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Atomabkommen mit dem Iran
Adnan Tabatabai: Sanktionen haben dem Iran "massiv" geschadet

Der Iran habe eindeutig weiterhin Interesse am Atomabkommen, sagte der Iran-Experte Adnan Tabatabai im Dlf. Ob das Abkommen reaktiviert werden kann, hänge von den USA und dem Iran ab, die Einflussmöglichkeiten der Europäischen Union seien hingegen sehr begrenzt.

Adnan Tabatabai im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker |
Die Fahne der USA neben der Fahne des Iran
Sollte das Team um den zukünftigen US-Präsidenten Joe Biden zusätzliche Beschänkungen durchsetzen wollen, sagte Adnan Tabatabai im Dlf, werde es schwer das Abkommen zu reaktivieren, sagte (imago images / Christian Ohde)
Der Iran hat angekündigt, seine Urananreicherung auszuweiten. In seiner unterirdischen Anlage Fordo soll Uran auf bis zu 20 Prozent angereichert werden. Das wäre ein Verstoß gegen das internationale Atomabkommen, aus dem die USA 2018 ausgestiegen sind, das die EU retten möchte und von dem viele hoffen, dass es sich unter US-Präsident Biden reaktivieren lässt.
Ob das Abkommen reaktiviert werden kann, hänge von den USA und dem Iran ab, die Einflussmöglichkeiten der Europäischen Union seien hingegen sehr begrenzt, sagte Adnan Tabatabai, Analyst, Iran-Experte und Geschäftsführer des CARPO, Center for Applied Research in Partnership with the Orient, im Deutschlandfunk. Die EU könne höchstens die Gespräche unterstützen.
Es sei klar erkennbar, dass der Iran ein Interesse am Abkommen habe, das zeige sich schon daran, dass der Iran die Inspektoren der internationalen Atombehörde nie des Landes verwiesen habe. Allerdings hoffe der Iran darauf, keine weiteren Zugeständnisse machen zu müssen. Das Team um Joe Biden hingegen glaube, dass es den Druck, den Trump aufgebaut hat, nutzen könne, um den Iran zu weiteren Zugeständnissen zu bewegen. Das sei eines der größten Hindernisse zu einer Erneuerung des Abkommens.
Iran-USA Konflikt - Kampf der Narrative?
Antiwestliche Haltungen haben im Iran eine lange Tradition, insbesondere in konservativen Kreisen. Aber es gibt auch andere Narrative, wie zum Beispiel, die der ewigen Opferrolle des Iran, meinte der Publizist Robert Chatterjee im Dlf.
Die Sanktionen der USA hätten dem Iran sehr geschadet, sagte Tabatabai. Handel müsse seitdem unter dem Radar laufen und das führe zu noch mehr Korruption und Schattenwirtschaft. Gehandelt werde dabei mit Ländern, denen US-Sanktionen nicht allzu sehr schaden, oder die einen Weg in den Iran haben, der nicht über US-Dollar läuft. Ebenso seien Nachbarländer wichtiger geworden, weil sie Transaktionskanäle haben, die für Kontrolleure nicht sichtbar seien.
Die neagtive Entwicklung habe konservativen Hardlinern im Iran Oberwasser gegeben. Moderate und reformorientierte Kräfte hätten über das Abkommen deutliche Verbesserungen der Beziehungen zum Westen versprochen, die aber nun nicht eingetreten seien.

Das vollständige Interview im Wortlaut:

Ann-Kathrin Büüsker: Irans Außenminister Sarif hat ja bei Twitter gesagt, "unsere Maßnahmen sind vollständig umkehrbar nach kompletter Regelbefolgung durch alle", er meint damit die Ankündigung der Anreicherung. Ist diese gesamte Situation der Versuch, Druck auf die USA auszuüben?
Adnan Tabatabai: In der Tat kann man das, denke ich, so sagen. Wichtig für Iran erscheint die Dringlichkeit dessen, dass man ohne große Umwege und ohne irgendwelche ergänzenden Konditionen von Iran zu fordern, den Weg zurück zum Atomabkommen findet, dass die Biden-Administration sich gar nicht andere Tricks überlegt, sondern merkt, die Lage ist drastisch, Iran möchte auf 20 Prozent anreichern. Insofern erhofft man sich, dass man bei Bidens Teams erkennt, man muss schnell eine Lösung finden.
Büüsker: Das heißt, der Iran hat tatsächlich auch ein Interesse am Atomabkommen?
Tabatabai: Absolut, das, denke ich, können wir mit Eindeutigkeit sagen, denn ein wichtiger Aspekt des Atomabkommens ist stets unangetastet geblieben, und das ist das Inspektionsregime der Internationalen Atomenergie-Behörde. Wären die Inspektoren rausgeworfen worden durch Iran, könnte man wirklich sagen, man hat mit dem Abkommen dort abgeschlossen. So weit sind wir aber Gott sei Dank noch nicht.

