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Atomabkommen
"Das iranische Ultimatum hilft definitiv nicht weiter"

Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber hält das Ultimatum des Irans an die Europäische Union zur Weiterführung des Atomabkommens für falsch. Die EU stehe zu dem Abkommen. Der Iran solle aber Gesprächsbereitschaft über offene Fragen wie die der Raketentechnologie zeigen, sagte Weber im Dlf.

Manfred Weber im Gespräch mit Jörg Münchenberg | 15.05.2018
    Der stellvertretende CSU-Vorsitzende und Europaabgeordnete Manfred Weber
    Der stellvertretende CSU-Vorsitzende und Europaabgeordnete Manfred Weber (dpa-Bildfunk / Daniel Karmann)
    Jörg Münchenberg: Den Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament, Manfred Weber, CSU, gesprochen und ihn zunächst gefragt, was er sich von dem heutigen Treffen in Brüssel erwartet.
    Manfred Weber: Die Europäische Union muss mit dem Iran jetzt im Gespräch klären, wie die nächsten Wochen zu gestalten sind, wie wir mit dem bestehenden Abkommen umgehen und ob es gelingt, gemeinsam mit Russland und China die Rettung des Abkommens zu erzielen. Wir wollen die Rettung des Abkommens, weil Diplomatie besser ist als die Provokation.
    Münchenberg: Nun hat ja der Iran vorab ein Ultimatum gestellt. Innerhalb von 60 Tagen müssen die notwendigen Garantien her, dass der Iran vom Atomabkommen weiter profitiert. War das aus Ihrer Sicht hilfreich, dieses Ultimatum jetzt für die Gespräche?
    Weber: Das iranische Ultimatum, das jetzt auf dem Tisch liegt, ist falsch und hilft in der jetzigen Situation definitiv nicht weiter. Die Europäische Union hat in den letzten Monaten ja in allen Gesprächen, selbst auf höchster Ebene von Angela Merkel und Emmanuel Macron klargestellt, dass wir zum Abkommen stehen, dass wir das Abkommen für richtig halten und dass wir den Weg, der dahintersteckt, nämlich mit Diplomatie Konflikte zu lösen, dass wir den für richtig halten. Insofern hat es dieses Ultimatums nicht bedurft, und es ist schade, dass damit eine gewisse Schärfe in die Diskussion gekommen ist.
    "Wir haben keine Möglichkeit, Firmen zu zwingen, in den Iran zu gehen"
    Münchenberg: Aber zeigt das nicht auch, Herr Weber, wie schwierig die ganze Angelegenheit ist, wenn der Iran eben schon von Anfang an diesen scharfen Tonfall da rein bringt?
    Weber: Ich glaube, dass es jetzt notwendig ist, miteinander zu reden. Wir sollten weitere Eskalationen und weitere Provokationen vermeiden, und wir sollten jetzt ins Gespräch miteinander kommen. Das ist der entscheidende Punkt, und das erwarte ich auch von heute. Und ich würde den Iran auch bitten, dass er noch mal darüber nachdenkt, ob nicht doch bei einzelnen Punkten Nachverhandlungen denkbar sind. Es sollte zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass wir über mögliche einzelne Punkte reden. Der Vertrag, wie gesagt, steht im Mittelpunkt, und es geht zunächst darum, diesen Vertrag zu retten und zu stabilisieren. Aber trotzdem würde der Iran natürlich einen großen Beitrag in der jetzigen Situation leisten, auch im eigenen Interesse, vor allem bei den wirtschaftlichen Perspektiven, wenn er jetzt auch signalisieren würde, dass er bei den offenen Fragen, beispielsweise bei der Raketentechnologie und bei der Frage, was als Anschluss an diesen bestehenden Vertrag mal passieren wird, wenn er da Gesprächsbereitschaft zeigen würde.
    Münchenberg: Es geht um wirtschaftliche Sicherheit für den Iran, das steht im Zentrum dieser ganzen Gespräche. Aber am Ende, Herr Weber, müssen ja die Unternehmen entscheiden, ob sie das Risiko eingehen, weiter Geschäfte mit dem Iran zu machen oder nicht, denn es drohen ja Sanktionen durch die USA. Also da sind doch die Europäer letztlich auf der politischen Ebene machtlos.
