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Auf Distanz zu Maduro
Venezolanische Künstler und Intellektuelle hoffen auf Guaidó

Maduro gegen Guaidó - mit Spannung verfolgt die Welt derzeit die Auseinandersetzung zwischen dem venezolanischen Präsidenten und seinem Herausforderer, der sich selbst zum Interimspräsidenten ausgerufen hat. Für Kulturschaffende in Venezuela ist Juan Guaidó seit langem der erste Hoffnungsschimmer auf Demokratie.

Von Victoria Eglau | 10.02.2019
    Anhänger von Juan Guaidó demonstrieren in Caracas friedlich gegen die Regierung von Nicolás Maduro.
    Libertad - für Freiheit und Demokratie in Venezuela gehen auch Kulturschaffende auf die Straße (picture alliance / Adrien Vautier)
    "Ich erkenne in Guaidós Handeln große Vorsicht. Er ist sich bewusst, dass er eine Übergangsrolle spielt, die aber deswegen nicht weniger verantwortungsvoll ist",
    ...sagt der venezolanische Autor und Dramaturg Ibsen Martínez über den selbsternannten Interimspräsidenten Juan Guaidó. Martínez beobachtet die Ereignisse in seiner Heimat vom Nachbarland Kolumbien aus. So wie er leben viele kritische Künstler und Intellektuelle aus Venezuela im Exil – unter dem autoritären Chavismo fanden sie keine Arbeitsmöglichkeiten. Juan Guaidó verkörpert für die große Mehrheit der venezolanischen Kulturschaffenden den ersten Hoffnungsschimmer seit langem, dass ihr Land zur Demokratie zurückkehren könnte.
    "Er ist klar auf einen politischen Übergang und Neuwahlen fokussiert. Was neu ist und Hoffnungen weckt, ist, dass Guaidó sich bemüht, abtrünnige Chavisten, Militärs und Funktionäre ins Boot zu holen",
    ...betont der Schriftsteller Alberto Barrera Tyszka. Auf Deutsch liegt von ihm der Roman "Die letzten Tage des Comandante" vor, der sich um den Tod des sozialistischen Präsidenten Hugo Chavez rankt.
    Maduros Macht hängt an der Militärführung
    Chavez' Nachfolger Nicolás Maduro sieht sich durch den Schachzug des bisherigen Parlamentspräsidenten Guaidó, offensiv den politischen Übergang einzuleiten, in die Ecke gedrängt. Doch noch kann er sich auf die Militärführung stützen, und von deren Haltung werde abhängen, ob sich Maduro an der Macht halten kann, sagt Alberto Barrera Tyszka:
    "Hochrangige Militärs sitzen in Verwaltung, Justiz, Banken und Regionalregierungen - sie haben eine ungeheure Macht. Venezuelas ganze Gesellschaft ist militarisiert, und die große Frage ist deshalb auch: Wie können wir eines Tages dahin kommen, dass die Militärs sich in die Kasernen zurückziehen? Auch das gehört ja zum Demokratisierungsprozess."
    Fürs erste herrscht Ungewissheit, wie lange Machthaber Maduro noch durchhält. Der internationale Druck auf den Präsidenten, den die meisten Venezolaner längst als Diktator sehen, wächst. Viele Regierungen, auch die deutsche, haben Guaidó als Übergangspräsidenten anerkannt. Am Donnerstag beriet eine Gruppe lateinamerikanischer und europäischer Staaten in Uruguay über einen möglichen Dialog von Regierung und Opposition in Venezuela – aber am Ende riefen sie, mit Ausnahme von Mexiko und Bolivien, Maduro zu Neuwahlen auf.
    "Das Problem mit solchen Dialog-Initiativen ist, dass Nicolás Maduro das Wort ,Dialog' unzählige Male mit Füßen getreten hat – sein Regime wollte jedes Mal nur Zeit gewinnen",
    …meint der venezolanische Schriftsteller, Drehbuchschreiber und Verleger Leonardo Padrón. Der Theaterautor Ibsen Martínez glaubt sogar, dass eine Rückkehr zur Demokratie in seinem Land auf friedlichem Wege nicht möglich ist:
    "Ich sehe keinen Ausweg ohne Maduros Abtritt, und der wird meines Erachtens nur unter ausländischem militärischem Druck erfolgen. Die USA arbeiten daran, einen internationalen Konsens zugunsten einer Militärintervention zustande zu bringen."
    Lebendige Theaterszene
    Trotz aller Ungewissheit: Das Leben in Venezuela geht weiter – und, mit Einschränkungen, auch das Kulturleben. Besonders lebendig sei die Theaterszene, erzählt Ibsen Martínez:
    "Obwohl die Aufführungen wegen der hohen Kriminalität meist tagsüber stattfinden und trotz der Hyper-Inflatio, sind die Theaterensembles sehr aktiv. Sie unternehmen große Anstrengungen, um sogar Werke zeitgenössischer Autoren aus Europa und den USA auf die Bühnen zu bringen."
    Dagegen sind die Veröffentlichung von Büchern und die Produktion von unabhängigen Filmen in Venezuela vor allem aus Kostengründen nahezu unmöglich geworden. Schriftsteller Leonardo Padrón lebt und arbeitet in Mexiko und wünscht sich für sein Land:
    "Einen demokratischen, friedlichen Übergang! Vor allem friedlich - und ohne Traumata."