
Weltweit setzen viele Länder nach wie vor auf Kernkraft: 31 Staaten betreiben aktuell Atomkraftwerke, darunter Frankreich, Belgien, die USA, China oder Russland. Länder wie die Türkei bauen neue Reaktoren, Polen will 2028 mit dem Bau seines ersten Atomkraftwerks beginnen. Andere Länder wie Deutschland oder Italien haben sich hingegen für den Atomausstieg entschieden.
Doch ob eingeschaltete oder abgeschaltete Reaktoren, ein Problem haben alle: Wohin mit dem hochradioaktiven Müll, der bis zu eine Million Jahre und länger strahlt und damit gefährlich bleibt. Während sich die Endlagersuche in Deutschland um Jahrzehnte verzögert, sind andere Länder bereits weiter.
Wie viele Länder haben schon ein Endlager gefunden?
Ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll ist weltweit noch nirgends in Betrieb. Am weitesten ist Finnland: Auf der Insel Olkiluoto entsteht mit Onkalo das erste tiefengeologische Lager für abgebrannte Brennstäbe. Der Bau startete 2004. Ab 2026 sollen die ersten Abfälle 420 Meter tief im Granit eingelagert werden, bis etwa 2120.
Der Schweizer Geologe Marcos Buser warnt jedoch vor verfrühter Euphorie: „Natürlich ist die nuclear community hochbegeistert, weil die sagen: Ja, jetzt haben wir endlich ein Projekt, das gut ist. Aber das Projekt muss seine Beweise zuerst liefern.“
Wo weltweit Endlager geplant sind
Schweden verfolgt ein ähnliches Konzept: In Forsmark sollen abgebrannte Brennstäbe in etwa 500 Metern Tiefe in Kupfer-Stahl-Behältern, umgeben von Ton, dauerhaft versiegelt werden. Anders als in Finnland sollen die Abfälle nicht rückholbar sein.
Frankreich plant sein Endlager im Tongestein bei Bure in Lothringen. Ab 2035 sollen dort erste radioaktive Abfälle eingelagert werden, zunächst in einer Testphase. Ob und wie es danach weitergeht, soll bis spätestens 2050 entschieden werden.
In der Schweiz wurden 2022 die Unterlagen für ein Endlager bei Stadel nahe der deutschen Grenze eingereicht. Die Entscheidung könnte 2029 per Volksabstimmung fallen – bei Zustimmung würde der Bau zeitnah starten.
Auch Kanada plant ein Endlager, in Ontario. Zwei Gemeinden – die Wabigoon Lake Ojibway Nation und die Township of Ignace – haben sich freiwillig als Standort beworben. Der Bau könnte frühestens Mitte der 2030er-Jahre beginnen. In den USA existiert mit dem Waste Isolation Pilot Plant (WIPP) in New Mexico zwar ein tiefengeologisches Lager, aber nur für militärisch entstandenen Abfall. Für zivilen Müll ist die WIPP nicht zugelassen.
Was ist entscheidend bei der Suche nach einem Endlager?
Die Endlagersuche konzentriert sich weltweit auf geologisch stabile Orte, an denen Atommüll über mindestens eine Million Jahre eingeschloßen werden können. Drei Gesteinsarten kommen dabei infrage: Granit, Ton und Salz. Jede Gesteinsart hat Vor- und Nachteile. Granit ist zwar fest, kann aber Risse bilden. Ton schließt Schadstoffe gut ein, leitet jedoch Wärme schlecht. Salz wiederum leitet Wärme gut und dichtet Risse selbstständig ab, ist aber wasserlöslich.
Die Standortsuche beginnt meist mit geologischen Analysen und Messungen. In Deutschland schreibt ein Gesetz vor, dass der „bestmögliche Standort“ gefunden werden muss. Finnland ging pragmatischer vor und entschied sich nicht für den "besten", sondern für einen geeigneten Ort bei den Atomkraftwerken auf der Insel Olkiluoto.
„Hier ist der Granit ungefähr zwei Milliarden Jahre alt. Und in dieser ganzen Zeit war er ein ausgesprochen tragfähiges Wirtsgestein", sagt Geologin Johanna Hansen. Dass der Granit mehrere Eiszeiten überstanden hat, ohne sich stark zu verändern, gilt als wichtiger Hinweis auf seine langfristige Sicherheit.