    Weber: Die Europäische Union ist ein starker Partner, und wir haben dieses Abkommen ja maßgeblich auch mitverhandelt und zum Erfolg zunächst mal geführt. Aber Sie haben recht, natürlich, mögliche Sanktionen, die dann in den USA drohen, das sind Fragen, die die einzelnen Firmen dann zu entscheiden haben. Wir haben keine Möglichkeit, Firmen zu zwingen, in den Iran zu gehen und dort zu investieren. Wir Europäer versuchen, Schaden zu vermeiden durch die Entscheidung von Donald Trump, aber die einzelnen Firmenentscheidungen kann niemand den Firmen abnehmen. Ich glaube, dass es jetzt wichtig ist, dass wir trotzdem mit den USA auch im Gespräch bleiben, weil ja auch dort in den nächsten Wochen noch die Möglichkeit besteht, über die konkrete Ausgestaltung der US-Entscheidung noch mal zu reden, was das eventuell für europäische Firmen bedeutet, um dann vielleicht noch zu erreichen, dass es einen Mittelweg gibt und unsere Firmen weiter aktiv bleiben können.
    "Wir müssen zur Mehrheitsentscheidung bei außenpolitischen Fragen kommen"
    Münchenberg: Aber noch mal zur Klarstellung: Faktisch ist die EU eigentlich ohnmächtig, denn es bleibt am Ende die Entscheidung der Firmen.
    Weber: Wenn die USA aussteigen, hat das Wirkungen. Das kann die Europäische Union, auch wenn sie noch so stark ist, nicht kompensieren. Allerdings sind wir nicht wehrlos. Wir sind schon in der Lage, beispielsweise über die Diskussion über Ausfallbürgschaften Firmen zu unterstützen, die im Iran tätig sind, und ihnen auch wirtschaftliche Sicherheit zu geben. Es gibt ja auch eine Fülle von Firmen, die nicht in den USA tätig sind und dort auch keine Interessen haben. Insofern, glaube ich, sind wir als Wirtschaftsblock und als politische Kraft ein starker Faktor. Wir sollten das auch nutzen. Aber jetzt ist die Zeit, dass wir sowohl mit dem Iran noch mal reden, wie wir das bestehende Abkommen stabilisieren, als auch mit den Vereinigten Staaten reden, ob es einen Mittelweg gibt, wo die Europäer, wo der Rest der Welt noch weitere Möglichkeiten hat, im Iran aktiv zu bleiben.
    Münchenberg: Nun ist ja die zentrale Frage auch aus europäischer Sicht, Herr Weber, wie geschlossen ist die EU. Sind da wirklich alle bereit, den USA die Stirn zu bieten? Es gibt ja zum Beispiel Berichte, dass Frankreich ja offenbar doch bereit sei, durchaus stärker auf die USA zuzugehen und auch auf die amerikanischen Forderungen, zum Beispiel beim iranischen Raketenprogramm.
    Weber: Ich glaube, dass die Europäische Union in der Iran-Frage sehr geschlossen ist. Wir haben dort einen der ganz großen Erfolge europäischer Diplomatie, hinter dem das Signal steht, dass wir Europäer eine Friedensmacht sind, dass wir Europäer versuchen, mögliche Eskalationen, wie wir sie im Mittleren Osten ja - wo sie ja auf der Tagesordnung stehen, eben mit Diplomatie und mit Gesprächen zu lösen. Und mit der Frage weiß Europa, was es erreicht hat. Andererseits erleben wir im aktuellen Fall, der derzeit in den Medien auch stark ist, nämlich im Gazastreifen, dass dort die Resolutionen, die Europa auf den Weg gebracht hat, leider Gottes nicht einstimmig angenommen worden sind. Und das Grundproblem der europäischen Außenpolitik besteht darin, dass in der Außenpolitik nach wie vor die Einstimmigkeit herrscht. Von der müssen wir weg. Wenn Europa ein Faktor in der internationalen Politik werden will, dann müssen wir zur Mehrheitsentscheidung bei außenpolitischen Fragen kommen. Nur dann sind wir handlungsfähig, und nur dann können wir manchen nationalen Egoismus, der Europa oftmals blockiert hat, überwinden.
    "Es stellt sich die Frage, was die Unterschrift eines amerikanischen Präsidenten wert ist"
    Münchenberg: Nun sind ja auch China und Russland für das Abkommen. Entsteht da ein neues Zweckbündnis, dass plötzlich die Europäer zusammen Hand in Hand gehen mit China und Russland?
