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Ashraf: Man muss auch mit Feinden reden

Es sei Wunsch der Wunsch der Regierung und des Volkes Afghanistans, dass der deutsche Bundestag im Januar das Afghanistan-Mandat verlängere, sagt Botschafter Abdul Rahman Ashraf. Für den Friedensprozess sei es ebenso wichtig, dass die Regierung Karsai auch "die Feinde" unter Bedingungen zu beteiligen versuche.

Abdul Rahman Ashraf im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 04.01.2011
    Tobias Armbrüster: Für Afghanistan könnte das Jahr 2011 entscheidend werden. US-Präsident Obama will im Laufe dieses Jahres die ersten Truppen aus dem Land abziehen, auch in Deutschland machen sich zahlreiche Politiker Gedanken über einen Abzugstermin. Ende Januar wird der Bundestag über eine Verlängerung des ISAF-Mandats entscheiden, man kann schon jetzt mit einer heißen Debatte rechnen. Verfolgt wird diese Debatte auch in einem Büro in Berlin. Dort residiert seit Anfang Dezember der neue afghanische Botschafter in Deutschland, Abdul Rahman Ashraf. Er ist mit Deutschland sehr vertraut, hat jahrelang als Professor für Geologie in Tübingen gelehrt und gilt als enger Vertrauter von Präsident Karsai. Ich hatte gestern Gelegenheit, mit dem afghanischen Botschafter zu sprechen, und ich habe ihn zunächst gefragt, warum der Bundestag das Mandat der Bundeswehr verlängern sollte.

    Abdul Rahman Ashraf: Ja, warum? Deshalb, dass die Präsenz der deutschen Truppen in Afghanistan hat nicht nur für Afghanistan alleine, sondern auch für Deutschland und die Welt eine große Bedeutung.

    Armbrüster: Warum?

    Ashraf: Die Welt scheint sehr klein geworden zu sein. Kriege und Unruhe sind nicht allein auf die Grenzen bestimmter Länder beschränkt, deren Freiheit dort verteidigt wird. Die Bekämpfung des Terrorismus und der Drogenwirtschaft sind nicht nur für Afghanistan wichtig, sondern auch für die internationale Sicherheit. In diesem Zusammenhang hat der ehemalige Bundesverteidigungsminister Dr. Struck ganz richtig gesagt, dass man Deutschland am Hindukusch verteidigen muss. Ich hoffe und der Wunsch der afghanischen Regierung und des afghanischen Volkes ist es, dass der Bundestag im Januar das Afghanistan-Mandat verlängert.

    Armbrüster: Was hat die Bundeswehr denn bislang in Afghanistan erreicht?

    Ashraf: Ja, die haben sehr viel gemacht, leider wird das wenig berichtet. Die haben am Anfang, als die in Kabul waren, bevor die nach Kundus und nach Norden gegangen sind, die haben sehr viel auch humanitäre Hilfe auch gemacht. Dieses Krankenhaus, das war so ein Militärkrankenhaus in Zelten, die haben nicht nur die Soldaten, deutsche Soldaten oder ISAF-Soldaten behandelt, sondern auch einfache Bevölkerung, was auch wirklich ein guter Ruf für die Soldaten da war, und sehr viele Leute haben dies bedauert, als die nach Kundus gegangen sind. Aber die machen das selber auch in Kundus.

    Armbrüster: Das afghanische Innenministerium meldet nun, dass sich die Gewalt im Land statistisch gesehen auf einem Rekordhoch befindet, 10.000 Menschen sind diesen Angaben zufolge im vergangenen Jahr bei Gewalttaten ums Leben gekommen. Kann man da noch davon reden, dass Afghanistan auf einem guten Weg ist?

    Ashraf: Ja, die Schwierigkeit ist das, dass die Rahmenbedingungen werden sich in den nächsten Monaten sicherlich nicht elementarisch ändern. Es besteht eine große Hoffnung, dass wir gemeinsam mit internationalen Staatengemeinschaften notwendige wichtige Korrekturen vornehmen können.

    Armbrüster: Was können das für Korrekturen sein?

    Ashraf: Das sind so sehr vieles. Man muss zum Beispiel auch mit Feinden reden. Die Gruppierungen, die sich nicht mit der Gesellschaft einigen, die müssen auch so jetzt langsam beteiligt werden, natürlich unter Bedingungen.

    Armbrüster: Heißt das auch, mit Taliban reden?

    Ashraf: Man muss, das bleibt nicht anders. Die sind auch Afghanen. Und man sieht, man hat das auch, wenn Sie in die Geschichte sehen, da hat man in mehreren Ländern dieses gemacht. Und wir müssen auch so sehen, dass wir einen Weg – militärisch kann man nicht, alle diese Wünsche, was wir haben, militärisch erreichen. Man muss mit Leuten, die unzufrieden sind, man muss mit denen reden, man muss für Leute Arbeit schaffen, weil wenn Sie in den Straßen von Kabul sind, sehen Sie, wie viel Leute arbeitslos sind.

    Armbrüster: Haben Sie den Eindruck, ist so etwas, das man auch mit Taliban reden muss, ist so etwas den Deutschen zu vermitteln?

    Ashraf: Gut, wie ich Ihnen vorher gesagt habe, das Problem ist, dass wirklich hier die einfache Bevölkerung ist nicht gut informiert worden. Man hat nur über Schlechtes Informationen gegeben, aber was Gutes auch getan worden ist – mit den Steuergeldern, mit den Steuergeldern von den Menschen, was Afghanistan helfen wollten –, hat man nicht sehr viel berichtet.

