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Astronomie
Rekordausbruch im Zentrum der Milchstraße

Die Astronomen hatten auf ein Feuerwerk gehofft, als sie eine Gaswolke beobachteten, die dem Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße besonders nahegekommen ist. Doch stattdessen registrierten sie einen Strahlenausbruch, der alles bisher dort Gesehene übertroffen hat. Ihre Beobachtung stellten die Himmelskundler auf der Tagung der Amerikanischen Astronomischen Gesellschaft in Seattle vor.

Von Dirk Lorenzen | 08.01.2015
    Der bislang größte Ausbruch von Röntgenstrahlung in der Nähe des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße
    Der bislang größte Ausbruch von Röntgenstrahlung in der Nähe des Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße (NASA/CXC/Northwestern Univ/D.Haggard u.a.)
    Im Zentrum unserer Milchstraße befindet sich ein Schwarzes Loch, das gut vier Millionen mal mehr Masse hat als unsere Sonne. Ein Schwarzes Loch ist nicht völlig unsichtbar: Denn es zieht Materie aus seiner Umgebung an, die beim Hineinstürzen aufleuchtet. Allerdings bekommt das Exemplar mitten in der Milchstraße nur wenig zu fressen und leuchtet daher recht schwach. Doch in den vergangenen zwei Jahren ist eine Gaswolke nah am Schwarzen Loch vorbeigezogen. Die Astronomen hatten gehofft, das viele Gas würde zu einem wahren Feuerwerk führen:
    "Es war nichts zu sehen: Die Gaswolke ist einfach so vorbeigezogen und hat das Schwarze Loch nicht heller werden lassen. Doch während wir auf der Lauer lagen, kam es plötzlich zu einem unglaublich hellen Strahlungsausbruch. Es war das hellste je beobachtete Aufflammen von Röntgenstrahlung aus der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Lochs in der Milchstraße. Der Ausbruch war 400-mal intensiver als das normale Leuchten."
    Daryl Haggard, Astronomieprofessorin am Amherst College in Massachusetts, und ihr Team hatten zugleich Pech und Riesenglück. Die Gaswolke war eine Enttäuschung, weil das erwartete Spektakel ausgeblieben ist.
    Glück im Unglück
    Doch dafür hat das NASA-Röntgenteleskop Chandra zur richtigen Zeit an den richtigen Ort geblickt und so den extrem hellen Röntgenausbruch erwischt, berichtet Haggard:
    "Das Aufleuchten hat etwas mehr als eineinhalb Stunden gedauert, was für so ein Ereignis recht lange ist. In dieser Zeit flackerte die Strahlung stark, war zwischendurch schwächer und wurde wieder heller. Wir wissen aber immer noch nicht, was genau bei diesem Aufleuchten am Schwarzen Loch passiert ist."
    Klar ist nur, dass dieser Ausbruch nichts mit der Gaswolke zu tun haben kann. Denn die Strahlung kam aus der unmittelbaren Nähe des riesigen Schwarzen Lochs, nur gut hundert Millionen Kilometer von ihm entfernt - nach kosmischen Maßstäben nicht einmal ein Steinwurf. Dagegen war die Gaswolke in gut hundertmal größerem Abstand vorbeigezogen. Für den eineinhalbstündigen Strahlungsausbruch gibt es zwei sehr unterschiedliche Erklärungen:
    "Das eine Modell geht auf Beobachtungen auf der Sonne zurück. Wenn sich Magnetfeldlinien neu orientieren, beschleunigen sie viele Teilchen und führen so zu einem Röntgenausbruch. Das könnte auch in der Materiescheibe um das Schwarze Loch herum passieren. Nach dem zweiten Modell ist ein felsiges Objekt, etwa ein Asteroid, ins Schwarze Loch gestürzt. Dabei wird der Körper auseinandergerissen, die Materie leuchtet auf und verschwindet im Schwarzen Loch."
    Noch keine eindeutige Erklärung für die Ursache des Ausbruchs
    War es nur ein magnetischer Effekt oder hat das Schwarze Loch einen kleinen Snack bekommen? Die Forscher tappen buchstäblich im Dunkeln. Denn das Schwarze Loch leuchtet derzeit wieder ganz schwach. Doch um genau zu verstehen, was bei einem plötzlichen Strahlungsausbruch passiert, müssen die Astronomen so ein Ereignis so detailliert wie nur möglich untersuchen, betont Daryl Haggard:
    "Es wäre sehr hilfreich, wenn wir simultane Beobachtungen bei verschiedenen Wellenlängen bekämen, also auch im Radio- und Infrarotbereich. Denn das neue Ausrichten der Magnetfeldlinien oder das Verschlingen eines Asteroiden sehen bei diesen Wellenlängen ganz anders aus. Mit solchen Daten ließe sich entscheiden, was dort passiert. Aber es ist sehr schwer, Beobachtungszeit bei mehreren Spitzenobservatorien gleichzeitig zu bekommen - und dann muss man auch noch hoffen, dass das Schwarze Loch zur passenden Zeit wieder einen Ausbruch hat."
    Zumindest die Röntgenteleskope Chandra, XMM-Newton und Swift werden in diesem Jahr das Schwarze Loch kaum aus den Augen lassen. Für mehrere Stunden am Tag haben die Astronomen das Schwarze Loch im Blick und hoffen nun, dass sie live mitbekommen, wie es strahlend hell mal wieder die Magnetfeldlinien durchschüttelt oder einen kleinen Asteroiden verspeist.