baukultur in die Gesellschaft zu bringen, weil Achitektur ein Schattendasein im öffentlichen Bewusstsein führt und das darf nicht sein." Wir leben in Gebäuden, wir sind von Architektur umgeben, es ist wichtig, sie auch wahrzunehmen, so Fröbe.
In einer Glaskugel spiegelt sich die Adriaküste, die im Hintergrund nur unscharf zu sehen ist.
Gesprächsreihe - nah und fern
Nähe und Distanz sind keine feststehenden Größen. Wo das eine aufhört und das andere beginnt, empfindet jeder anders. Und jede Disziplin, jede Kunstgattung geht auf ihre Weise damit um.
Allerorten werden Gebäude rekonstruiert oder gleich ganze Viertel, wie die Frankfurter Altstadt. "Ich empfinde diese Rekonstruierungsversuche als riesengroße Bankrotterklärung. Mich ärgert das. Der Architektur wird nichts mehr zugetraut."
Unser Wohlergehen wird stark von Architektur beeinflusst. "Deshalb setze ich in der Alltagsarchitektur an. Man findet verborgene Schönheiten vor der Haustür."