    Sehen Sie, wir haben 2002 keine Elektrizität gehabt, 2002 haben wir keine Straßen gehabt. Wir haben jetzt so fast 6000 Kilometer Straße, 24 Stunden Elektrizität haben wir. Das ist auch im Gesundheitsbereich, im Erziehungsbereich, in allem sind Fortschritte gemacht worden, und das waren auch Gelder, Gelder, die von hier, die Hilfe, die von hier nach Afghanistan – nicht nur von Deutschland, natürlich auch andere Länder, die uns helfen. Das ist auch eine große Summe, es kommt auch aus Deutschland.

    Armbrüster: Sie hören die "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk, wir sprechen mit Abdul Rahman Ashraf. Seit Dezember ist er der neue afghanische Botschafter in Deutschland. Herr Botschafter, die SPD fordert, ein Abzugsdatum für die Bundeswehr aus Afghanistan zu nennen, wie würde so etwas in Afghanistan ankommen?

    Ashraf: Ich meine, die Präsenz ausländischer Streitkräfte in Afghanistan betrachten die Afghanen als eine dringende Notwendigkeit, aber sie wissen auch, dass die Verteidigung des Landes eine Aufgabe der einheimischen Kräfte ist. Die Afghanen kennen einander besser, sei es im Krieg oder im Frieden. Bei allen offiziellen Konferenzen hat man von einem teilweisen Abzug von nicht benötigten Truppen ab Mitte oder Ende 2011 gesprochen. Man hat aber auch eine gute Ausbildung und moderne militärische Ausrüstung für die afghanische Armee und Polizei versprochen. Wichtig ist das, dass jeder Schritt gut gedacht sein muss, und man muss Geduld und Zeit mitbringen.

    Armbrüster: Herr Botschafter, Sie haben lange nicht in Afghanistan gelebt, sondern als Forscher in Deutschland gearbeitet, als Geologe an der Universität Tübingen, Sie haben sogar einen deutschen Pass. Ist so eine enge Bindung an ein Land ein Manko oder ein Vorteil für einen Botschafter?

    Ashraf: Das ist eine lange Geschichte. So ist es nicht, dass ich ... Ich bin jetzt von Afghanistan nach acht Jahren Arbeit gekommen, und ich bin so in einem höheren Posten, die mich Herr Präsident Karsai vertraut hat, habe ich gearbeitet, fast in 430 Kabinettsitzungen habe ich die Ehre gehabt zu sitzen und hören und lernen. Außerdem, vorher natürlich, das ist eine lange Geschichte, ich konnte nicht nach Afghanistan, wegen Einmarsch von Russen musste ich hier Asyl nehmen, und natürlich habe ich auch die Ehre bekommen, deutscher Bürger zu werden. Und auch während meiner Forschungszeiten hier, bei Ferien, bin ich nicht nach Südfrankreich oder San Tropez gegangen, sondern über die Berge war ich Afghanistan und habe da als Vertreter von oder als Sprecher vom Exkönig von Afghanistan, König Sahir Schah, habe ich immer versucht, die Versöhnungsprozesse weiterzuführen.

    So ich denke, ich kenne Afghanistan, aber ich bin auch froh, dass ich auch Deutschland sehr gut kenne. Und dadurch versuche ich auch, beide Mentalitäten und Kulturen irgendwie zu vermitteln füreinander, dass wir einen richtigen Weg finden können.

    Armbrüster: Sie sind außerdem CDU-Mitglied, lassen Sie diese Mitgliedschaft eigentlich während Ihrer Zeit als Botschafter ruhen?

    Ashraf: Natürlich wir haben gegen Atheisten gekämpft damals, und so ...

    Armbrüster: Damals heißt wann?

    Ashraf: Sagen wir, als die Russen in Afghanistan waren. Und natürlich für mich war eine Ehre, dass die CDU, als ich eingebürgert wurde, die haben mich so in CDU genommen, und natürlich, das war auch damals, was CDU mit Herrn Generalsekretär Geißler so über Afghanistan so eine Konferenz gemacht hat und solche Sachen. Das waren die Sachen, beide Religionen kennen einen Gott, und ich bin richtig so ein Moslem, ein Moslem im Sinne von Islam, das hier vielleicht ein bisschen falsch interpretiert wird, aber ich bin auch stolz, dass ich in der CDU bin, dass die auch in denselben Gott denken.

    Armbrüster: Ich meine, ich glaube, viele Leute würden sich denken, ist es nicht angebracht für einen Botschafter, dass er zu allen politischen Parteien in einem Land, in seinem Gastland sozusagen die gleiche politische Distanz hat?

    Ashraf: Ich will auch jetzt meine Parteimitgliedschaft ruhen lassen, weil ich vertrete Afghanistan, und wir brauchen alle Parteien hier. Und natürlich alle Parteien haben Interesse an Afghanistan, einige mehr, einige weniger. Aber ich bin jetzt Botschafter von einem Land, dass wir diese Leute brauchen, und ich bin bereit, mit jedem von denen auch zu reden. Und an meinem ersten Arbeitstag bin ich auf der Konferenz von der SPD gewesen hier in Berlin.

    Armbrüster: Sagt Abdul Rahman Ashraf, der neue afghanische Botschafter in Deutschland. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Botschafter!

    Ashraf: Herzlichen Dank, Herr Armbrüster, danke schön!