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Eva Högl (SPD) zum Asylstreit
"Das was CDU und CSU veranstalten, das ist Chaos"

Im Asylstreit hat sich die SPD-Innenexpertin Eva Högl auf die Seite von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gestellt. Man könne die Grenzen zu Deutschland nicht flächendeckend dichtmachen, sagte Högl im Dlf. Den Masterplan von Innenminister Horst Seehofer (CSU) würde fast niemand in der Koalition kennen.

Eva Högl im Gespräch mit Philipp May |
    Die SPD-Politikerin Eva Högl im Bundestag
    Die SPD-Politikerin Eva Högl im Bundestag (dpa-news / Christophe Gateau)
    Philipp May: Der Showdown im Unionsstreit zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel ist um zwei Wochen auf Ende Juni vertagt. Aber geklärt ist nichts. Der CSU-Innenminister beharrt weiter auf Zurückweisungen von bereits registrierten Flüchtlingen an der Grenze, gegen den Willen der CDU-Kanzlerin, die wiederum auf ihre Richtlinienkompetenz beharrt. Fast unter ging in den letzten Tagen, dass es da ja auch noch einen Koalitionspartner gibt, der durchaus ein bisschen was mitzureden hat: die SPD. Letzte Woche noch, da haben sich die Sozialdemokraten größtenteils in die Büsche geschlagen. Das soll sich jetzt ändern. Am Telefon ist Eva Högl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, zuständig für Innenpolitik. Schönen guten Morgen.
    Eva Högl: Schönen guten Morgen, Herr May.
    May: Haben Sie eigentlich auch ein Wörtchen mitzureden, oder lassen Sie die deutsche Flüchtlingspolitik von der Union klären?
    Högl: Aber selbstverständlich redet die SPD ein Wörtchen mit und wir schlagen uns nie in die Büsche und schon gar nicht als Koalitionspartner. Wir tragen nämlich staatspolitische Verantwortung und wir sind auch der Teil in der Koalition, der zurzeit für Ruhe und Ordnung sorgt.
    Denn das möchte ich heute Morgen auch noch mal ganz deutlich sagen: Das was CDU und CSU da gerade veranstalten, das ist erstens Chaos und zweitens im höchsten Maße unverantwortlich und hat nichts zu tun mit guter Politik in Deutschland und Europa. Deswegen muss das auch schnell enden!
    May: Wen sehen Sie da in der Hauptverantwortung?
    Högl: Zunächst einmal muss dieser Streit beendet werden. Dann muss es ganz klar sein, dass Deutschland eine Politik macht, die proeuropäisch ist. Es geht um mehr Europa und nicht um weniger Europa. Wir haben klare Vereinbarungen im Koalitionsvertrag und die SPD erwartet, dass diese Vereinbarungen, die ja auch CDU und CSU mit uns geschlossen haben, dass das umgesetzt wird. Und da erwarte ich von Horst Seehofer, dem Bundesinnenminister, dass er die Themen anpackt, die jetzt auf der Agenda sind.
    Das BAMF muss reformiert werden. Wir vermissen immer noch ein Konzept für die Ankerzentren. Die Rückführungen müssen verbessert werden; da ist der Bund in der Pflicht. Und wir brauchen eine ganz klare Politik in Richtung Bekämpfung von Fluchtursachen. Da höre ich aus der CSU leider herzlich wenig.
    "Wir als SPD kennen diesen Masterplan überhaupt nicht"
    May: Das soll ja alles angeblich in dem Masterplan stehen, den ja bisher noch keiner kennt, außer Horst Seehofer und Angela Merkel und einige wahrscheinlich im CSU-Präsidium.