Wirtschaftssanktionen haben "massiv" geschadet

Büüsker: Wie sehr haben die Wirtschafts- und Finanzsanktionen der USA der Wirtschaft im Iran geschadet?
Tabatabai: Natürlich massiv, denn natürlich gibt es auch Korruption, es gibt Misswirtschaft und jede Menge Ineffizienz in dem, wie Iran seine eigene Wirtschaft managt, aber die Sanktionen machen einen jeden Wirtschaftskontext zu einem sehr ungesunden Kontext. Jeder Handel muss quasi unter dem Radar laufen, über illegale Kanäle zum Teil beziehungsweise Kanäle, die für Sanktionsregime nicht sichtbar sind. Das führt zu noch mehr Korruption, zu noch mehr Schattenwirtschaft und kann im letzten Schluss nicht gesund für einen Kontext sein.
Büüsker: Mit wem kann Iran denn überhaupt noch handeln?
Tabatabai: Im Prinzip mit Ländern, denen US-Sanktionen nicht allzu sehr schaden oder aber die einen Bank- und einen Transaktionskanal zu Iran haben, der nicht über US-Dollar läuft, oder aber wenn es tatsächlich Zahlungswege sind, die nicht sichtbar sind und dementsprechend auch nicht sanktioniert werden können. Deswegen sind für Iran Nachbarstaaten auch immer wichtiger geworden in den vergangenen drei Jahren unter Donald Trump, und auch der Handel natürlich mit China ist weiter von Bedeutung für Iran, aus diesem Grund.
Ein Mann geht am 02.11.2017 in Teheran im Iran an einem Banner mit der Aufschrift "First German Business Center Opens its Doors in Tehran" vorbei. 
"Die iranische Wirtschaft ist in einem desolaten Zustand"
Etwa zwei Dutzend deutsche Firmen seien im Iran vertreten, sagte Dagmar von Bohnstein von der deutsch-iranischen Handelskammer im Dlf. Sie bräuchten die Perspektive einer politischen Stabilisierung.
Büüsker: Sind die Nachbarländer und China dann auch so was wie Verbündete?
Tabatabai: Verbündete würde ich sie tatsächlich nicht nennen, dafür sind die Beziehungen dann nicht tiefgehend positiv genug, aber sie sind so etwas wie eine, ja, eine Arterie, eine Art Vene, die noch im Prinzip Geld in die iranische Wirtschaft fließen lässt und das wirtschaftliche Überleben sichert.
Büüsker: Wenn wir uns den Iran innenpolitisch anschauen, welche Rolle spielen aktuell die Hardliner im Land?
Tabatabai: Sie können sich vorstellen, dass wenn moderate reformorientierte und vielleicht sogar auch westorientierte Kräfte des Landes vor einigen Jahren versprochen hatten, dass das Atomabkommen Wirtschaftsbeziehungen zum Westen normalisiert und die ganze Situation des Landes verbessert, dies aber jetzt nicht erfolgt ist, dass dann deren Kontrahenten, die sehr Konservativen, Prinzipientreuen oder aber Hardliner, wie wir sie nennen, dass die jetzt Oberwasser gewinnen. Die versuchen natürlich, soweit es geht zu punkten, weil es ja im Sommer dieses Jahres im Iran auch Präsidentschaftswahlen gibt.

"Rohani hat es als Präsident im Moment sehr schwer"