Gesellschaftliche Akzeptanz
„Man braucht ein technisch sauberes Verfahren, man braucht eine gute Auswahl, denn nur so bekommt man den zweiten Teil zusammen, und das ist tatsächlich eine Akzeptanz vor Ort", erklärt der Geologe Tim Vietor. In Deutschland war die Endlagersuche jahrzehntelang stark umkämpft. Heute wird mehr Wert auf Transparenz und Beteiligung gelegt.
„Der beste Standort ist nichts wert, wenn er nicht akzeptiert wird", sagt Iris Graffunder von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). In der Schweiz verlief der Prozess ruhiger. In Stadel gibt es weniger Diskussionen wegen Sicherheitsbedenken, sondern vielmehr aus Angst vor sinkenden Grundstückspreisen. Finanzielle Ausgleichszahlungen in Millionenhöhe halfen, die Stimmung in der Region zu beruhigen.
Auch in Finnland gab es kaum Widerstand. Die Entscheidung fiel früh und auch hier wurde offen kommuniziert.
Welche Rolle spielen Zwischenlager – und wie sicher sind sie?
Zwischenlager sind aktuell die einzige Möglichkeit, Atommüll aufzubewahren. Mehr als 300 solcher Anlagen existieren weltweit, viele davon seit Jahrzehnten.
In Deutschland lagern rund 1750 Castor-Behälter in 16 Zwischenlagern, meist direkt neben stillgelegten Atomkraftwerken. Die Hallen wurden ursprünglich für 40 Jahre genehmigt, doch diese Fristen laufen bald ab, in Gorleben zum Beispiel schon 2034. Dann muss die Sicherheit nach aktuellem Stand der Technik neu bewertet werden, inklusive Öffentlichkeitsbeteiligung. Klagen gelten als wahrscheinlich. Manche Lager - etwa in Jülich oder Brunsbüttel - laufen sogar ohne gültige Genehmigung, weil der Müll nicht abtransportiert werden kann.
Zwar gelten die Castor-Behälter technisch als robust, doch Kritiker warnen vor Sicherheitsrisiken, zum Beispiel durch Extremereignisse wie Terroranschläge oder Sturmfluten.
Endlagerexperte Klaus-Jürgen Röhlig mahnt, sich nicht zu sehr auf Zwischenlager zu verlassen: Sie seien nur so lange sicher, wie gesellschaftliche Strukturen stabil bleiben. Im Fall von Krisen wie Krieg oder Wirtschaftskollaps könnten sie schnell verwundbar werden – anders als dauerhaft versiegelte Endlager.
Welche Lösungen für Atommüll werden noch diskutiert?
Viele Ideen wurden über die Jahre diskutiert, doch keine ersetzt bislang ein Endlager: Die Vorstellung, Atommüll ins All zu schießen, scheitert an den enormen Kosten und der Gefahr eines Raketenfehlstarts. Auch das Versenken in Schächten hat sich als Fehler erwiesen: In den 1960er-Jahren versenkte man mehr als 100.000 Fässer mit radiokativem Müll in der Asse in Niedersachen. Doch inzwischen gibt es dort Wassereinbrüche. Der Müll muss wieder geborgen werden, was Kosten in Milliardenhöhe verursacht.
Technisch anspruchsvoll, aber bislang nicht einsatzreif ist die sogenannte Transmutation: die Umwandlung radioaktiver Stoffe durch Protonenbeschuss. Doch dabei entsteht ebenfalls gefährlicher Restmüll, und eine praxistaugliche Technologie gibt es bisher nicht.
Auch grenzüberschreitende Entsorgungslösungen werden immer wieder diskutiert. Laut EU-Recht ist der Export von Atommüll grundsätzlich erlaubt, wenn zwei Staaten sich vertraglich einigen. Deutschland verbietet das jedoch per Gesetz. Finnland zeigt sich hingegen offener, selbst Greenpeace Finnland lehnt grenzüberschreitende Lager nicht grundsätzlich ab. Schlussendlich bleibt die Tiefenlagerung im eigenen Land bislang die einzige tragfähige Lösung.
ema