    Högl: Ja, das ist so, und das ist ja auch indiskutabel, dass weder die CDU, noch Teile der CSU, aber vor allen Dingen auch wir als SPD diesen Masterplan überhaupt nicht kennen, und jetzt wird über etwas gesprochen, was niemand gelesen hat. So geht das natürlich auch nicht. Außerdem erwarte ich auch, dass in dem Masterplan nur genau das drinsteht, was wir auch so im Koalitionsvertrag vereinbart haben, denn da haben wir viel aufgeschrieben zu humanitärer Asylpolitik, zu Steuerung, zu Ordnung, klare Regeln, viel zu Integration, und das ist ein gutes Arbeitsprogramm für diese Koalition und die nächsten drei Jahre.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht mit Horst Seehofer (CSU), Bundesminister für Inneres, Heimat und Bau, vor Beginn der Sitzung des Bundeskabinetts im Kanzleramt
    Bundeskanzlerin Merkel (CDU) und mit Bundesinnenminister Seehofer (CSU) (dpa / Michael Kappeler)
    May: Jetzt ist aber doch schon einiges bekannt geworden. Vor allen Dingen der umstrittenste Punkt, wo sich jetzt auch der Zoff zwischen der CDU und der CSU entspannt hat. Fangen wir damit mal an: Abweisung von bereits in der EU registrierten Flüchtlingen an der deutschen Grenze. Sind Sie da mit dabei, unter welchen Umständen?
    Högl: Zunächst einmal müssen wir noch mal darüber sprechen, was passiert denn bereits schon. Es ist ja so, dass es bereits jetzt auch Zurückweisungen gibt, nämlich wenn die Menschen an der Grenze kontrolliert werden. Das ist nicht so, wie Horst Seehofer das gestern gesagt hat, dass niemand zurückgewiesen wird. Das ist schlicht falsch - erstens.
    Zweitens: Diese Zurückweisungen kann man natürlich nur machen, wenn man flächendeckend die Grenzen kontrolliert, und genau das ist keine europäische Politik. Deswegen sagen wir, das geht nur im Gespräch mit unseren europäischen Partnern. Wir können unsere Binnengrenzen nach Österreich, nach Tschechien, nach Italien nicht einfach so zumachen.
    "Aber wir können die Grenzen nicht flächendeckend dichtmachen"
    May: Ja, das stimmt. Wobei: Es gibt ja bisher noch keine Abweisung von bereits in der EU registrierten Flüchtlingen, die zum ersten Mal nach Deutschland reisen. Das möchte ja Horst Seehofer.
    Högl: Das ist falsch! Auch das gibt es. Das Kernproblem ist, werden die Menschen an der Grenze erfasst, fallen sie auf oder nicht. Dann, wenn sie auffallen - es gibt eine Wiedereinreisesperre und das hat Horst Seehofer gestern falsch dargestellt -, dann werden sie selbstverständlich zurückgewiesen. Auch die Menschen, die nicht Asyl beantragen in Deutschland, die werden zurückgewiesen. Aber wir können die Grenzen nicht flächendeckend dichtmachen. Das ist die Position der SPD.
    Sondern wir müssen eine gemeinsame europäische Politik machen, die die Verantwortung für Geflüchtete in Europa gut verteilt, die eine gemeinsame Verantwortung ist für die Grenzsicherung an den Außengrenzen und die vor allen Dingen erreicht, dass das, was in Europa ja wirklich eine Errungenschaft ist, nämlich dass wir unsere Binnengrenzen weiterhin offenhalten können und trotzdem Sicherheit gewährleisten. Darum geht es gerade!
    May: Und was heißt das ganz konkret für die SPD, wenn es dann in zwei Wochen tatsächlich zu Abweisungen an der Grenze kommt, weil Horst Seehofer das so anordnet? Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der spricht ja ganz klar von einem Automatismus, der da in Gang gesetzt werden soll.
    Högl: Das ist ja der Streit zwischen CDU und CSU, gibt es einen Automatismus oder nicht. Horst Seehofer hat ja gestern sehr süffisant gesagt, er erwarte, dass die Kanzlerin mit wirkungsgleichen Vereinbarungen vom Europäischen Rat zurückkommt. Wir werden uns das als SPD ganz genau ansehen.
    Aber wir sind ganz klar: Es muss europäische Vereinbarungen geben, eine europäische Arbeitsteilung, und darin unterstützen wir selbstverständlich auch die Bundeskanzlerin. Es ist auch sehr unverantwortlich, dass Horst Seehofer, Söder und die CSU die Verhandlungsposition Deutschlands im Europäischen Rat so schwächen durch das Chaos, was sie hier veranstalten.
    "Da hat Deutschland natürlich auch seinen Beitrag zu leisten"
    May: Wobei man natürlich sagen muss: Bisher ist ja trotz völlig egaler Verhandlungsposition - schlechtes Deutsch; Sie wissen, was ich meine - noch gar nichts passiert. Bisher ist ja nichts erreicht worden.