    Weber: Ich freue mich nicht drüber, dass die Vereinigten Staaten, unser traditioneller Partner jetzt eine Entscheidung gefällt hat, die uns in Richtung China und Russland drängt als Europäer. Aber wenn wir als Europäer von etwas überzeugt sind, dann müssen wir mit den Partnern arbeiten, die wir haben. Die Vereinigten Staaten haben mit der Entscheidung, das Iran-Abkommen jetzt zu kündigen, natürlich auch für die Zukunft eine schwere Belastung verursacht, weil beispielsweise ja auch im Fall Nordkorea gibt es jetzt Bewegung. Es wird Gespräche geben, was wir alle begrüßen. Aber diese Gespräche werden am Schluss in eine Art von Abkommen münden müssen, wo man das fixiert, was in solchen Gesprächen vereinbart worden ist, also durch Diplomatie erzeugt worden ist. Und es stellt sich dann auch in Nordkorea die Frage, was ist denn eigentlich die Unterschrift eines amerikanischen Präsidenten dann wert? Wie nachhaltig sind solche Abkommen? Und dieser Schaden, der dabei entstanden ist, ist schon eine Belastung.
    Münchenberg: Noch mal die Frage, bezogen jetzt auf Russland: Wie soll das gehen, dass man jetzt mit Russland enger zusammenarbeiten will, wo Russland doch gleichzeitig schon versucht, einen Keil in das Bündnis des Westens zu treiben?
    Weber: Wir sollten als Europäer selbstbewusst auftreten, und das heißt, von Fall zu Fall entscheiden, wer die Interessen, die wir Europäer haben, auch mit unterstützt. Und gegenüber Russland gibt es viele Sorgenfalten. In Syrien, in der Ostukraine, mit den Fake-News-Attacken auf die europäische Öffentlichkeit versucht Russland, Europa zu spalten und auch zu destabilisieren. Ja, das ist richtig. Aber wenn im Iran wir gemeinsame Interessen haben, dann sollten wir auch pragmatisch miteinander arbeiten. Insofern, internationale Außenpolitik ist Interessenpolitik, und wenn es mit Russland dort gemeinsame Ansatzpunkte gibt, sollten wir das Gespräch suchen.
    Münchenberg: Herr Weber, zum Schluss noch, die Rede ist ja immer noch bei vielen von "den amerikanischen Freunden". Sitzt aus Ihrer Sicht im Weißen Haus immer noch ein Freund der Europäer?
    Weber: Donald Trump ist amerikanischer Präsident. Wir haben das zu respektieren, und wir müssen mit ihm und seiner Administration arbeiten. Viel wichtiger ist, dass es zwischen Amerika und Europa so enge Bande gibt, so enge Kooperationen und Netzwerke gibt, dass diese Partnerschaft, egal wer in welchen Hauptstädten regiert, nicht zur Disposition steht. Das sollten wir uns trotz der Schwierigkeiten, die wir aktuell haben, auch immer vergegenwärtigen.
    "Diese Politik wird sich für Amerika nicht auszahlen"
    Münchenberg: Trotzdem zeigte der amerikanische Präsident immer wieder, dass ihm die Europäer eigentlich ziemlich wurscht sind.
    Weber: Donald Trump zeigt das gegenüber jedem Partner, auch gegenüber Mexiko, gegenüber China, gegenüber jedem Partner, dass er seinen Willen durchsetzen will. Und das hat in vielen Fragen zu ernsthaften Belastungen geführt. Am Ende wird sich diese Politik für Amerika nicht auszahlen, weil Egoismus in der internationalen Politik nicht zum Erfolg führen kann. Wir brauchen die Partnerschaft, wir brauchen das Miteinander und den Willen zum Kompromiss.
    Münchenberg: Raten Sie "Augen zu und durch" und Warten, bis Trump wieder abgewählt ist?
    Weber: Donald Trump ist amerikanischer Präsident, und wir müssen jetzt mit ihm arbeiten. Und deswegen ist auch mein Appell, trotz der Absage an das Abkommen, mit Amerika im Gespräch zu bleiben und zu überlegen, wie wir Europäer trotzdem noch einen Weg gehen können, auch wenn Amerika ihn verlässt.
    Münchenberg: Sagt Manfred Weber, der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei im EU-Parlament zum heutigen Treffen der EU-Außenminister, die einen ersten Versuch starten, um das Atomabkommen mit dem Iran zu retten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.