Dienstag, 19. März 2024

Archiv

ARD-Mitarbeiter verlassen Myanmar
"Geht ins höchste Stockwerk, dort seid ihr sicher"

Ein wütender Mob hat im Nordwesten Myanmars ein Team der ARD bedroht. "Der Hass, der sich auf die Rohingya entlädt, ist jetzt auf die Presse umgeschlagen", berichtet Hörfunkkorrespondentin Lena Bodewein im Dlf. Aus Sicherheitsgründen hat sie inzwischen das Land verlassen.

Lena Bodewein im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 14.09.2017
    Polizisten bewachen ein Flüchtlingslager in Sittwe, Myanmar am 1.9.2017
    "Die Polizei erschien uns auch nicht so sicherheitseinflößend", sagt ARD-Korrespondentin Lena Bodewein (AFP PHOTO / STR)
    Die Bevölkerung im Nordwesten Myanmars ist zum Teil sehr ungehalten über das Bild, das in den internationalen Medien von ihnen gezeichnet wird. Sie sehen sich absolut nicht als die Schuldigen in diesem Konflikt. Diesen Ärger über die Berichterstattung hat das Team des ARD-Studios Südostasien am eigenen Leib erfahren. Das Team musste sich gestern in Sittwe vor einem wütenden Mob in Sicherheit bringen. Dlf-Redakteurin Ann-Kathrin Büüsker hat darüber mit der Hörfunkkorrespondentin Lena Bodewein gesprochen. Mit dem ARD-Team hat sie in Myanmar zuletzt bedrohliche Momente erlebt und schildert die Situation vor Ort:
    Lena Bodewein: Es ist so: Wir sind hier gemeinsam, das Fernsehteam des ARD-Studios Südostasien und ich. Und wir alle müssen Sittwe, diese Stadt in dem Bundesstaat Rakhaing, wo die großen Gewaltaktionen und Säuberungsaktionen gegen die Rohingya stattfinden, diese kleine Stadt müssen wir jetzt verlassen, weil es gestern Abend bei dem Versuch einer Live-Schalte zur "Tagesschau" zu Unruhen kam. Das Fernsehteam hat aufgebaut, Kameramann und Tonmann haben aufgebaut und getestet, und es sammelten sich immer mehr Menschen um sie herum, die erst neugierig fragten, was macht ihr, wer seid ihr, wieso seid ihr hier, wir haben euch doch heute Nachmittag schon mal gesehen. Wir haben am Nachmittag schon mal O-Töne gesammelt und Menschen befragt, wie sie diese Lage der Rohingya einschätzen.
    Der Mob wurde immer lauter und drängender. Dann kam die Polizei und hat einen Korridor gebildet, damit die Kollegen schnell zum Hotel zurück konnten mit der ganzen Ausrüstung, und vor dem Hotel hat sich dann die Menge gesammelt und wurde immer lauter. Wir wurden sofort angehalten vom Personal: "Licht aus! Verschanzt euch in den Zimmern!" Kurz darauf hieß es: "Geht ins höchste Stockwerk, dort ist Polizei, dort seid ihr sicher!" Wobei die Polizei uns auch jetzt nicht so sicherheitseinflößend erschien.
    Aber es hat sich dann nach mehreren Stunden alles beruhigt. Wir werden jetzt aber angehalten, aus Sicherheitsgründen die Stadt hier zu verlassen, und fliegen jetzt nach Rangun.
    "Die sagen, wir Buddhisten sind eigentlich friedlich"
    Ann-Kathrin Büüsker: Was hat die Menschen denn so aufgeregt?
    Bodewein: Die Lage hier in diesem Bundesstaat Rakhaing ist einfach schon sehr, sehr angespannt und die buddhistische Mehrheit im Lande fühlt sich insgesamt sehr falsch dargestellt, missverstanden. Sie sagen: "Die Weltpresse zeigt immer nur die Seite der Muslime, die werden immer als die Opfer dargestellt. Das stimmt gar nicht, das sind Terroristen, die haben das alles mit Absicht gemacht, die zünden die Dörfer an, um die Arbeit der Armee zu behindern und um sich das Mitleid der Weltöffentlichkeit einzuholen." Und das ist wirklich fest in den Köpfen der Leute drin. Die sagen, die sind alle schuld daran, das sind nicht wir, wir Buddhisten sind eigentlich friedlich und wir leben mit allen zusammen, bis auf die Muslime, mit denen können wir nicht zusammenleben.
    Und das deckt sich natürlich auch mit dem, was die De-facto-Regierungschefin von Myanmar, Aung San Suu Kyi sagt. Die sagt: "Die Welt sieht nur einen riesigen Eisberg von Fehlinformationen. Das stimmt alles nicht. Wir bekämpfen hier Terroristen und wir müssen für die Sicherheit des Landes sorgen." Das war ihre einzige Äußerung in dieser ganzen Zeit, in den drei Wochen der Gewalt.
    Büüsker: Also viele Vorwürfe, die da aus Myanmar kommen an die Weltpresse. - Wie schätzen Sie das denn ein? Wer ist vor Ort schuld? Oder kann man das überhaupt gar nicht sagen?
    Bodewein: Das ist die große Schwierigkeit. Wir kommen auch nicht an das richtige Krisengebiet ran. Es gab bis vor Kurzem geführte Touren der Regierung, wo ausgewählte Journalisten durch Dörfer gefahren wurden, die von Rohingya verlassen wurden, und denen wurden Zeugen serviert, die gesagt haben, nein, das sind die Muslime selbst schuld, die haben die Häuser angezündet und wir haben Angst vor denen.
    Ein BBC-Mann hat aber Leute gesehen, Buddhisten und von den Sicherheitsbehörden, die die Dörfer angezündet haben, und das ist noch ein Fall gewesen, das hat die Öffentlichkeit hier noch mehr aufgebracht. Die sagen, die Presse zeigt doch immer nur das Falsche - und das macht sie noch wütender. Von daher ist der Hass, der sich auf die Rohingya auch in dieser riesigen Säuberungswelle entlädt, auch jetzt auf die Presse umgeschlagen. Ausländer sind schlecht, Presse sowieso noch mal schlechter.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.