    Högl: Nun ja, das kann man ja nicht sagen. Wir sind ja seit vielen Jahren auf dem Weg, in Europa zu klaren Vereinbarungen zu kommen, aber das geht natürlich nicht so einfach. Bisher war die europäische Politik, wir lassen die südlichen europäischen Mitgliedsstaaten, vor allen Dingen Italien und Griechenland ziemlich allein mit dem Problem. Und wohin wir jetzt kommen müssen ist zu einer geteilten Solidarität. Diejenigen Mitgliedsstaaten, die sich mehr engagieren für die Grenzsicherung, sollen dort ihre Verantwortung wahrnehmen. Andere nehmen Geflüchtete auf, und das muss arbeitsteilig passieren.
    Da hat Deutschland natürlich auch seinen Beitrag zu leisten. Das heißt, wir können auch nicht einfach alle Geflüchteten an den Grenzen zurückweisen, die irgendwo anders mal nach Europa gekommen sind. Das ist auch keine europäische Arbeitsteilung. Wir werden auch hier Verantwortung übernehmen müssen.
    May: Aber bisher hat Deutschland ja eine große Verantwortung übernommen, eine größere Verantwortung, sagt zum Beispiel die CSU und auch gemäß den Flüchtlingszahlen, als zum Beispiel die südeuropäischen Länder, was die Aufnahme von Flüchtlingen angeht.
    "Wir müssen viel mehr machen in Sachen Fluchtursachen bekämpfen"
    Högl: Genau. Und ich finde, darauf können wir auch stolz sein, dass wir eine humane Flüchtlingspolitik machen, dass wir das im europäischen Rahmen mit unseren Partnern diskutieren und dass wir unserer Verantwortung gerecht werden. Wohin wir jetzt auch kommen müssen ist, dass Europa viel mehr Verantwortung in den Staaten der Welt übernimmt, die nämlich in keiner guten Verfassung sind und aus denen die Menschen zu uns fliehen, weil sie keine Lebensgrundlagen haben.
    Wir brauchen eine ganz andere Handelspolitik, Umweltpolitik, wir müssen viel mehr machen in Sachen Fluchtursachen bekämpfen, und da erwarte ich natürlich auch, dass sich Europa viel mehr engagiert, und da höre ich auch aus der CSU, obwohl sie den Entwicklungshilfeminister Müller stellt, überhaupt gar nicht, welche Konzepte da denn vorgeschlagen werden.
    May: Na ja. Horst Seehofer hat gesagt, er will die Geldzahlungen an Länder in der Dritten Welt erhöhen.
    Högl: Na ja, die will er erhöhen. Das ist ja gut. Aber dann soll er mal Konzepte vorlegen, was wir da machen können. Nur Gelder erhöhen, bringt ja zunächst mal auch nichts. Wir müssen eine abgestimmte Politik in Europa machen und ich sage noch mal: Die SPD setzt ganz klar auf gemeinsame europäische Politik und mehr Europa und nicht weniger, wie die CSU das will.
    May: Jetzt gibt es ja noch andere Sachen, die bekannt geworden sind, was angeblich in dem Masterplan von Horst Seehofer stehen soll. Zum Beispiel ist zu hören, Geldzahlungen an Asylbewerber sollen massiv eingeschränkt werden und stattdessen soll auf Sachleistungen umgestellt werden. Ist das mit der SPD zu machen?
    Högl: Wir haben ja bereits jetzt Sachleistungen in den Erstaufnahmeeinrichtungen und die SPD ist ganz klar. Die Basis für all das, was wir in den nächsten drei Jahren in dieser Koalition machen, ist der Koalitionsvertrag.
    Wir werden nicht dabei mitmachen, die Asylsuchenden hier schlechter zu behandeln, als das erstens die Menschenwürde erfordert und zweitens auch ganz klar vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben ist, sondern auch hier müssen die Asylsuchenden unterstützt werden und all das, was hier von der CSU vorgeschlagen wird, machen wir nur mit, wenn es eine Basis im Koalitionsvertrag hat.
    May: … sagt Eva Högl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. Frau Högl, vielen Dank für das Gespräch.
    Högl: ich danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.