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Aschenvulkane auf Island
Erst berechenbar, wenn sie ausbrechen

In den letzten sechs Jahren gab es auf Island drei schwere Vulkanausbrüche. Aber nur beim Eyjafjallajökull musste weiträumig der europäische Luftraum gesperrt werden, damit Flugzeugturbinen von den scharfkantigen Aschepartikeln nicht beschädigt werden. Vulkanologen versuchen nun, die ausgestoßenen Aschemengen während eines Vulkanausbruchs möglichst früh zu bestimmen.

Von Karl Urban | 24.10.2016
    Die durch den Ausbruch des Eyjafjallajökull produzierte Aschewolke legte den europäischen Luftraum im April 2010 tagelang lahm
    Die durch den Ausbruch des Eyjafjallajökull produzierte Aschewolke legte den europäischen Luftraum im April 2010 tagelang lahm (EPA / S. Olafs / dpa picture alliance)
    Im April 2010 brach der Eyjafjallajökull aus und produzierte Unmengen von Asche. Dass es ausgerechnet dieser Vulkan war, überraschte den isländischen Vulkanologen Páll Einarsson:
    "Eyjafjallajökull war gar nicht auf unserer Liste der sehr aktiven Vulkane Islands. Er war für uns eher ein fauler Vulkan, weil er in den letzten 800.000 Jahren nie katastrophale Ausbrüche hatte. Und trotzdem hatte er diesen großen Einfluss auf die Bewohner der nördlichen Hemisphäre."
    Letztlich war es dem Wetter geschuldet, dass die Asche den europäischen Luftraum erreichte und lahmlegte.
    Tobias Dürig: "Es war eine ungewöhnlich lange Phase, in der der Wind in südliche Richtung geweht hat. Eher ungewöhnlich für diese Breitengrade. Aber es kommt vor. Man sagt, bei jeder vierten Eruption weht die Asche in diese Richtung."
    Seit drei Jahren arbeitet Tobias Dürig an der Universität Island an einem Computer-Programm, um solche für den Flugverkehr problematischen Ausbrüche berechenbarer zu machen. Dafür will der Vulkanologe vor allem die Messmethoden direkt im Umfeld der Ausbruchssäule am Vulkan verbessern - keine einfache Aufgabe:
    "Das sind Gemische aus heißen Gasen und heißer zerbrochener Magma, also Asche. Unglaubliche Mengen und eine unglaubliche Hitze. Die kann man nicht direkt messen, wie viel da heraus kommt. Ich meine, man traut sich ja kaum in die Nähe."
    Ausbruch des Eyjafjallajökull vergleichsweise klein
    Vier Hungerbrötchen aus dem Jahr 1817 werden in Stuttgart im Haus der Geschichte ausgestellt.
    Vier Hungerbrötchen aus dem Jahr 1817. Sie waren Teil einer Ausstellung in Stuttgart, die an die Missernte infolge des Ausbruchs von Vulkan Tambora auf der indonesischen Insel Sumbawa im Jahr 1815 erinnerte. (picture alliance / dpa / Bernd Weißbrod)
    Deshalb versuchten die Vulkanologen, besonders viel aus der Rauchsäule zu lernen, die vom Vulkan viele Kilometer in die Höhe schießt - und die sich problemlos aus sicherer Entfernung fotografieren lässt. Der Eyjafjallajökull war allerdings eine vergleichsweise kleine Eruption, deren Ausbruchssäule deshalb stark von Winden und anderen Wetterphänomenen beeinflusst wurde. Zudem schleuderte dieser Vulkan abwechselnd sehr viel und wenig Asche in die Höhe.
    Das Programm von Tobias Dürig berücksichtigt nun erstmals all diese Faktoren - was mit den eher simplen Modellen der Vulkanologen zuvor noch gar nicht möglich war:
    "Dieses Programm nimmt verschiedene Modelle her. Es nimmt die in Echtzeit gemessenen Plumehöhen, speist die zusammen mit atmosphärischen Parametern in diese Modelle ein und schaut dann, welche Bedingungen zur Zeit herrschen und wie man welches Modell gewichtet: das heißt, welchem Modell traut man unter diesen Bedingungen am ehesten zu, dass es korrekte Vorhersagen trifft."
    Schon wenige Monate nach seinem Arbeitsbeginn an der Universität Island kam die Feuertaufe: Bis zum Frühjahr 2015 speiste Bárdarbunga einen ganzen Lavasee im Isländischen Hochland. Tobias Dürig stieg damals fast wöchentlich in Flugzeuge - solche von der isländischen Küstenwache und selbst als Passagier touristischer Vulkanüberflüge - und fotografierte die Ausbruchssäulen:
    "Allerdings nicht direkt über die Fontänen. Da macht es auch keinen Sinn mehr, denn da, wo es heiß ist, ist es sehr turbulent. Man braucht einen starken Magen, um drüber zu fliegen und nicht grün zu werden."
    Computer-Programm kann ausgestoßene Aschemenge nach Beginn eines Ausbruchs berechnen
    Das Programm berechnet nun nach Beginn eines Vulkanausbruchs zuverlässig die ausgestoßene Aschemenge. Vor einem drohenden Ausbruch ist das aber weiterhin nicht möglich, denn die isländischen Vulkane sind in dieser Frage kaum berechenbar, was der lavareiche aber fast aschefreie Bárdarbunga gezeigt hat.
    Nur dass der nächste aschereiche Ausbruch bevorsteht, ist für Páll Einarsson völlig klar. Ihn wundert nur, dass Europa für diese Einsicht erst den vergleichsweise zahmen Ausbruch des Eyjafjallajökull brauchte:
    "Um ehrlich zu sein, waren wir damals ziemlich überrascht, warum es nicht schon vorher mehr Interesse für isländische Vulkane gegeben hatte. Denn die können längst nicht nur für die lokale Bevölkerung gefährlich sein, sondern auf globaler Ebene."