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Atommüll
Umstrittene Exportpläne

Die 152 Castor-Behälter, die im Zwischenlager Jülich lagern, sollen womöglich in die USA gebracht werden. Denn in Jülich gilt das Gelände nicht als erdbebensicher. Allein: Laut Greenpeace wäre der Atommüll-Export illegal, und das gleich aus mehreren Gründen.

Von Christel Blanke | 18.09.2014
    Der stillgelegte Atomversuchsreaktor auf dem Gelände des Forschungszentrums (FZ) Jülich.
    Umstrittene Fässer: In Jülich lagern 152 Castoren mit radioaktivem Abfall (pipicture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Es geht um rund 300.000 tennisballgroße Kugeln in 152 Castor-Behälter. Abfall aus dem Atomreaktor im nordrhein-westfälischen Jülich, der sich zurzeit im dortigen Zwischenlager befindet. Die Atomaufsicht Nordrhein-Westfalens hat allerdings die Räumung angeordnet, denn das Lager gilt als nicht erdbebensicher. Die Bundesregierung erwägt, den Müll in die USA zu bringen, von wo die Brennelemente ursprünglich kamen.
    Im April wurde eine entsprechende Absichtserklärung mit dem amerikanischen Energieministerium unterzeichnet. Ein Rechtsgutachten im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace kommt nun zu dem Schluss: ein solcher Export wäre illegal. Gutachter Ulrich Wollenteit nennt gleich mehrere Gesetze und Bestimmungen, gegen die verstoßen würde:
    „Verstößt gegen das Atomgesetz, gegen das im Juli letzten Jahres verabschiedete Standortauswahlgesetz, gegen die Richtlinie 2011/70 der Atomgemeinschaft EURATOM und gegen die atomrechtliche Abfallverbringungsverordnung."
    Forschungsreaktor - oder nicht?
    In allen wird verlangt, deutschen Atommüll in Deutschland zu entsorgen. Allerdings gibt es eine Ausnahme: Atommüll aus Forschungsreaktoren. Und als solchen betrachtet die Bundesregierung den Atomreaktor in Jülich. Das sei aber in jeder Hinsicht unzutreffend, sagt Rechtsanwalt Wollenteit.
    „Von Forschungsreaktoren spricht man dann, wenn sozusagen nicht die Erzeugung von Wärmeenergie zum Zweck der Stromerzeugung im Vordergrund steht, sondern andere Zwecke wie zum Beispiel Grundlagenforschung, medizinische Forschung, Materialforschung."
    Das sei aber hier nicht der Fall. Mehr als zwanzig Jahre lang sei mit dem Reaktor Strom erzeugt und ins öffentliche Stromnetz eingespeist worden. Erst 2003 wurde die Anlage von der Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor GmbH – kurz AVR – übernommen. Seither ist die öffentliche Hand zuständig, genauer gesagt das Bundesforschungsministerium. Für die Reaktorsicherheit und den Atommüll trägt aber Bundesumweltministerin Barbara Hendricks Verantwortung, deshalb verlangt der Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital:
    „Sie muss jetzt endlich Spekulationen über einen illegalen Export der Castoren beenden."
    Irreführende Bezeichnung
    Das Bundesumweltministerium teilt die Einschätzung der Kritiker aber nicht. Auf eine kleine Anfrage der Grünen antwortete es vor kurzem: beim AVR Jülich handele es sich um einen Versuchsreaktor, der der Untersuchung der grundsätzlichen Machbarkeit eines Kugelhaufenreaktors dienen sollte. Er habe zwar Strom erzeugt, für den Betrieb sei aber der Forschungs- und Entwicklungsgedanke prägend gewesen. Entsprechend sagte Ministerin Hendricks in der vergangenen Woche:
    „Das ist ja kein zu wirtschaftlichen Zwecken eingerichtetes Kraftwerk gewesen, sondern ein Versuchsreaktor, bei dem – vor dem Hintergrund der Rechtslage – ein Export an diejenigen, von denen es gekommen ist, um es mal vereinfacht zu sagen, hier die Vereinigten Staaten von Amerika, möglich ist."
    Die Bezeichnung Versuchsreaktor hält Gutachter Wollenteit für irreführend:
    „Versuchsreaktoren dienen der Entwicklung von Reaktorlinien, Reaktorkonzepten, Prototypen, also sie stehen eindeutig in einem kommerziellen Kontext."
    Entsprechend würde der AVR Jülich auch in den Listen des Bundesamtes für Strahlenschutz und der Internationalen Atomenergiebehörde als kommerzielle Anlage geführt, so Wollenteit.