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Asylstreit in der Union
Die SPD will's wissen

Bisher hat sich die SPD aus dem unionsinternen Asylstreit herausgehalten. Aber im Koalitionsausschuss will die Partei Tacheles reden. Weitermachen wie bisher mag Parteichefin Andrea Nahles nicht. Von den Regierungspartnern CDU und CSU will sie wissen, ob sie noch die Kraft für gemeinsame Politik haben.

Von Frank Capellan |
    Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (l-r, CDU), der Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer und Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in der Bundespressekonferenz
    Merkel, Seehofer, Nahles (v.l.n.r.): Wiedersehen im Koalitionsausschuss (dpa/picture alliance/Kay Nietfeld)
    Eigentlich ist es eher ein SPD-Fest. Schließlich hat der sozialdemokratische Ministerpräsident von Niedersachsen, Stephan Weil, zur großen Sommer-Sause in die Berliner Landesvertretung geladen, doch in diesen Tagen nimmt sich auch die CDU-Vorsitzende die Zeit, mal kurz vorbei zu schauen. In Hannover regiert Rot-Schwarz. "Es gibt ja auch Große Koalitionen, die gut funktionieren, meint eine äußerlich recht entspannte Kanzlerin", als sie am Abend vor gut 3000 Gästen zum Mikrofon greift.
    Merkel, gestern beim Sommerfest Niedersachsen: "Das, was ich besonders an der Großen Koalition bewundere, ist , dass sie ziemlich geräuschlos arbeitet, und insofern kann man von Niedersachsen vielleicht auch noch ein bisschen was lernen!"
    Sorgenfalten in der Wirtschaft
    Die Botschaft ist jedem klar. In Niedersachsen wird harmonisch vor sich hin regiert, während die Republik teils fassungslos, teils mit Sorge beobachtet, was sich seit zwei Wochen in der Hauptstadt abspielt. "Unsere Politiker sollen endlich das Ziehen roter Linien unterlassen und sich zusammenraufen", fordert der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Dieter Kempf. "Zu tun gibt es genug!" Die Sorge der Wirtschaft vor einem Bruch der Großen Koalition ist unüberhörbar.
    Der Noch-Außenminister Sigmar Gabriel
    Ex-SPD-Parteichef Sigmar Gabriel ist entsetzt über den Zwist in der Koalition (dpa/Marijan Murat)
    "Sind die völlig wahnsinnig?" fragt ein ehemaliger Außenminister. Sigmar Gabriel erinnert daran, dass es gerade darum gehe, Europa zusammenzuhalten. Ausgerechnet jetzt meint die CSU, die Regierung erpressen zu müssen. Unfassbar! Der Ex-SPD-Chef zieht Parallelen zur eigenen Partei: "Das Beispiel der Sozialdemokratie zeigt, wenn man sich häutet, wird man nicht stärker!"
    "Das Chaos der Union muss jetzt schnell beendet werden"
    Die Politische Linke in Deutschland habe sich lieber gespalten als zu regieren. Dass die Häutung der Union, sprich die Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft kurz bevorstehen könnte, mag der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil allerdings noch nicht glauben. "Ich gehe davon aus, dass Herr Seehofer sich nicht über die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin hinwegsetzen wird", betont Klingbeil im Deutschlandfunk. Die Sozialdemokraten werden den Koalitionsausschuss heute Abend dazu nutzen, die CSU an ihre Verantwortung zu erinnern:
    "Ich sage schon, dass das heute Abend eine sehr entscheidende Sitzung ist für uns, auch um zu spüren, ob die Union insgesamt noch die Kraft und die Energie hat zu sehen, wie sie gemeinsam bereit sind, aus dieser Krise herauszukommen. Das Chaos der Union muss jetzt schnell beendet werden, damit wir weiterarbeiten können."
    CSU beschwichtigt
    Signale der verbalen Abrüstung kommen mittlerweile aus dem Lager der CSU: "Es gibt niemanden von uns, der die Gemeinschaft der Union in Zweifel zieht oder die Regierung in Frage stellt", meint Generalsekretär Markus Blume im Gespräch mit der FAZ. Nein, wir wollen Angela Merkel nicht ablösen betont er.
    Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt spricht öffentlich über die Schicksalsgemeinschaft von CDU und CSU. Es werde ausschließlich in der Sache mit den Christdemokraten gestritten und diesmal werde der Dissens zwischen den Schwestern ein für alle Mal geklärt. Die CSU will sich allerdings nicht mit Absichtserklärungen zufriedengeben und drängt auf konkrete europäische oder bilaterale Vereinbarungen.
    Die Kanzlerin ringt um Abkommen
    Um die bemüht sich Angela Merkel gerade im Kanzleramt, wo sie den neuen spanischen Premier Pedro Sanchez empfangen hat. Vor einer halben Stunde kündigte die Kanzlerin an, heute Abend Seehofers sogenannten Masterplan im Detail besprechen zu wollen.
    Vorsichtig geht die CDU-Chefin dabei auf ihren Kontrahenten zu und betont im Namen ihrer Partei, "dass wir eine grundsätzlich positive Einstellung zu dem Masterplan und den allermeisten Punkten haben, obwohl die meisten Menschen den Masterplan ja noch nicht kennen, aber im Grundsatz habe ich auch das dem Präsidium und dem Bundesvorstand der CDU letzte Woche schon vorgetragen, aber im Koalitionsausschuss heute spielt sicherlich erst einmal der Masterplan von Horst Seehofer eine Rolle."
    Kaum jemand kennt Seehofers Masterplan
    Zu den Menschen, die den Masterplan nach eigenem Bekunden nicht kennen, zählen auch die Sozialdemokraten. Parteichefin Andrea Nahles lehnt eine Abweisung von Flüchtlingen an deutschen Grenzen ähnlich wie die Kanzlerin ab, zu anderen Plänen der Bayern wollte sie sich bisher nicht äußern. "Dazu muss ich den Plan erst einmal kennen!" so ihre Forderung.
    Doch nicht nur über Flüchtlingspolitik wird gesprochen, auf der Tagesordnung steht auf Wunsch der CSU auch der Beschluss, einen Investitionshaushalt für die Euro Zone ins Leben zu rufen. Nicht zuletzt gibt es Streit über das Baukindergeld – ein lange Abend wird nicht ausgeschlossen – im Kanzleramt.