Büüsker: Und was heißt das aktuell für die Machtposition von Rohani?
Tabatabai: Er hat es natürlich als Präsident im Moment sehr schwer, Sie müssen aber bedenken, dass das Nuklearabkommen zwar durch seine Regierung durchgesetzt wurde, dass es aber eine Entscheidung des gesamten iranischen Staates bis hoch zum Revolutionsführer Ajatollah Chamenei gewesen ist. Das heißt, so ganz eine Parteiangelegenheit ist es nicht, es ist lagerübergreifend abgeschlossen worden, aber er steht unter massivem Druck, jetzt mit der Biden-Administration nicht zu schnell klein beizugeben. Das erklärt auch noch mal diese Schritte, die wir jetzt gesehen haben mit der 20-Prozent-Urananreicherung.
Irans Präsident Hassan Rohani mit dem Chef der Atombehörde, Ali Akbar Salehi, am 9.4.2019
Politologin: "Atomdebatte könnte zugunsten von Hardlinern kippen"
Dass der künftige US-Präsident Joe Biden zur Atomvereinbarung mit Iran zurückfinden will sei positiv, sagte Azadeh Zamirirad von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Dlf. Aber es sei Eile geboten.
Büüsker: Wie sehr leidet das Land unter den Folgen der Corona-Pandemie?
Tabatabai: Natürlich massiv, denn ein ganz wichtiger Aspekt, den Iran von anderen Ländern unterscheidet, ist, dass die wirtschaftliche Lage der Situation und der Aspekt, dass viele Menschen wirklich darauf angewiesen sind, wenn man so will, auf der Straße und im öffentlichen Leben ihr Geld zu verdienen, dazu geführt hat, dass man keinen vernünftigen Lockdown hat durchsetzen können. Dadurch sind viele Menschen einfach auf der Straße, in der Öffentlichkeit geblieben, die Krankenhäuser sind im Vergleich zu anderen Ländern schneller ausgelastet. Iran hat zwar ein vergleichsweise sehr starkes Gesundheitssystem in der Region, ist aber schneller ausgelastet. Man erholt sich im Moment ein Stück weit von der dritten Welle, die teilweise über 500 Tote pro Tag gefordert hat. Momentan hat man gestern das erste Mal unter 100 verzeichnet, deswegen geht es im Moment ein bisschen in die richtige Richtung.

"Man sieht sehr genau, was Iran dort macht"

Büüsker: Würde der Iran jetzt beginnen, Uran auf bis zu 20 Prozent anzureichern, was würde das in der Konsequenz heißen?
Tabatabai: Das würde bedeuten, dass die Sorgen international, was Iran mit seinen Nuklearprogrammen anstrebt, wieder steigen würden. Man wirft Iran vor, Nuklearwaffen anzustreben, das bestreitet Iran. Aber ich hatte ja anfangs gesagt, die Internationale Atomenergie-Behörde hat immer noch Inspekteure vor Ort, das heißt, man sieht sehr genau, was Iran dort macht. Auf der einen Seite ist es besorgniserregend für die internationale Sicherheit, auf der anderen Seite hat man das alles im Blick, also muss man das gewissermaßen auch im Verhältnis sehen.
Büüsker: Welche Einflussmöglichkeiten hat denn eigentlich die Europäische Union aktuell noch?
Tabatabai: die Einflussmöglichkeiten sind wirklich geringer geworden im Vergleich zu vor einigen Jahren. Das Einzige, was wirklich noch übrig bleibt, ist tatsächlich der gemeinsame Versuch aller Europäer und der Europäischen Union, die Gespräche zur Wiederherstellung des Nuklearabkommens mit zu unterstützen. Die entscheidenden Akteure werden in Washington und in Teheran sitzen, Europa kann dabei helfen, dass es gelingt.
Fotos von Trump und Chamenei nebeneinander.
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Nach der Tötung des iranischen Generals Ghassem Soleimani und den Vergeltungsschlägen Teherans stehen die Zeichen erst einmal wieder auf Deeskalation. Doch die Konflikte zwischen den beteiligten Ländern bleiben und im Iran setzt die desolate Wirtschaftslage die Regierung unter Druck.
Büüsker: Das heißt, es hängt jetzt alles von Joe Biden ab?
Tabatabai: Im Prinzip kann man das so sagen. Er muss – und hat es ja auch schon angedeutet – mit seinem Team den Weg zurück ins Atomabkommen finden. Das ist ein schwieriger Weg, aber ist gehbar, da aus meiner Sicht die Akteure, die um Biden herum nun die Zepter in die Hand nehmen, das Nuklearabkommen mitgestaltet haben, mitentwickelt haben, die iranische Seite gut kennen. Deswegen kann man vielleicht sogar auch ein Stück weit hoffnungsvoll sein.
Büüsker: Wo sehen Sie konkret die Schwierigkeiten?
Tabatabai: Die Schwierigkeiten sind, dass man natürlich auch im Team von Joe Biden denkt, man könne den ultimativen, außerdem sehr großen Druck, den die Trump-Regierung gegen Iran aufgebaut hat, gewissermaßen auch nutzen, um noch mehr Zugeständnisse von Iran zu bekommen. Sollte das Biden-Team diesen Weg gehen, wird es sehr schnell sehr schwierig werden, weil sich dagegen natürlich Iran widersetzt und sagt, ihr habt das Abkommen verlassen, es liegt nun an euch zurückzukommen, und dann wird auch alles wieder gut. Diesen Schritt muss sich Biden im Prinzip innenpolitisch natürlich auch erst mal leisten können. Das ist im Prinzip, denke ich, eine der wichtigsten möglichen Hindernisse.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.